Lokale Aktivitäten gegen Rüstungsexporte

Aktiv und laut in uns‘rer Stadt, die Rüstung setzen wir Schach-matt!

von Renate Wanie
Schwerpunkt
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Was machen eigentlich lokale Initiativen gegen die deutschen Rüstungsexporte, die von der Bundesregierung trotz bestehender Richtlinien genehmigt werden? Welche öffentlickeitswirksame Aktionen sind möglich, um z.B. dem Rüstungsriesen Rheinmetall bei seinen Waffenlieferungen über ausländische Tochter- und Beteiligungsgesellschaften einen Riegel vorzuschieben? Wie eine lokale Initiative mehr Öffentlichkeit über meist dunkle Rüstungsexportgeschäfte herstellen und eventuell auch Druck auf die Politik machen kann, soll am Beispiel des Heidelberger Bündnisses „Stoppt den Waffenhandel!“ dargestellt werden. Eine Anregung.

Im Jahr 2013, nach einem Vortrag von Jürgen Grässlin, Publizist und bekannter pazifistischer Friedensaktivist, in der Heidelberger Volkshochschule, haben sich zwei friedensbewegte Aktivistinnen aus dem Heidelberger Friedensratschlag zusammengesetzt und die Idee eines  Heidelberger Bündnisses gegen Waffenexporte diskutiert. Was ist daraus entstanden? Ein kontinuierlich arbeitendes Bündnis von Mitgliedern aus unterschiedlichen Initiativen und Organisationen, wie z.B. der DFG-VK, dem Heidelberger Friedensratschlag, dem Asyl-Arbeitskreis, der GEW und der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion. Auch Die Linke aus dem Heidelberger Gemeinderat entsendet VertreterInnen in das Bündnis.  

Das Heidelberger Bündnis „Stoppt den Waffenhandel!“ ist Mitglied im Aktionsbündnis der Kampagne „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“. Von dort nimmt es Anregungen auf für Aktionstage, wie z.B. bei der letzten bundesweiten Aktion „Frieden Geht!“.

Anlässe
Anlässe für unterschiedliche Aktionen gibt es viele: die alljährlichen Gedenktage wie der Tag der Menschenrechte am 10. Dezember, der Antikriegstag am 1. September, an dem bundesweit gemeinsam mit dem DGB unter dem Motto „Nie wieder Krieg!“ zu friedenspolitischen Aktivitäten aufgerufen wird. In diesem Jahr standen zusammen mit dem „Friedensbündnis Heidelberg“ die 2%-Forderung zur NATO-Aufrüstung, der fortwährende Krieg im Jemen und die deutschen Ersatzteillieferungen an Saudi-Arabien sowie die neuesten Recherchen aus dem derzeitigen Strafprozess gegen Heckler & Koch im Mittelpunkt des Infostandes. Auch der alljährliche Ostermarsch lädt zum Mitmarschieren und zu Redebeiträgen ein. Oder der jährlich wiederkehrende Aktionstag der „Aktion Aufschrei“ am 26.2., der mit Straßenaktionen an das Friedensgebot im Grundgesetz (GG), Artikel 26, 2 erinnert. Alle Anlässe sind eine Gelegenheit zum Sammeln von Unterschriften, in diesem Jahr bevorzugt für die Initiative „Abrüsten statt Aufrüsten! 30 Milliarden mehr für‘s Militär. Das ist Wahnsinn!“.

Ziele und Forderungen
Primäres Ziel der Protestaktionen vor Ort ist es, die Kritik an der deutschen Rüstungsexportpolitik öffentlich zu thematisieren: Deutschland zählt zu den weltweit fünf größten Exporteuren von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, wie z.B. Kampfjets, Sturmgewehren oder Maschinenpistolen. Dabei geht es auch darum, die Folgen zu benennen, das unendliche menschliche Leid, die Verhinderung von Entwicklung in Krisengebieten und die Eskalation von Gewalt in den Empfängerländern. Die grundsätzliche Forderunglautet: „Keine Rüstungsgüter an menschenrechtsverletzende und kriegführende Staaten!“. Informationen über das Grundgesetz (GG) Artikel 1, 2 über die „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Grundlage jeder Gemeinschaft“ sind grundlegend für die Aufklärungsarbeit. Wenig bekannt ist die Forderung nach der Einhaltung des GG-Artikels 26, 1, der betont, dass Herstellung und Export „zur Kriegsführung bestimmte(r) Waffen“ genehmigungspflichtig sind. Aufklärung tut immer wieder Not. Dazu zählen auch  Informationen über Konzepte ziviler politischer Konfliktbearbeitung (ZKB) und ihrer Instrumentarien und Verfahren.

Aufmerksamkeit und Aufklärung
Vielfältige ideenreiche Aktionsformen (u.a. Straßenaktionen, siehe unten) sind geeignet, um auch regional Aufmerksamkeit zu erreichen, bei Menschen aus der Bevölkerung und mit örtlichen Parlamentarierinnen ins Gespräch zu kommen. Nicht unterschätzt werden sollte die Berichterstattung in den lokalen Medien: über die aktuelle deutsche Rüstungsexportpolitik, möglichst mit einem regionalen Beispiel der Rüstungsproduktion, immer in Verbindung mit Forderungen, wie z.B. für ein verbindliches (!) Rüstungskontrollgesetz. Und um mehr politischen Druck zu erzeugen, ist eine Dramatisierung der Aktionsformen notwendig.

Straßenaktionen

  • Infostände: Flyer an PassantInnen verteilen, Mahnwachen mit Transparenten und Appellen auf öffentlichen Plätzen und vor Waffenproduzenten oder Rüstungszuliefer-Firmen, wie z.B. Rockwell Collins in Heidelberg-Wieblingen, Listen von Waffenproduzenten und Zulieferbetrieben erstellen, aktuelle
  • Unterschriftensammlungen, z.B. auch in Straßenbahnen.
  • „Den Tätern Namen und Gesicht geben!“ – Slogan der Aktion Aufschrei für Mahnwachen, z.B. vor einem Rüstungszulieferbetrieb.
  • Plakatsandwichs mit den „Goldenen Nasen“, die sich Rüstungsmanager verdienen, eine Idee der Aktion Aufschrei, auffallende Demos mit wenigen Aktiven sind hier möglich und gleichzeitig Unterschriftensammlungen.
  • Riesengewehr bunt bekleben – Friedenszeichen draus machen.
  • Mit umgehängten „Sandwichs“ und Slogans lautstark durch die Hauptstraße rennen, dabei Postkarten an den Vorstandsvorsitzenden der Rheinmetall AG  verteilen (mit Sammeleinsendung Porto anbieten) oder Unterschriften direkt sammeln.
  • Quizfragen an PassantInnen zu lokalen Zulieferbetrieben für Waffenhersteller und deutschen Rüstungsexporten, auszufüllen am Infostand oder zum Mitnehmen.
  • Flashmob mit Sprechchören: auf mehrere Personen verteilte Schilder und lautstarkem Rufen wie: „Stoppt-den-Waffenhandel-jetzt!“, idealerweise an einem Zebrastreifen oder einer Ampel.
  • Politische Nachtgebete, z.B. mit KirchenvertreterInnen auf öffentlichen Plätzen.
  • Straßentheaterstück inszenieren zum Thema „Grenzen öffnen für Menschen, Grenzen schließen für Waffen!“.  
  • Aktion mit kleinen Drohnen-Modellen auf Fahrradhelme gesteckt und aufgesetzt (gegen die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr).
  • Mit dem Motto „Legt den Leo an die Kette!“ und vielen Papp-Panzern auf Stöcken:  eindrucksvolle Demos gegen die Lieferung von Leopard 2-Panzer nach Saudi-Arabien.
  • „Panzer an die Leine!“, mit über 100 Panzer-Fotos, an Seilen aufgehängt durch die Innenstadt ziehend (wie z.B. in Freiburg).

Presse

  • Zu jeder Aktion und öffentlichen Veranstaltung lokale Presse einladen.  
  • Regionales Fernsehen einladen, z.B. den SWR 2 (2013 Bericht über den Protest vor der Fa. Rockwell Collins, u.a. Produzent für elektronische Steuerungssysteme für militärische Flugzeuge).
  • Die aktuell von der Bundesregierung genehmigten Rüstungsexporte in der lokalen und regionalen Berichterstattung mit einer Aktion zum Thema machen.

Strafprozesse

  • Angeklagte solidarisch im Publikum begleiten, z.B. im aktuellen Prozess gegen Heckler & Koch in Stuttgart oder in Gerichtsverhandlungen gegen den Aktivisten Hermann Theisen in München.

Diskussionsveranstaltungen:

  • Vorträge zur deutschen Rüstungspolitik, MdBs auf Podien einladen, Zeugenreisen mit ReferentInnen, z.B. aus einem afrikanischen Land, wie den Kriegsdienstverweigerer Emanuel Matondo).
  • Neujahrsempfänge für friedensbewegte Auftritte nutzen: Unruhe stiften mit der Verteilung von Flugblättern, Unterschriften sammeln, Oberbürgermeister ansprechen.

Politischer Druck von unten
Lobbying

  • Termine mit MdBs organisieren: von einer Gesetzesinitiative aus dem Bundestag für ein Verbot von Rüstungsexporten überzeugen.
  • Potenzielle prominente UnterstützerInnen ansprechen.
  • Mayors for Peace im EU-Wahlkampf ansprechen (http://www.mayorsforpeace.org/english/).

Mit spektakulären Aktionen dramatisieren

  • Aktionen Zivilen Ungehorsams (z.B. Blockaden vor Rüstungsbetrieben, Rathäusern, Abgeordnetenbüros).
  • Briefe an Institutionen, die von einer Rüstungsfirma gesponsert werden (Bsp.: www.waffenvombodensee.com/).
  • Während Kreisparteitagen Appell an MdBs überreichen, mit der Bitte um Weiterleitung an die Verteidigungsministerin (Beispiel Freiburg).
  • Auf Messen Bundeswehrstand stören.
  • Bei „meiner“ Bank direkt nachfragen, ob sie mein Vermögen auch an Waffenhändler verleihen. (https://urgewald.org/sites/default/files/ff_urgewald_diewaffenmeinerbank...)
  • Kulturprogramme während Blockade vor Rüstungsbetrieben: Musik von Lebenslaute.

Fantasievolle politische Aktionen mit musikalischer Begleitung schaffen nicht nur Aufmerksamkeit und gute Laune, sie laden auch zum Mitmachen ein!

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