Die Chance für eine politische Lösung der Kurdenfrage nutzen!

von Mani Stenner
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Die Zuflucht Abdullah Öcalans in Italien zwingt die Kurdenfrage und den Umgang mit der Türkei auf die Tagesordnung der europäischen Politik. Dies ist mehr Chance als Krise. Europa und gerade auch die Bundesrepublik können jetzt außen- und innenpolitisch durch konstruktive Beiträge zu einer Dialog-Lösung beitragen. Dabei reicht es nicht, auf Zeitgewinn zu spielen.

Mit der militärischen Schwächung der PKK sind weder die Kurdenfrage noch die vielen anderen drängenden Probleme in der Türkei gelöst. Die türkische Regierung muß jetzt ermuntert werden, Wiederaufbau und Wiederansiedlung der Millionen kurdischen Flüchtlinge im Osten des Landes anzugehen, Menschen- und Minderheitenrechte einzuräumen und mit kurdischen Vertretern über eine föderale Lösung zu verhandeln. Nach wie vor kann man dabei nicht an der PKK vorbei.

Eine Auslieferung Öcalans an die türkischen Militärs verbietet sich von selbst. Die europäischen Länder sollten Italien gemeinsam den Rücken stärken, das türkische Auslieferungsansinnen zurückzuweisen. Kurzfristig kann und muß die türkisch-europäische Krise - verbunden mit attraktiven Perspektiven für die Integration nach Europa - sogar verstärkt werden, indem Bewegung in der Kurdenfrage forciert wird. Dazu gibt es viele wirtschaftliche, politische und diplomatische Möglichkeiten. Immer sollte Entschiedenheit und politischer Druck verknüpft sein mit dem ehrlichen Angebot an die Türkei, die Mitgliedschaft in der EU parallel zur Erledigung der "Hausaufgaben" (Kurdenfrage, Menschenrechte, Zypern ...) zu betreiben.

Die Kurdenfrage könnte internationalisiert werden, indem den drei großen kurdischen Oragnisationen KDP, PUK und PKK bei der UNO ein völkerrechtlicher Beobachterstatus eingeräumt wird. Die Außenminister der Europäischen Union sollten sich dafür einsetzen. Dieser völkerrechtliche Status könnte helfen, einen Verhandlungsprozeß einzuleiten, an dessen Ende völkerrechtlich garantierte (Minderheiten)-Rechte der kurdischen Bevölkerung im Mittleren Osten stehen.

Die Bundesrepublik kann als wichtiger Partner der Türkei und mit ihrem großen Anteil an türkischer wie kurdischer Bevölkerung nicht nur Mittler sein, sondern auch deutliche Zeichen setzen. In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung wird für Rüstungsexporte das Zusatzkriterium Menschenrechte eingeführt. Die anstehende Auslieferung einer Fregatte von Blom und Voss an die Türkei steht dazu im Gegensatz. Waffenexporte an den NATO-Partner Türkei müßten bis zur Änderung der Lage ausgesetzt werden.

Die Innenministerkonferenz hätte wichtige Zeichen für einen konstruktiven Umgang mit der Kurdenfrage auch innerhalb der Bundesrepublik setzen können. Für die rund 500.000 hier lebenden Kurden sollten die gleichen Rechte gelten wie für türkische Bevölkerung. Mit der Anerkennung der KurdInnen als eigenständige Bevölkerungsgruppe und der Umsetzung der sich daraus ergebenden Rechte - muttersprachlicher Unterricht, Rundfunk- und Fernsehsendungen in kurdischer Sprache, freie Namensgebung für kurdische Kinder und Einrichtung von Beratungs- und Betreuungszentren für KurdInnen usw. - würde die Benachteiligung der KurdInnen in Deutschland aufgehoben und ein Signal für Lösungen innerhalb der Türkei gegeben. Bei der weiterhin gegebenen Gefahr an Leib und Leben für abgeschobene KurdInnen in der Türkei ist die Anerkennung als Bürgerrechtsflüchtlinge und das Bleiberecht für kurdische Flüchtlinge unabdingbar. Und: Will man den Dialog und eine Lösung, kann man eine dafür nötige politische Gruppierung nicht verbieten. Öcalan und die PKK haben ihr Versprechen, die rechtlichen Bestimmungen der Bundesrepublik zu respektieren, in den letzten Jahren gehalten. Die Demonstrationen für Öcalan verlaufen friedlich und in der Hoffnung auf Unterstützung der Bundesrepublik für eine politische Lösung. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, das "PKK-Verbot" aufzuheben.

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