Redebeitrag für den Ostermarsch Mannheim am 16. April 2022

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Aufruf des DGB zu den Ostermärschen 2022 lautet: Stoppt den Krieg! Frieden und Solidarität für die Menschen in der Ukraine! 

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften verurteilen den Überfall von Putin auf die Ukraine auf das Schärfste. Dieser Krieg stellt einen beispiellosen Angriff auf die europäische Friedensordnung dar, die auf Freiheit, Menschenrechten, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit basiert. Seine Hauptleidtragenden sind die Zivilbevölkerung und damit auch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir fordern die russische Regierung auf, den Angriffskrieg zu beenden, ihre Truppen zurückzuziehen und die territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen.

Gemeinsam mit der internationalen Gewerkschaftsbewegung stehen wir solidarisch an der Seite der mutigen Menschen in der Ukraine. Zugleich gelten unsere Solidarität und unser Respekt all den Menschen in Russland, die schweren Repressalien des Putin-Regimes ausgesetzt sind, weil sie mutig auf die Straße gehen und ihre Stimme gegen den Krieg erheben.

Jetzt ist die Stunde des solidarischen Handelns. Wir alle sind aufgefordert, den Kriegsflüchtlingen umfassende humanitäre Hilfe und Schutz anzubieten. Ebenso unterstützt der DGB die scharfen wirtschaftlichen Sanktionen, deren Folgen wir gemeinsam tragen müssen.

Wir müssen den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft weiter stärken. Schließlich stehen wir vor großen Problemen, die wir nur gemeinsam lösen können.

Selbstverständlich ist die Frage nach Waffenlieferungen quälend: schließlich sehen wir doch, dass Putin einen Krieg gezielt gegen die Zivilbevölkerung führt und Kriegsverbrechen begeht. Ich reibe mir aber verwundert die Augen, dass sich viele Politiker einen Überbietungswettkampf liefern, wie viele und welche Waffen wie schnell geliefert werden sollen. Dabei sind sich manche auch nicht zu schade, Menschen zu diffamieren, die sich für Frieden und Abrüstung einsetzen. An Herrn Lambsdorff: Ihre Äußerungen sind unerhört und inakzeptabel.   

Der DGB-Kreisverband Mannheim / Rhein-Neckar West hat sich nach intensiver Diskussion klar gegen Waffenlieferungen ausgesprochen. Die Gefahr einer massiven militärischen Eskalation ist real und nicht einzuschätzen.

Lasst uns darüber nachdenken, was den Menschen in der Ukraine jetzt hilft. Machen wir uns nichts vor: wir haben lange mit Geschäftsmodellen gelebt, die fragwürdig, manchmal sogar moralisch nicht tragbar sind. Die Beendigung dieser Geschäftsmodelle wird selbstverständlich Konsequenzen auf unseren Wohlstand haben.  

Nach einer Mitteilung der Hans-Böckler-Stiftung betrug der Wert deutscher Importe aus Russland 2021 rund 33 Milliarden Euro. Deutschland ist mit weitem Abstand vor anderen Ländern der größte Abnehmer von russischem Gas. Die Wirtschaftsexperten des DGB gehen davon aus, dass sich der Gasimport aus Russland bis zum Jahresende von 55 % auf 40 % reduzieren lässt. Von russischem Öl (32%) könnten wir bis Ende 2022 unabhängig sein. Bei der Steinkohle sind es rund 50%, bei einzelnen Kraftwerken laut DGB sogar 100%. Hier wäre ein Ausstieg aus russischer Kohle bis zum Herbst möglich. Interessante Erkenntnis am Rande: die deutschen Zechen wären aktuell wettbewerbsfähig.

Der Vorschlag des DGB lautet: kurzfristige Entlastung und gerechte Finanzierung der höheren Energiekosten. Die Energieversorgung sichern und erneuerbare Energien schnell ausbauen. 

Wir zahlen seit Jahren Unsummen an ein Regime, das sich nicht um Frieden und Völkerrecht schert und das eigene Volk unterdrückt. Daher finde ich: stornieren wir die Energielieferungen jetzt. Kein Geld mehr für Kriegstreiber!

Lasst mich auszugsweise aus einem Interview mit Frank Werneke, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft ver.di berichten bzw. zitieren: „So nachvollziehbar das erhöhte Sicherheitsbedürfnis in den Nachbarstaaten Russlands und auch in der deutschen Bevölkerung ist - das darf nicht zu einer Spirale rein militärischen Denkens führen. Und auch nicht zu einem neuen Rüstungswettlauf. Unsere Perspektive muss ein Europa mit weniger Waffen bleiben, insbesondere durch den Abbau atomarer Bewaffnung.“

Die Bundesregierung plant ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro und auch langfristig sollen mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für militärische Zwecke ausgegeben werden. Damit wurden Jahrzehnte deutscher Außen- und Sicherheitspolitik in einer halben Stunde und ohne breite gesellschaftliche Debatte um 180 Grad gedreht. Das ist aus meiner Sicht ein Skandal.  

ver.di ist durch seine Gewerkschaftsmitglieder nah dran an der Wirklichkeit der Bundeswehr. Der Zustand ist in Teilen wirklich schlecht ist, trotz der vielen Milliarden, die jetzt schon im System sind. Das Geld ist für teure Auslandeinsätze ausgegeben worden, horrende Beraterhonorare und Waffensysteme, die am Ende nichts taugen.

Frank Werneke: „Ich bin absolut dafür, jetzt ein Sondervermögen zu schaffen. Übersetzt heißt das ja nichts anderes, als dass der Staat in diesem Jahr zusätzliche Kredite aufnimmt, um Reserven angesichts des Krieges in der Ukraine zu bilden. Das ist notwendig und 100 Milliarden Euro werden vermutlich bei weitem nicht reichen. Ich sehe allerdings die dringlichsten Handlungsbedarfe nicht bei den Ausrüstungsdefiziten in der Bundeswehr. Wir stehen in Deutschland vor der größten Flüchtlingswelle seit dem zweiten Weltkrieg.

Derzeit steigen die Preise sprunghaft. Menschen mit durchschnittlichen und eher niedrigen Einkommen in Deutschland gehen angesichts der stark steigenden Preise in die Knie. Daher muss die Bundesregierung jetzt die Mehrwertsteuer auf Gas und Strom aussetzen und zusätzlich mit einem staatlichen Energiegeld unterstützen.

Wir brauchen mehr Tempo beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie und von Wasserstofftechnik. Das kommt noch auf die ohnehin schon bestehenden Aufgaben, die die Politik in der Daseinsvorsorge, der Pflege, dem Gesundheitswesen und in den weiteren Feldern der sozialen Arbeit zu erledigen hat.

Angesichts der finanziellen Dimension, die uns da ins Haus steht, reicht es aus meiner Sicht auch nicht aus, lediglich ein Sondervermögen mittels einer höheren Staatsverschuldung zu bilden. Jetzt ist es endlich an der Zeit, dass sich auch die Reichen und Superreichen an den finanziellen Herausforderungen angemessen beteiligen. Zumal ihre Vermögen in den letzten zwei Jahren der Corona-Pandemie nochmal weiter angewachsen sind, auf über 13 Billionen Euro allein in Deutschland. In der heutigen Zeit wäre eine Abgabe auf Vermögen oberhalb einer Million Euro bei Privatpersonen und oberhalb von fünf Millionen bei Unternehmen absolut angebracht. Wir als ver.di wollen die Reichen und Superreichen stärker in die finanzielle Verantwortung nehmen.“ Soweit der ver.di-Vorsitzende, nachlesbar auf der Internetseite.

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir setzen heute beim Ostermarsch ein starkes Zeichen, dass sich die Menschen in unserem Land für eine europäische und internationale Friedensordnung engagieren, die auf den Prinzipien der Freiheit, der Wahrung der Menschenrechte, der Selbstbestimmung und der Gerechtigkeit beruht.

Stoppt den Krieg! Frieden und Solidarität für die Menschen in der Ukraine! Gegen eine neue Politik der militärischen Konfrontation und des Wettrüstens!

Vielen Dank.

 

Ralf Heller ist Vorsitzender des DGB-Kreisverbands Mannheim/Rhein-Neckar West.