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Redebeitrag für den Ostermarsch Wermelskirchen am 18. April 2022
- Sperrfrist: 18. April 2022, Redebeginn: 16 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Friedensfreundinnen und -freunde
gut, dass wir zusammen unterwegs sind, hier auf diesem Ostermarsch für den Frieden. Heute an Ostern, dem Fest der Christenheit, das in besonderer Weise unsere Hoffnung stärkt, dass nicht Hass, Unrecht und Gewalt dass letzte Wort behalten, sondern schließlich - die Menschlichkeit siegt. Ich brauche diese Osterbotschaft, gerade angesichts der so grausamen Meldungen und Bilder aus der Ukraine. Denn diese lösen eine kaum erträgliche Wut und Abscheu in mir aus.
Es ist kaum auszuhalten. All die vielen unschuldigen Opfer dieses ungerechtfertigten Krieges Russlands gegen die Ukraine. In den Kellern, auf den Straßen, in den Häusern und Kliniken, auf den Fluchtkorridoren - überall wird gestorben. Es wirkt für mich eindeutig: Russland will die ukrainische Kultur und Staatlichkeit vernichten. Und begeht dafür tagtäglich Verbrechen gegen jede Menschlichkeit, ja Völkermord. Tagtäglich sterben auch Soldaten und Soldatinnen - auf beiden Seiten. Auch sie sind Söhne und Töchter, Ehemänner und Ehefrauen.
Dazu all die vielen Frauen und Kinder, die flüchten. Ich habe sie gesehen, an Bahnhöfen, in Zügen. Eine Mutter mit drei kleinen Kindern: eines auf dem Arm, zwei an der linken Hand, mit der rechten Hand zog sie eine große, offene Kaufhaus-Tasche hinter sich her. Mit ihren verbliebenen Habseligkeiten.
Es ist absolut notwendig, jetzt und sofort diese gnadenlose Gewalt zu beenden. Es liegt an Präsident Putin, diesen Krieg zu stoppen. Und wir fordern ihn dazu auf.
Liebe Friedensfreundinnen und -freunde.
Die verführerische Ruhe ist zu Ende. Unser Weltbild ist ins Wanken gekommen. Mit den ersten Raketen aus Russland am 24. Februar. Es ist wirklich eine außerordentlich schwierige, in ihrer Wirkung unvorhersehbare Entscheidung: In welcher Weise der Ukraine am besten helfen? Wir stehen an der Seite der Ukraine.
Doch: Entweder: wir raten der Ukraine zur sofortigen Kapitulation und die Weiterführung ihres Kampfes im gewaltfreien Widerstand - oder wir unterstützen schnellstmöglich die Ukraine entschieden mit allen notwendigen und verantwortbaren militärischen Mitteln. Alles dazwischen verlängert das Leiden und Sterben in der Ukraine. Schuldig werden wir auf jeden Fall: entweder durch unterlassene Hilfeleistung - oder in Folge von Waffenlieferungen.
Es scheint mir heute aber unmöglich, einen radikalen Pazifismus, einen radikalen Verzicht auf Gewalt den freiheitskämpfenden Ukrainern zu predigen.
Die neue Kriegs- und Bedrohungssituation in Europa hat auch in mir ein Umdenken ausgelöst. Friede und Freiheit gibt es auch für uns nicht mehr gratis.
Natürlich wissen wir: Waffen und Sanktionen schaffen noch keinen Frieden. Bestenfalls hemmen sie schlimmere Gewalt, dämmen ein, verhüten. Und es geht darum, mit möglichst wenig Gewaltanwendung den Krieg so schnell wie möglich zu beenden - damit sich ein Fenster wieder öffnen kann für die Sprache des Friedens. Es gilt, was ich im Blog von „Forum Wermelskirchen“ gelesen habe: “Ohne den Geist des Pazifismus ist dauerhafter Frieden nie möglich. Deshalb müssen wir ihn lebendig halten. Hier und jetzt.”
Aber egal wie unsere Regierungen sich entscheiden, welche Finanzprogramme sie auflegen oder welche Waffensysteme sie liefern: Die stärkste Waffe gegen den Krieg ist die Demokratie. Weil am Ende von Autokratismus und Diktatur, am Ende von Beschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit Nationalismus, Militarismus, und imperialistischer Krieg stehen. Das zeigt der Angriffskrieg Russlands.
Darum gilt es unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen, miteinander, über politische und religiöse Differenzen hinweg.
„Im Namen der Demokratie: dafür lasst uns kämpfen!“ ruft der „große Diktator“, alias Charlie Chaplin, in einer bewegenden Rede seinen Offizieren und der ganzen Welt zu. „Im Namen der Demokratie: lasst uns zusammenstehen, lasst uns kämpfen für eine neue Welt, für eine anständige Welt!“ Das war 1940. Im Angesicht Hitlers. Heute gilt es genauso, im Angesicht Putins. Lasst uns für die Demokratie kämpfen! Lasst uns den Versuchen widerstehen - ob von außen oder innen - unsere Gesellschaft zu spalten.
Der Weg zum Frieden muss begehbar bleiben. Dazu gehört die Verbrechen und Gräuel in der Ukraine zu benennen und bestrafen, vor dem internationalen Gerichtshof. Dazu gehört auch ein gemeinsames Haus Europa, zu dem auch in Zukunft alle gehören, die darin wohnen. Auch Russland und Belarus, genauso wie die Europäische Union und alle anderen europäischen Länder. Und für mich gehört die Ukraine in die Europäische Union. So schnell wie möglich.
Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
Die Menschen in der Ukraine kämpfen in diesen Tagen auch unseren Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit. Das Schicksal der Ukraine wird zum Schicksal für Europa.
Darum: Neben all den Worten - wie weit sind wir bereit, auch ganz praktisch unseren Beitrag zu leisten um den Krieg zu beenden? Sind wir bereit steigende Energiepreise zu akzeptieren und damit weitere Einbußen in den Komfortzonen unseres Lebens? An den Auswirkungen des Krieges werden wir so oder so nicht vorbei kommen.
Je eher wir die Energielinien nach Moskau kappen - umso besser. Ein Embargo sofort wäre für mich der richtige Schritt. Zusammen wird es gelingen.
Zusammen wird es uns gelingen den persönlichen Energieverbrauch zu senken - 2 Grad weniger in allen Gebäuden erspart 10 % des russischen Gases. So habe ich gelesen. Zusammen schaffen wir auch ein Tempolimit, sofort. Nicht als Spaßbremse, sondern als Zeichen der Solidarität und unserer verantworteten gesellschaftlichen Freiheit. Und jedes Windrad und jede Solaranlage sind Zeichen energiepolitischer Unabhängigkeit und wirtschaftlicher Freiheit. Die Energiewende muss kommen - erneuerbare Energien und - Freiheit - hängen zukünftig untrennbar zusammen.
Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
so viele Menschen setzen sich ein und stellen zur Verfügung: ihre Häuser und Wohnungen, ihre Zeit, ihr Engagement, ihr Geld. Ich sehe noch die freiwilligen Helfer*innen am Bahnhof in Pasewalk, einem Drehkreuz der Deutschen Bahn östlich von Berlin. Sie stehen da und warten auf die Züge aus Stettin, um den ankommenden Flüchtlingen aus der Ukraine weiterzuhelfen, mit einer kleinen Mahlzeit, oder einem Kinderspiel, aber vor allem mit praktischen Hinweisen. Ich denke - beispielhaft für viele - an die Aktion der Gemeinden „Treffpunkt Hoffnung“ und Hilgen-Neuenhaus, die einen Bus organisiert haben, um Hilfslieferungen an die ukrainische Grenze zu bringen und Menschen mit zurück in Sicherheit.
Die Aktion „Wermelskirchen hilft!“ macht mir Mut. Die große Solidarität von Stadt, Verbänden und Kirchengemeinden. Gemeinsam stehen wir ein für eine Welt, in der jede und jeder in Frieden leben kann und wo die Schwachen geschützt werden. Wir treten ein für Solidarität zwischen Menschen und Nationen. Mit nur einem Ziel: allen Menschen auf diesem Planeten ein auskömmliches und menschengerechtes Leben zu ermöglichen.
Meine Vision ist - es ist die Ostervision dieser Tage: Einmal - werden wir keine Waffen mehr brauchen: Wenn sich Menschlichkeit und Dialog durchsetzen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, sogar bis hin nach Moskau und weit darüber hinaus.
Ich danke Ihnen.