Redebeitrag für den Ostermarsch Nürnberg am 18. April 2022

 

- Sperrfrist:18. April 2021, Redebeginn: 13 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens!

Eigentlich möchte ich heute hier nicht stehen. Eigentlich hätte ich gedacht, daß Frieden eine Selbstverständlichkeit in Deutschland sei, einem Land, das von keiner Seite aus bedroht oder angegriffen wird.

Der völkerrechtswidrige Krieg der russischen Armee gegen die Ukraine zeigt uns jedoch: Frieden möchte gepflegt werden. Und es reicht nicht aus, sich für den Aggressor Putin fremdzuschämen, sondern wir müssen uns selbst an die eigene Nase fassen und uns fragen, wie wir zu einem friedlichen Miteinander beitragen können.

Daher muss ich hier und heute stehen und reden für den Frieden und gegen jeden Krieg, und zwar gleich in drei Positionen:

Zum einen, weil ich als Ärztin friedlichen Konfliktlösungen verpflichtet bin. Als Mitglied einer Ärzteorganisation, die 1986 den Friedensnobelpreis erhielt, weil damals ein russischer und ein amerikanischer Kardiologe gemeinsam die Welt darauf aufmerksam machten, daß ein nuklearer Erstschlag, egal von welcher Seite, das Ende der Menschheit bedeuten würde und es gäbe keine Medizin der Welt, die da noch helfen könnte.

In unseren Tagen haben tausende russischer Ärzt*innen und Gesundheitsfachkräfte einen Appell gegen den Krieg unterzeichnet und lehnen Putins Militärangriffe in der Ukraine entschieden ab. Es ist unsere Aufgabe als Ärzt*innen und Gesundheitspersonal, Leben zu retten und vor Schaden zu bewahren, und daher fordern wir, solidarisch mit unseren östlichen Kolleg*innen: Die Waffen nieder!

Heute sind die Staaten, die Atomwaffen besitzen, dabei, ihre Waffensysteme so anzupassen, daß sie uns weismachen wollen, Atombomben seien in einem Krieg einsetzbar – eine Augenwischerei, die die schrecklichen und langanhaltenden Folgen von nuklearen Waffen verschleiert. Wir fordern unsere Regierung daher auf, als ein konkretes und deutliches Zeichen unseres Deeskalationswillens alle Atomwaffen aus Deutschland entfernen zu lassen und endlich den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen!

Waffen sind generell zum Töten gemacht.

Vor Jahren mußte ich einen Patienten, einen jungen Mann, auf der Intensivstation behandeln, dem Sprengstoff das halbe Gesicht weggerissen hatte. Er quälte sich über Wochen bis er elend verstarb.

Und welche Wunden reissen diese Waffen in der Psyche eines jeden, der von ihnen getroffen wird – aber auch bei denen, die sie bedienen? Und geht es denjenigen auf der „anderen Seite“ nicht haargenau so?

Wollen wir das unseren Kindern, unseren Brüdern oder Schwestern, unseren Familien antun, wenn Dienst an der Waffe in der Mitte unserer Gesellschaft ankommen soll?

In Deutschland stirbt die Generation, die am eigenen Leib, in der eigenen Seele verwüstet wurde durch Bombennächte und Kriegserfahrungen, langsam aus, aber generationsübergreifend wirken ihre Wunden weiter bis heute.

Deshalb stehe ich hier zum Zweiten als Frau und Mutter. Das Motto des diesjährigen Ostermarsches wurde übernommen von einem Buchtitel, in dem eine Frau, Bertha von Suttner, in ihrem Roman en détail die Folgen von Kriegen schilderte und der heute noch genauso aktuell ist wie vor 170 Jahren.

Ich möchte nicht, daß meine oder irgendwelcher Mütter Kinder in sinnlosen Kriegen verheizt werden. Ich wehre mich dagegen, daß sie in Auslandseinsätzen in Ländern, in denen Deutschland aber auch gar nichts verloren hat, traumatisiert werden – entweder, weil sie selbst Verletzungen erleiden, oder Andere auf fremden Befehl hin töten müssen.

Oder daß sie, hier in Deutschland zu Drohnenpiloten ausgebildet, hilflos am Bildschirm mit ansehen müssen, wie eine Rakete, die sie gerade abgeschossen haben, Mütter und Kinder zerreisst weil das Ortungssystem doch nicht so genau arbeitet wie versprochen.

Deshalb, zum Dritten, stehe ich hier als Mensch, der Mitleid empfindet und darüber seine Kultur und seine Menschlichkeit definiert. Ich möchte nicht in einem Land leben, das diese Kultur einer trügerischen Sicherheit unterstellt mit Unsummen, die für Militärausgaben verpulvert werden, während an unseren Grenzen asylsuchende Menschen erfrieren und ertrinken.

„Europa wird angegriffen!“ - heisst das Schlagwort - und schwupps sind 100 Milliarden bereitgestellt, um Waffen und Rüstung zu kaufen. Wir wollen das nicht. Wir protestieren hier gegen die Spirale der Angst, die unsere Regierung dazu treibt, Ausgaben für Tod und Vernichtung zu tätigen, die an anderen Stellen weitaus sinnvoller angebracht wären.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten als Kultusminister, sagen wir einmal 2 Milliarden, ein 50-tel dieser Summe nur, zur Verfügung um Theater und Kunst zu unterstützen. Als Bildungsminister 5 Milliarden um Lernorte so zu gestalten, daß unsere Kinder gerne in die Schule gehen. Als Familienminister 3 Milliarden um soziale Netzwerke so auszustatten, daß Pflege bezahlbar würde und Seniorenresidenzen nicht zu Greisenasylen verkommen müssten oder um den Sozialhilfesatz auf ein menschenwürdiges Maß anzuheben.

Und damit hätten sie erst ein Zehntel der nun für das Militär anvisierten Summe sinnvoll investiert…

Wußten Sie, daß hier, in der Stadt der Menschenrechte, vor einem guten Monat die IWA, die internationale Waffenausstellung stattfand? Viele, auch einheimische Waffenproduzenten wie RUAG Amnotec oder Diehl stellten ihre todbringenden Produkte dort einem Fachpublikum vor.

Wir stellen uns dem entgegen und sagen: keine Waffenexporte von deutschen Firmen! Wir fordern die Stadt Nürnberg auf, diese Waffenmesse nicht mehr zu beherbergen und sich statt dessen auf ihre Aufgabe als Stadt des Friedens und der Menschenrechte zu besinnen und in Projekte für zivile Konfliktlösungen zu investieren!

Wenn wir hier Töne des Protestes und der Klage in den Himmel steigen lassen, so deshalb, weil ich mit Gleichgesinnten wie Ihnen Allen und besonders den uns Regierenden sagen will:

Wir brauchen keine Grenzen aus Stacheldraht, an denen Geflüchtete elendig zugrunde gehen.

Wir wollen keine Sicherheit auf Kosten von Menschenleben.

Willy Brandt sagte 1971 bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises: Der Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Es geht darum, Kriege abzuschaffen, nicht nur, sie zu begrenzen. Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio.

Wir fordern unsere Regierung daher auf, sich aktiv für friedliche und zivile Konfliktlösungen einzusetzen. Friedliche Koexistenz muss endlich ernsthaft die Politik unseres Landes bestimmen.

Und wir werden mit jeder Faser unserer Stimmlippen dafür protestieren, im Vertrauen darauf, daß eine friedliche Welt unsere Zukunft ist.

Die Waffen nieder - Frieden ist machbar!

Vielen Dank.

 

Elisabeth Heyn ist aktiv bei der IPPNW-Regionalgruppe Nürnberg.