Gefechtsübungszentrum Colbitz-Letzlinger Heide

Das Amtsgericht Bonn und die Kriege der Bundeswehr

von Malte Fröhlich
Hintergrund
Hintergrund

Die Colbitz-Letzlinger Heide ist der größte siedlungsfreie Raum in Mitteleuropa, ein riesiges europäisches Naturschutzgebiet, Trinkwassereinzugsgebiet für 750.000 Menschen und der modernste Übungsplatz für die Vorbereitungen von  völkerrechtswidrigen Kriegen der Bundeswehr und anderer Armeen.

Unser, in weiten Teilen großartiges Grundgesetz, beinhaltet die Artikel 25 und 26. Der Artikel 26 Absatz 1 besagt: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ Artikel 25: „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“

Der militärische Alltag in unserer Heide ist weder mit dem Völkerrecht noch mit dem Grundgesetz vereinbar, und dies ist sehr leicht zu erkennen und nachweisbar.

Ziviler Ungehorsam gegen Kriegsvorbereitung
Für eine zunehmende Zahl von Menschen wird es zur Notwendigkeit, sich der eigenen Mitverantwortung für diese Rechtsbrüche mit tödlichen, traumatisierenden und ökologischen Tragödien zu stellen. Dabei ist die Gewissheit entstanden, dass Frieden Handarbeit ist. Die Politik ist aus eigener Kraft nicht dazu in der Lage, den überragenden Mehrheitswillen der Bevölkerung zu Krieg und Frieden in Regierungshandeln zu übertragen. Beim Thema Krieg und Frieden versagt unsere Stellvertreter-Demokratie, seit 1999 (Überfall auch der Bundeswehr auf die Volksrepublik Jugoslawien) an jedem Tag und dies auf rechtswidrige Weise.

In einem Rechtsstaat müsste eine funktionierende Justiz diesen Kriegen und ihren Vorbereitungen in unserer Heide ein Ende bereiten, und die Staatsanwaltschaft Stendal müsste entsprechende Ermittlungsverfahren gegen die politischen Entscheidungsträger*innen und ihre militärischen Komplizen einleiten. Doch das geschieht nicht. Was bleibt Menschen übrig, die dies erkannt haben und wissen, dass in der Folge konkrete Menschen sterben, traumatisiert werden, ihre Lebensgrundlagen in den Kriegsgebieten zerstört werden und Überlebende zur Flucht gezwungen werden?

Wahlen helfen nicht weiter. Erinnert sei an zweierlei: Der Nato-Doppelbeschluss 1979 wurde gegen den Willen einer deutlichen Mehrheit der damaligen BRDBevölkerung von einer SPD/FDP-Regierung durchgesetzt.  Sie war in den 1980er Jahren die damals progressivste vorstellbare Regierungszusammensetzung. Der Überfall auch der Bundeswehr auf die VR Jugoslawien 1999 wurde von einer SPD/GRÜNEN-Regierung beschlossen und führte seitdem zu einer Dauerkriegsbeteiligung der Bundeswehr. Wieder die damals progressivste vorstellbare Zusammensetzung.

Prozesse in Bonn
Am 20.04.2021 fand in Bonn der 26. Prozess im Zusammenhang mit Betretungen der Heide zum Zwecke der Unterbrechung von Kriegsübungenstatt. Als Beschuldigte war die 22-jährige Studentin Paula Schumann aus Magdeburg geladen. Sietrat nicht als Beschuldigte, sondern als Anklägerin auf. Sie bot dem Richter an, in drei Beweisanträgen den Nachweis der Völkerrechtsbrüche und der Grundgesetzbrüche durch die Bundeswehr zu erbringen, wenn der Vorsitzende Richter Dr. Fuhrmann dies zuließe. Weiterhin erklärte sie, dass sie die Heide nicht mehr betreten würde, wenn der Richter die von ihr vorgetragenen Argumente zu entkräften wüsste. Wenn er dies nicht vermöge, erwarte sie einen Freispruch, und sie fügte im Schlusswort hinzu, dass er für den Fall, dass ihm die Courage für einen Freispruch fehlen würde, für künftige Völkerrechtsbrüche die Verantwortung mitzutragen habe. Dr. Fuhrmann lehnte die Beweisanträge mit der Begründung ab, dass er Paulas Einschätzung nicht glaube und damit die Anträge für die Ermittlung der Wahrheit unbedeutend seien. Seinen Unglauben stellte er über nachprüfbare Fakten und verurteilte, wie von der Bundeswehr beantragt.

In all den 26 Prozessen wegen Betretens der Offenen Heide sind alle Beweisanträge zum Teil unter obskuren Begründungen abgelehnt worden. Für meine Verteidigung hatte ich mehrfach beantragt, Dr. Deiseroth, Bundesrichter a.D., anzuhören, er hatte sich dazu bereit erklärt. Er ist immer abgelehnt worden, mittlerweile ist er verstorben. Auch Florian Pfaff, Major der Bundeswehr a.D., ist dreimal zu meinen Prozessen aus Bayern als präsenter Zeuge, den abzulehnen nur in Ausnahmefällen möglich ist, angereist und wurde kein einziges Mal angehört.

Die Richterinnen und Richter haben es vorgezogen, lieber unsere rechtstreuen Eingriffe in Völkerrechtsbrüche der Bundeswehr zu kriminalisieren, als ihrer Aufgabe als unabhängige Jurist*innen nachzukommen und staatliches Handeln an gültiges Recht rückzubinden. Damit verweigern sie ihren Beitrag zur Erlangung des Rechtsfriedens und werden immer mehr Teil des Unrechts mit tödlichen Folgen für Menschen und die Mitwelt.

Ein demokratisches Gemeinwesen ist nur mit einer unabhängigen Justiz vorstellbar. In Bonn haben wir diese Unabhängigkeit nicht ein einziges Mal erlebt. Für die weitere Friedensarbeit auch vor Gerichten sind wir auf Unterstützung dringend angewiesen. Spenden können unter dem Stichwort „Jura-Hilfe“ auf folgendes Konto eingezahlt werden: Uwe Schubert, Rolf Sonnet, BIC: GENODEM1GLS IBAN: DE85 4306 0967 1143 6774 00, GLS Bank.
Ein Teil der in Bonn vorgetragenen Einlassungen können unter www.offeneheide.de eingesehen werden.

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Malte Fröhlich ist Aktivist der Offenen Heide.