Brief eines kroatischen Kriegsdienstverweigerers

Aufschrei des Gewissens

von Miroslav Horvat
Schwerpunkt
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Der folgende Beitrag wurde von dem jungen Kriegsdienstverweigerer Miroslav Horvat zu Beginn der kroatischen Offensive in der Krajina geschrieben und über Email veröffentlicht.

Am 3.August 1995 um 3.30 Uhr wurde an meiner Tür ein Einberufungsbescheid abgeliefert, den ich umgehend befolgen soll. Deshalb teile ich Ihnen das folgende mit: Gegen Ende 1994 habe ich, meinen eigenen Überzeugungen folgend, Kontakt mit der 'Gruppe für den direkten Schutz der Menschenrechte' in Zagreb Kontakt aufgenommen und arbeite seither mit ihr zusammen. Monatelang habe ich Menschen gesucht und zusammengebracht, damit wir uneigennützig jenen helfen konnten, die Hilfe brauchen.

So konnten wir Nein! zum Krieg sagen und wahre Liebe gegenüber allem, was menschlich ist, pflegen. Ende Juli dieses Jahres wurde die letzte Unterschrift unter das Dokument gesetzt, mit dem wir eine eigene Organisation gründeten, so daß jetzt der Prozess unserer Registrierung in Gang gesetzt ist. Es ist eine Organisation für Menschenrechte, Frieden und Gewaltfreiheit, wie wir uns gemäß unserer Satzung nennen. Und jetzt, als ich schließlich dachte, daß wir alle Probleme bei unserer Gründung gelöst hätten und daß wir bald anfangen könnten, erfolgreich zu arbeiten, geschah jenes letzte Nacht, von dem ich nicht wollte, daß es geschehen sollte. Ein Mobilisierungsbefehl. Ein Befehl, das zu tun, das all meinen Überzeugungen, meinen langfristigen Hoffnungen und Wünschen widerspricht. Ist dies nicht vielleicht ein Angriff auf die Gewissensfreiheit?

Ein Befehl zu Krieg, Tod, Zerstörung. Ekelhaft. Ich frage mich, ob meine Kriegsdienstverweigerung irgendeinen Sinn gemacht hat, die ich eingereicht hatte, die aber monatelang nicht entschieden wurde. Wahrscheinlich hat sie nie jemand nur angesehen.

Ich frage mich, wo die wahre Freiheit des Menschen ist. Wo ist das, was wir jahrelang studiert haben, wo sind Liebe und Frieden? Ich befolge den Befehl nicht, weil ich nicht gegen mich selber handeln kann. Ich kann nicht hassen. Wo? Warum? Was ist der Sinn von Krieg? Aber wissen Sie, ich werde die Konsequenzen meiner Überzeugungen, meines Glaubens und Gewissens akzeptieren. Auch wenn ich dies mit Tränen in den Augen schreibe, werde ich niemals nachgeben.

Noch werde ich mich von Drohungen oder Strafen einschüchtern lassen. Ich werde bis zum Ende konsequent für das kämpfen, für das wir alle gemeinsam eintreten, für die wahre Freiheit jedes Menschen egal welcher Religion, Geschlecht, Hautfarbe usw. Und ich werde dies im Namen all derjenigen tun, die Nein zu Krieg und Hass sagen, und falls im totalen Krieg die Strafe für meine Gewissensentscheidung der Tod sein sollte, wisst daß auf meinem Grab ewig stehen wird:

Frieden. Miroslav, Daruvar/Kroatien, 3. August 1995

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