Redebeitrag für den Ostermarsch Kassel am 16. April 2022

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

wir stehen hier wie jedes Jahr an Ostern zusammen, um für den Frieden zu demonstrieren. Doch dieses Jahr scheint alles anders. Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat das Thema Krieg wieder ganz oben auf die politische Agenda gesetzt. Kanzler Olaf Scholz spricht von einer Zeitenwende, die seiner Meinung nach Aufrüstung und hohe Ausgaben für die Bundeswehr und Waffen beinhalten soll. Gerade auch deswegen braucht es jetzt noch mehr als sonst eine klare, friedenspolitische Stimme, die für Abrüstung, gegen Krieg und seine Ursachen einsteht.

Deswegen sind wir heute hier.

Putins Angriffskrieg auf die Ukraine hat die ganze Welt erschüttert und wir verurteilen diesen Krieg aufs Schärfste. Wir stehen solidarisch an der Seite der Ukrainer:innen. Dieser Krieg muss sofort beendet werden.

Unsere Solidarität gilt aber auch den Russ:innen, die sich trotz großer Repression, Verhaftungen und Gewalt in Russland gegen diesen Krieg und ihrer Regierung stellen.

Und deswegen dürfen auch die Kontakte in die russische Zivilgesellschaft, wie etwa durch Städtepartnerschaften nicht eingestellt werden. Die Antikriegsbewegung benötigt jede Unterstützung beim Kampf gegen Putin.

Wir stehen heute hier am Obelisken von Olu Oguibe mit dem Titel „Das Fremdlinge und Flüchtlinge Monument“. Dieses polarisierende Kunstwerk der letzten Documenta hat die Stadtpolitik viele Monate in Atem gehalten.

Wir, die Fraktion der Linken, haben für dieses Kunstwerk gekämpft und begrüßen es, dass es in der Stadt verblieben ist, auch wenn es uns am Königsplatz noch besser gefallen hätte. Denn für diesen Standort hat der Künstler das Werk konzipiert.

Denn wenn wir von Krieg und Frieden reden, können wir nicht über Flucht schweigen. Krieg ist und bleibt Fluchtgrund Nummer ein.

Auch durch den Krieg in der Ukraine müssen wieder Millionen Menschen fliehen. Aber es herrscht nicht nur in der Ukraine Krieg, auch andernorts müssen Menschen wegen Krieg ihre Heimat verlassen: etwa im Jemen, auf Mali oder auch immer noch in Syrien und Afghanistan, um nur einige Beispiel zu nennen.

Seit Beginn des Krieges sind viele Ukrainer:innen geflohen, nach Deutschland aber auch in andere europäische Staaten - die Solidarität in der Bevölkerung ist beeindruckend.

Hilfsnetzwerke werden reaktiviert oder gründen sich neu - die deutsche Bahn gewährt kostenfreien Transport, die Kommunen vereinfachen Aufnahmeprozesse…

Dieses unbürokratische schnelle Handeln macht Mut und lässt hoffen, dass am Ende der Mensch mehr zählt als der Profit.

Auf der anderen Seite muss leider auch gesagt werden, dass hier eindeutig eine Hierarchie unter Geflüchteten aufgemacht wird:

Drittstaatler:innen, die ebenso aus der Ukraine fliehen, etwa internationale Studierende, oder Menschen die als Geflüchtete in die Ukraine geflohen und nun wieder fliehen müssen, werden anders behandelt als ukrainische Staatsbürger:innen.

Und was ist eigentlich mit den Geflüchteten, welche im Niemandsland zwischen Polen und Belarus campieren?!?

Allen geflohenen Menschen muss kompromisslos Schutz und Hilfe geboten werden. Keine geflüchtete Person ist mehr wert als eine andere geflüchtete Person - Es ist nicht an uns zu bewerten, wer „mehr Recht“ auf Hilfe hat.

Zurück zur documenta - Dieses Jahr findet sie wieder statt, in 2 Monaten wird es losgehen. Die künstlerische Leitung, das indonesische Kollektiv ruangrupa, hat diese documenta unter ein besonderes Motto gestellt:

Die indonesische Lumbung-Architektur.

„Lumbung“ beschreibt in Indonesien eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune, in der die überschüssige Ernte zum Wohle der Gemeinschaft gelagert wird.

Diese Tradition des Teilens soll auf die Weltkunstausstellung übertragen werden.

Der solidarische Charakter des Lumbung könnte angesichts der Hungers in Afrika wegen des drohenden Ausfalls der ukrainischen und russischen Weizenernte, beispielgebend sein. Weizen statt Waffen.

Statt 100 Mrd. für die Rüstung und die Bundeswehr zu verschwenden, kann dieses Geld für die Bekämpfung des Hungers eingesetzt werden.

Der Hunger auf der gesamten Welt könnte bis 2030 beseitigt sein, wenn die Mittel zur Hungerbekämpfung um 14 Mrd. Euro pro Jahr erhöht würden. Stattdessen sind die Mittel im Bundeshaushalt gekürzt worden.

Weil Kunst auch immer Gegenwärtiges verarbeitet und darstellt wird der Krieg in der Ukraine und auch die Geflüchteten sicher eine Rolle auf der Documenta spielen.

Und sicher keine kleine.

Das kann man sogar jetzt schon am Fridericianum sehen. Dort hängen drei Banner der „Anti War Drawings“ des rumänischen Künstlers Dan Perjovschi. Sie wurden als Protest gegen den Krieg in der Ukraine am Fridericianum installiert. Neben gezeichneten Panzern ist darauf „Stop War“, „Stop Putin“ und „Peace“ zu lesen.

Aber es gibt auch viele Entwicklungen in den letzten Wochen die uns Angst machen – Angst vor einer neuen Aufrüstung, Angst vor neuen Prioritätenverschiebungen in der Politik, Angst vor Eskalation.

Es gibt keine militärische Lösung für diesen Konflikt und deswegen sagen wir deutlich: Keine Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete und ich bleibe auch dabei - und das heißt auch keine Waffenlieferung in die Ukraine. Das hilft nur den Rüstungskonzernen, nicht den Menschen, denn Deeskalation ist das Gebot der Stunde. Waffen schaffen keinen Frieden!

Und von Rüstung spanne ich den Bogen wieder zurück zur Documenta:

Das Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ plant für den Documenta Sommer verschiedene Aktionen in Kassel, dem Ort der Rüstungsindustrie und der Kunst.

Es wird ein Protestcamp in der Goetheanlage geben, vom 30. August - 4.September und das Kollektiv der Rojava Filminiative wird gemeinsam mit dem Bündnis Rheinmetall entwaffnen im Rahmen der documenta vor Ort Aktionen durchführen.

Aber egal ob Teil des offiziellen Programms ist oder nicht, rufe ich Euch auf: Haltet die Augen offen und beteiligt Euch auch während der documenta an den Aktionen gegen die Rüstungsindustrie hier in Kassel.

Denn: Rheinmetall entwaffnen ist keine Kunst! Und Krieg nie eine Lösung!

Vielen Dank.

 

Stephanie Schury ist Stadtverordnete der Fraktion Die Linke in Kassel.