Jubiläum

100 Jahre Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit

von Irmgard Hofer

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs kamen 1915 über 1100 Frauen aus zwölf kriegführenden und neutralen Staaten gegen den Widerstand ihrer Regierungen in Den Haag zusammen, “in dem gleichen Bewusstsein, mit den gleichen Hoffnungen, dem einen Wunsch, dass unsere Stimme bis ans Ende der Erde dringen möge im Protest gegen diesen fürchterlichen Massenmord und gegen die Annahme, Krieg sei der einzige Weg, internationale Konflikte auszutragen“ (Aletta Jacobs, Frauenrechtlerin aus den Niederlanden in ihrer Eröffnungsrede). Zu ihnen gehörten 28 deutsche Frauen, u. a. Anita Augspurg aus München, die erste promovierte Juristin Deutschlands. Die Leitung hatte die amerikanische Sozialreformerin Jane Adams, die 1931 den Friedensnobelpreis erhielt. Aus diesem Friedenskongress ging unsere Organisation, die IFFF (englisch: WILPF) hervor.

Die Frauen verhandelten 20 Resolutionen, verlangten einen sofortigen Stopp der Kriegshandlungen und baten die neutralen Staaten um Unterstützung. Wichtigstes Ergebnis des Kongresses war die Forderung an die Regierungen zur dauerhaften Sicherung des Friedens: Schaffung einer internationalen Schiedsbehörde, der die zukünftigen internationalen Streitigkeiten und Konflikte untergeordnet werden sollten. Damit war auch die Initialzündung für den Völkerbund gegeben, den Vorläufer der UNO; die IFFF hat heute Beraterstatus bei der UNO und ihren Unterorganisationen mit je einem Sekretariat in Genf und New York. Sie drangen in ihrer Abschlusserklärung auch auf Abrüstung sowie die Beteiligung der Frauen an politischen Entscheidungen und Friedensverhandlungen. Die engagierten Frauen schlossen sich über die Staatsgrenzen hinweg zusammen und begannen die Lobbyarbeit bei ihren und weiteren Regierungen.

1917 existierte bereits ein Netzwerk in über 29 deutschen Städten. Auf dem 2. Internationalen Kongress 1919 in Zürich wurden Frieden und Freiheit als wichtigste Ziele definiert und die IFFF bekam ihren heutigen Namen, Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit. Die Frauen verurteilten den Versailler Vertrag hellsichtig als Saat eines neuen Krieges. Im folgenden Jahrzehnt informierten die Frauen über die Gefahren chemischer Waffen (Giftgas) und setzten sich für Abrüstung ein. Der Höchststand an internationalen (ca. 50.000 Frauen) oder nationalen Mitgliedern (ca. 2 000 Frauen) der 1920er Jahre konnte nach dem 2. Weltkrieg nicht wieder erreicht werden. 1933 wurden die Frauen in Deutschland  politisch verfolgt, viele gingen in die Emigration.

Nach dem Krieg setzten einige Frauen auf die Vereinten Nationen und hielten die IFFF sogar für überflüssig. Doch die Frauen der IFFF kämpften weiter, nun auch gegen Atomwaffen. Sie machten sich für internationale Versöhnung auch mit dem Osten stark und sahen sich deshalb im Kalten Krieg bald mit dem Vorwand konfrontiert, kommunistisch zu sein, so dass die kurzzeitig steigenden Mitgliederzahlen in Deutschland wieder zurückgingen. In den 1970er Jahren intensivierte die Generalsekretärin Edith Ballantyne die Mitarbeit der Organisation in den NRO-Kommissionen für Menschenrechte, Abrüstung und Entwicklung der UN, die neue Abrüstungskampagne „STAR“ richtete sich nun auch gegen Aufrüstung im Weltraum, auf den UN-Frauenkonferenzen in Nairobi (1985) und Peking (1995) organisierte die IFFF ein „Friedenszelt“. In einem Friedenszug von Helsinki nach Peking untermauerten die IFFF-Frauen ihr Lobbying für den Unterpunkt „Frieden“ in der Aktionsplattform von Peking. In den kommenden Jahren entstand das Informationsportal für Abrüstungskontrolle: www.reachingcriticalwill.org.

In einem Netzwerk mit anderen NROs erreichte die IFFF 2000, dass Frauen vom UN-Sicherheitsrat nicht nur als Opfer, sondern auch als Akteurinnen des Friedens (UN-Resolution 1325) anerkannt wurden. Auf der Website www.peacewomen.org werden diese Texte in möglichst viele Sprachen übersetzt, Frauen weltweit über ihre Rechte informiert und Beispiele der Informationsarbeit gesammelt. Folgeresolutionen in den kommenden Jahren nahmen „Gender“ bei Friedensverhandlungen in den Focus, ächteten geschlechtsspezifische Gewalt und forderten Gewaltprävention sowie die strafrechtliche Verfolgung von Übergriffen.

Somit ist heute die Verrechtlichung der Forderungen unserer Gründerinnen in vielen Punkten erreicht, sogar die Einrichtung eines internationalen Strafgerichtshofes ist wahr geworden. Wie wir alle wissen, lässt die realpolitische Umsetzung unserer Ziele sehr zu wünschen übrig. Wir sind noch weit entfernt von einer Welt, in der allen Menschen – Männern wie Frauen – die Menschenrechte und eine materielle Grundversorgung in Frieden garantiert sind, eine Welt, in der alle an Bildung, gesunder Umwelt, Ressourcen, gesundheitlicher Versorgung und Politik gleichberechtigt teilhaben. Für unseren Wohlstand nehmen wir Krieg im wahrsten Sinn des Wortes in Kauf. „You Get What You Pay For“ heißt deshalb unsere internationale Abrüstungskampagne.

In ca. 40 Ländern engagieren sich unsere Friedensfrauen, sie setzen sich teilweise unter schwierigsten politischen und finanziellen Bedingungen mit der weltweiten Militarisierung und der sozialen Ungerechtigkeit auseinander und fordern deren Abschaffung. Sie sind Vorbilder für grenzüberschreitende Versöhnung. Sie investieren viel Zeit und – nicht zu vergessen – auch Geld, schließlich trägt sich die IFFF-WILPF weitgehend durch die Beiträge ihrer Mitglieder. Um Friedensfrauen eine Stimme zu geben, organisiert die Generalsekretärin Madeleine Rees u.a. den Austausch friedensbereiter Frauen, so aus der Ukraine, Syrien und Bosnien. 

100 Jahre nach dem Gründungskongress in Den Haag wird 2015 dort wieder ein Kongress stattfinden, an den sich eine internationale Konferenz anschließt. In der Vorbereitung dazu laden wir alle friedensbewegten Menschen ein, ein „Jubiläumsversprechen“ abzugeben, die Sektionen arbeiten an einem Manifest, das unsere aktuellen Frauenfriedensforderungen in Worte fasst. Die deutsche Sektion erinnert an die mutigen Frauen von 1915 mit einem Jubiläumsband und einer Ausstellung. In München finden ein Festakt sowie ein Symposion statt. Wir werden weiter aktiv für Frieden, Freiheit und Frauenrechte streiten.

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Rubrik

Friedensbewegung international
Irmgard Hofer ist ehrenamtliche Vorsitzende der deutschen Sektion von WILPF, ihr Themenschwerpunkt ist Abrüstung.