Macht Frieden. Zivile Lösungen für Syrien

Die Bundeswehr im Syrienkrieg

von Kathi Müller
Hintergrund
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Fünf Monate nach dem Beschluss des Bundestages vom Oktober letzten Jahres, „[d]ie deutschen Beiträge zur luftgestützen Aufklärung sowie zur Luftbetankung zum 31. März 2020 zu beende[n]“ (1), stimmten die Abgeordneten in Berlin Ende März erneut über das Mandat in Syrien und Irak ab. In ihrem Antrag „Ergänzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte – Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung fördern in Irak und Syrien“ (Drucksache 19/17790) vom 11. März 2020) forderte die Bundesregierung, nicht nur den Bundeswehreinsatz in Syrien und Irak fortzusetzen, sondern ihn um neue Aufgaben zu erweitern. Eine knappe Mehrheit des Parlamentes hat dem Antrag am 26. März 2020 zugestimmt, der Einsatz der Bundeswehr wird damit wieder einmal um weitere sechs Monate verlängert.

Monatelang verhandelten die zuständigen Vertreter*innen des Bundesverteidigungsministeriums mit ihren italienischen Kolleg*innen über eine Übernahme der Aufgaben deutscher Soldat*innen in Syrien. Italien willigte schließlich ein, die Luftaufklärungsflüge der Bundeswehr zu übernehmen. Voraussetzung für die Einwilligung der italienischen Regierung war die Fortführung der Luftbetankung der Kampfflugzeuge der Anti-IS-Koalition durch die Bundeswehr. Eine durchaus schwache Begründung für einen ohnehin fragwürdigen Bundeswehreinsatz, der seit zwei Jahren in halbjährlichen Abständen mit knapper Mehrheit durchs Parlament gebracht wird.

Noch schwacher aber fiel die Begründung für die Erweiterung des Aufgabenbereiches deutscher Soldat*innen aus. Seit April 2020 ist die Bundeswehr neben der Luftbetankung nun auch für den Lufttransport von Anti-IS-Koalition, Alliierten, internationalen Organisationen und anderen Partner*innen zuständig. Darüber hinaus stellt sie einen Luftraumüberwachungsradar zur Verfügung und übernimmt somit die bodengebundene Luftraumüberwachung. Die Ausgaben für den Einsatz in Syrien und Irak werden laut Bundesregierung um rund 11,8 Millionen Euro steigen.

Als Erklärung für die Ausweitung der Bundeswehrmission führte die Bundesregierung den Kampf gegen den IS an. Irreführend sprach sie in ihrem Antrag zur Mandatsverlängerung vom „Operationsgebiet des IS“ - welches tatsächlich nicht mehr vorhanden war und ist. Als der Bundestagsabgeordnete Dr. Alexander Neu den Staatsminister im Auswärtigen Amt Niels Annen in der Parlamentsdebatte zum Antrag darauf aufmerksam machte, argumentierte dieser wiederum mit den Strukturen, über die der IS noch immer verfüge. All das, nachdem Ursula von der Leyen in ihrer damaligen Funktion als Bundesverteigungsministerin bereits vor über zwei Jahren dem Plenum erklärte, dass es an der Zeit sei den Bundeswehreinsatz – trotz der verbleibenden Strukturen des IS und den rund 20.000 IS-Kämpfern im Untergrund – zu beenden.

Es scheint, als habe es die Regierung gar nicht mehr nötig, nachvollziehbare politische Argumente für den Einsatz in Syrien und Irak zu liefern. Willkürlich wird ein Bundeswehreinsatz, dessen Ende bereits beschlossen ist, plötzlich um neue Aufgaben ergänzt. Ohne Einwände und mit den Stimmen der SPD-Bundestagsfraktion.

Auch die völkerrechtliche Begründung des Einsatzes ist fehlerhaft. So verweist die Bundesregierung in ihrem Antrag auf den Briefverkehr mit dem geschäftsführenden irakischen Premierminister, beschreibt als Einsatzgebiet jedoch auch Syrien. Damit ist der Bundeswehreinsatz in Syrien auch weiterhin nicht vom Völkerrecht gedeckt. Auch die früher zur Begründung des Mandates angeführten UN-Resolutionen greifen nicht.

Die Kampagne „MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien“, die seit fast vier Jahren zum Thema arbeitet, kritisiert zudem, dass die Bundeswehreinsätze in Syrien und Irak weiterhin unter dasselbe Mandat fallen. Die Bundestagsabgeordneten sollen mit einer Stimme sowohl über eine mögliche Eingliederung der Bundeswehr in die „NATO Mission Irak“ (NMI) als auch über die Aufgaben der Bundeswehr in Syrien entscheiden.

Die Ausweitung des Bundeswehrmandates wird neun Jahre nach Kriegsbeginn nicht zu nachhaltigem Frieden in Syrien und auch nicht im Irak führen. Dieser kann nur erreicht werden, indem militärische Aktionen endlich durch diplomatische Mittel ersetzt werden. Terroristische Strukturen können nicht mithilfe militärischer Interventionen beseitigt werden. Vielmehr muss die Unterstützung dschihadistischer Gruppen durch westlich orientierte Länder eingestellt werden.

Ein Ende des Bundeswehreinsatzes in Syrien und Irak ist anders als in den Jahren zuvor nicht mehr absehbar. Eines ist klar: Solange wie möglich wird die Bundesregierung mit der Bundeswehr weiter im Krieg in Syrien mitmischen – auch ohne politische und völkerrechtliche Begründungen.

Anmerkung
1 Antrag der Bundesregierung: „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte – Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung fördern in Irak und Syrien“, Drucksache 19/13290, 18.09.2019.

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Kathi Müller ist Mitarbeiterin des Netzwerks Friedenskooperative