Ostermarsch

Antimilitaristische Grüße aus Italien

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,

wir haben mit großer Freude von eurer heutigen antimilitaristischen Demonstration gegen die AFRICOM-Zentrale in Stuttgart erfahren. Die Themen und Probleme, die ihr in Eurem Aufruf zum Ostermarsch hervorgehoben habt, finden unsere volle Zustimmung.

Leider müssen wir euch mitteilen, dass auch in Italien kriegstreibende Kräfte versuchen, die Menschen für sich zu gewinnen.

Die Militarisierung Italiens hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach und nach zugenommen, und die Verbrechen des Faschismus wurden verdrängt. Der italienische Imperialismus besteht seit der monarchistisch-liberalen Periode Mitte des 19. Jahrhunderts und setzte sich durch die faschistische Periode und die Nachkriegszeit fort. Die in Afrika begangenen Verbrechen mit Giftgaseinsätzen in Äthiopien und den Lagern in Libyen werden ebenso wie die Massaker während der Besetzung des ehemaligen Jugoslawiens und Griechenlands verschwiegen. Es wurde von der offiziellen Geschichtsschreibung versucht, die Vorstellung aufrechtzuhalten, dass die italienische Armee während des Krieges sich weniger grausam und rücksichtslos verhalten habe als die Nazis. Das Bild der Italiener als „ehrenhafte Menschen“ (die unfähig seien, grausame Taten zu begehen) wurde in der Rhetorik der Medien wiederholt verbreitet. Die historische Realität ist ganz anders und Historikerinnen und Historiker, die für eine kritische Aufarbeitung der italienischen Geschichte eintreten, werden an den Universitäten in Italien marginalisiert.

Während die Vergangenheit ausgeblendet wird, fährt man in Italien mit einer Wiederbewaffnung fort, welche von Jahr zu Jahr zunimmt und deren enorme Kosten zu Lasten der Hauptbedürfnisse der Bevölkerung gehen. Neben den militärischen Hierarchien ist eine Vielzahl an Wirtschaftsinteressen in der Waffenproduktion gewachsen, deren Hauptexponent die Industriegruppe Finmeccanica ist. Abgesehen davon ist mit der Kriegsindustrie auch die Entwicklung von Korruption im Waffenhandel einhergegangen.

In der italienischen Verfassung wird eine klare Position bezogen, die in Artikel 11 besagt: „Italien lehnt den Krieg als Mittel des Angriffs auf die Freiheit anderer Völker und als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten ab“. Aber im Namen der Interessen des italienischen Imperialismus wurde dieser Artikel oft außer Acht gelassen. Die Regierungen von links und rechts haben in jedem Aggressionskrieg an der Seite ihrer Alliierten teilgenommen, beginnend mit dem ehemaligen Jugoslawien, bis hin zu Irak, Afghanistan und Libyen. Italienische SoldatenInnen sind immer noch in vielen Teilen der Welt stationiert, um die Interessen der italienischen Hauptstadt  zu verteidigen.

In jeder Region Italiens ist das Territorium geprägt von Basen, Gerätschaften, Lagern und Räumen für militärische Übungen der NATO, der US-amerikanischen sowie der nationalen italienischen Streitkräfte.

Zu diesen gehören die Basen in der Metropolregion Neapels, welche unter dem gemeinsamen Kommando der US Navy und der AFSOUTH stehen. Diese Basen zählen zu den am stärksten in die Konflikte nach Ende des Kalten Krieges involvierten (vom Ersten Golfkrieg, der „Operation Odyssey Down“ bis zu Bosnien-Herzegowina und Kosovo). In den neunziger Jahren hat die US-Regierung mit der „Napels Improvement Initiative“ (NII) und einem Budget von 700 Millionen Dollar beschlossen, die Zentrale der US-Navy am Flughafen Capodichino und die NATO Basis im Stadtteil Bagnoli zu stärken und die „US-Navy Support-Site“ von Gricignano zu bauen. Diese „Support Site“ ist eine geschlossene Wohnanlage mit einer Fläche von ca. 900.000 qm, die nach dem US-amerikanischen Vorbild entwickelt wurden, um 3.000 US-BürgerInnen unterzubringen. An der Umsetzung dieses Bauvorhabens wurden in erster Linie Unternehmen, die an die lokale Mafia „Camorra“ gebunden sind, beteiligt. Der Anstieg der Landnutzung für militärische Zwecke ist sichtbar. Die BewohnerInnen der angrenzenden Bereiche der Militärzonen leben in einem permanenten Zustand der Belagerung, der zu den Problematiken in ihren Vierteln beiträgt.

Aber w[CS1] as uns am meisten Sorgen bereitet, ist der Versuch, die militaristische Ideologie in den Köpfen der Leute Einzug halten zu lassen, vor allem in denen von jungen Menschen. Die Präsenz des Militärs an den Schulen, wo sie Propaganda betreiben, um die SchülerInnen dazu zu bringen, SoldatInnen zu werden, ist inakzeptabel.

Nichtsdestotrotz sind auch unter uns antimilitaristische Gruppen, Männer und Frauen, die sich der kriegstreiberischen Aggression widersetzen und die die internationale Solidarität vorantreiben. Deshalb glauben wir, dass die Vereinigung von transnationalen Kräften größere Effekte zu produzieren vermag. Insbesondere glauben wir, dass uns eine kontinuierliche Brücke und ein Austausch mit Euren Erfahrungen mit der Mobilisierung helfen können. Vor allem sind wir sehr daran interessiert, uns mit Euch über die imperialistische Politik auf dem afrikanischen Kontinent auszutauschen, weil auch in unserer Stadt AFRICOM zu finden ist: die „U.S. Naval Forces Africa“ (NAVAF). Mit der Präsenz von AFRICOM in Neapel beginnt der Krieg gegen Afrika auch in unserer Stadt.

Wir wünschen euch viel Erfolg bei eurer Demonstration und wir bitten Euch, uns über den Ausgang der Demo zu informieren.

Unterzeichnet von: Neapolitanische AktivistInnen gegen den Krieg
Die UnterzeichnerInnen sind in verschiedenen politischen Gruppen in Neapel aktiv. Übersetzung: Jackie Andres. Der Brief wurde auf dem Ostermarsch in Stuttgart verlesen.

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Rubrik

Friedensbewegung international