Redebeitrag für den Ostermarsch 2024 in Erfurt am 28. März 2024

 

- Sperrfrist: 28.03., Redebeginn: ca. 16 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Was heißt für Sie Frieden?

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Harmonie – alle mögen sich?

Klingt nach glücklichen Momenten, die leider selten von Dauer sind.

Kain erschlug Abel, so steht es in der Bibel, es ist der erste Mord, ein Mord unter Verwandten. Kurz nach der Vertreibung aus dem Paradies geraten die Söhne von Adam und Eva in tödlichen Streit.

Frieden, also nichts als Illusion, unrealistisch?

Oder ist Frieden eher ein Prozess, ein kluger, gewaltfreier Umgang mit Konflikten?

So alt wie die Geschichte von Adam und Eva und ihren Söhnen ist die Suche nach einer Antwort auf die Frage, ob es nicht auch anders geht, als Konflikte mit tödlicher Gewalt auszutragen.

In der jüdischen Tradition gibt es die Geschichte von Rabbi Hillel geboren im 1. Jahrhunderts v. Chr. wahrscheinlich in Babylon – also im Exil, unter fremder Herrschaft und nicht einfach nur unter seinesgleichen: Ein Mann will von ihm die Essenz der Thora hören, aber kurz, nicht länger, als er auf einem Fuß stehen kann. Und so stellt sich der Mann auf einen Fuß, und Hillel sagt zu ihm:

„Was dir zuwider ist, das tu keinem anderen an.

Das ist die ganze Thora. Geh jetzt und lerne alle Gebote, damit du weißt, was du tun sollst und was du nicht tun darfst.“

Dieser Gedanke, als „Weltethos“ von Hans Küng beschrieben, von anderen als „Die goldene Regel“, zieht sich durch die verschiedensten Religionen und Jahrhunderte, ist geprägt von immer neuen Anläufen, aus den Spiralen von Konflikten und Kriegen herauszukommen – und es setzt bei uns, bei mir an, nicht bei den anderen, die sich erstmal ändern müssten, damit ich in Frieden leben kann.

Dritter Versuch: Was für Folgen hätte es, Frieden als die Realisierung der Menschenrechte zu beschreiben?

Anders als bei Hillel geht es hier nicht allein um einzelne Menschen, sondern das Leben in Gesellschaften und Staaten, um die Machthaber, die leider nicht, wie es die Theorie will, das Gewaltmonopol allein zum Schutz aller vor der Gewalt einzelner verwenden – die staatlich organisierten Verbrechen der Nationalsozialisten waren ein Grund, warum die Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 die Universale Erklärung der Menschenrechte verabschiedet haben: Als Schutz des einzelnen vor staatlicher Willkür. Doch bis heute wollen die Machthabenden nicht ihr Gewaltmonopol an eine übergeordnete Instanz wie die UN abgeben, wie es im Briefwechsel mit Siegmund Freud 1932 von Albert Einstein gefordert wurde: Wir erleben aktuell, dass Angriffskriege als Mittel zur Durchsetzung „nationaler Interessen“ gerade weltweit wieder Konjunktur haben, mit einer entsprechenden Propaganda, die in alle Debatten durchschlägt und Frieden fordernde Menschen für naiv hält.

Was Rabbi Hillel dazu sagen würde?

„Was dir zuwider ist, das tu keinem anderen an.“

Zum Glück gibt es in allen Krieg führenden Nationen auch gesellschaftliche Akteurinnen und Akteure, die gegen die angeblich alternativlose Aufrüstung und Kriegsführung angehen, Dialoge über die Grenzen hinweg organisieren, sich verweigern, desertieren und zeigen, wie es sich gemeinsam leben lässt.

Ihnen gebührt unser Dank und vor allem:

Praktische Unterstützung und Solidarität.

Also wo anfangen, zur Bewahrung und Förderung friedlicher Verhältnisse, hier und anderswo?

Es hilft nichts: Die Veränderungen müssen bei unserem eigenen Verhalten beginnen, und die gute Nachricht ist, daß es auch Spaß machen kann, sich von falschen Kompromissen zu befreien.

Eine Veränderung im Umgang mit Menschen,

deren Meinung oder Verhalten wir nicht gut finden,

könnte im Sinne Hillels dadurch möglich werden,

daß wir etwas annehmen, was hinter den allermeisten Konflikten steckt: Das tiefe Bedürfnis nach Anerkennung der Person.

Dem anderen mit Respekt zu begegnen heißt nicht, allen seinen / ihren Ansichten um des lieben Friedens willen zuzustimmen, sondern auch deutlich zu sagen: „Bei aller Liebe, das sehe ich anders.“

Keine leichte Aufgabe, aber die Mühe lohnt – bei allen Rückschlägen haben Sie sicher auch diese positige Erfahrung schon gemacht.

So können wir wieder Grund unter die Füsse bekommen, standhaft, friedenstüchtig werden angesichts all der Katastrophen und Fehlentwicklungen, die uns zu entmutigen drohen.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen gute Begegnungen und Gespräche auf diesem Ostermarsch und im Alltag, dazu Respekt voreinander, Mut, Phantasie und langem Atem.

Und wenn Sie wollen, kommen Sie am Samstag von 11 bis 13 Uhr nach Weimar auf den Theaterplatz, dort wollen wir, die Gruppe „Welt ohne Waffen“, gemeinsam mit anderen im Rahmen des Ostermarsches zeigen,wie es sich leben lässt.

Vielen Dank!

 

Daniel Gaede ist aktiv bei der Gruppe "Welt ohne Waffen", Weimar.