Redebeitrag von Paul Russmann (ORL) am 01.09.2017 bei der Kundgebung zum Antikriegstag in Stuttgart

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Es ist gut und richtig, dass sich die Stadt Stuttgart bei den »Bürgermeistern für den Frieden« für eine atomwaffenfreie Welt engagiert. Es ist gut und richtig, dass die Stadt Stuttgart in Unternehmen, die Militärwaffen oder Militärmunition herstellen, keine Vermögenswerte mehr anlegt. Gut und richtig ist auch, dass sich die Landesmesse Stuttgart aus »Respekt vor den Menschen« als »nachhaltiger Unternehmer« für die Menschenrechte einsetzt. Soweit so gut.

Diese gut gemeinten Selbstverpflichtungen werden jedoch konterkariert und ad absurdum geführt, wenn die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg, als Eigentümer der Landesmesse Stuttgart, Gastgeber einer internationalen Militär- und Waffentechnikmesse sind. Denn im nächsten Jahr soll vom 15. bis 17. Mai 2018 die Militär-und Waffentechnikmesse "International Forum for the Military Training, Education and Simulation Sectors", kurz ITEC, zum ersten Mal in der Landesmesse Stuttgart stattfinden. Auf der letzten ITEC in Deutschland, 2014 in Köln, präsentierten sich 110 Rüstungsunternehmen, darunter Boeing, Thales und Rheinmetall. Unter den Besuchern und Besucherinnen der Messe sind zwar auch Feuerwehrleute, Polizisten und Polizistinnen, aber vor allem tausende Militärs aus aller Herren Länder. Die Veranstalter der ITEC werben sogar explizit damit, dass Aussteller auf ihrer Messe Kontakte zu Entscheidungsträgern und sogenannten militärischen „Endverbrauchern“ aus aufstrebenden Märkten knüpfen können. Als aufstrebende Märkte bezeichnen die Veranstalter der ITEC auf ihrer Internetpräsenz Regionen, die sich durch besorgniserregende Rüstungsdynamiken auszeichnen, wie beispielsweise den Mittleren und Nahen Osten. Scheinbar einträchtig marschieren Militärs aus China, Indien, Pakistan und Saudi-Arabien durch die Messehallen und lassen sich Computerprogramme zur Simulation von Krieg und Töten, für Raketenabwehrsystemen und für Drohnentechnik präsentieren, mit denen sie sich zukünftig möglichst effizient gegeneinander auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt umbringen können - Auf Kosten vieler unschuldiger Frauen, Männer und Kinder.

Wenn die ITEC in Stuttgart stattfände, wäre dies ein Widerspruch zu den Prinzipien der Stadt und der Messe, die sie sich selbst auferlegt haben. Software, die das Töten im Krieg simuliert und wohlmöglich an kriegführende Regime verkauft wird, darf in Stuttgart weder angeboten noch verkauft werden.

Es ist gut und richtig, dass die Stadt Stuttgart und die Messe mit dem Sommerfestival der Kulturen, dem Welcome Center, der Aufnahme von Geflüchteten in der Messe und der Ausrichtung der „Fair handeln“-Messe, nicht nur das Image von Stadt, Land und Messe fördert, sondern auch das friedliche Zusammenleben der Menschen.

Skandalös ist es in diesem Kontext jedoch, dass Bürgermeister Michael Föll die Militärmesse ITEC als „nicht grundsätzlich imageschädlich“ bewertet. Da irrt sich Herr Föll jedoch gewaltig. Denn schon jetzt liegt uns die Absage eines Unternehmens vom Bodensee vor. Dieses Unternehmen wird nicht mehr an der Slow Food-Messe teilnehmen, solange die Messe auch Ausrichtungsort einer Militärmesse ist.

Wir fordern den Aufsichtsrat auf, einen Imageschaden für die Stadt Stuttgart abzuwenden. Folgen sie dem Beispiel der Stadt Köln. Diese hat nach den Protesten von 2014 eine erneute Ausrichtung der ITEC abgesagt. Von 12 anwesenden Mitgliedern des Aufsichtsrates haben in der letzten Aufsichtsratssitzung 3 Mitglieder für die Absage der ITEC gestimmt, 2 haben sich enthalten, 7 halten an der Ausrichtung der ITEC fest. Wir fordern Stadt und Land auf, die ITEC erneut auf die Tagesordnung des Aufsichtsrats zu setzen - Mit dem Ziel den Vertrag mit der ITEC zu kündigen.

 

Paul Russmann ist Geschäftsführer von Ohne Rüstung Leben (ORL) in Stuttgart.