Trotz des Erlasses in Nordrhein-Westfalen:

Ersatzlose Kündigung des Kooperationsabkommen mit der Bundeswehr!

von Joachim Schramm

Wir dokumentieren im Folgenden Auszüge aus einem offenen Brief des Bündnisses „Schule ohne Bundeswehr NRW“, mit dem es auf einen Ministeriums-Erlass des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Schule und Weiterbildung zu „Beteiligung von Organisationen der Friedensbewegung am Unterricht“ vom 29.09.2011 geantwortet hat. Dieser Erlass stellt fest, dass „das Thema Friedens- und Sicherheitspolitik … in der Schule in der gebotenen Ausgewogenheit entsprechend dem Beutelsbacher Konsens zu behandeln [ist]. Dazu gehört, dass auch den Organisationen der Friedensbewegung wie der Bundeswehr die Möglichkeit zur Darstellung ihrer Positionen im Unterricht gegeben werden kann“, und regelt eine Aufwandsentschädigung für ReferentInnen.

Der Brief: „Der Erlass greift erste Punkte unserer Kritik an dem zunehmenden Einfluss der Bundeswehr auf die Schulen auf, ohne allerdings zum Kern vorzudringen. Im Oktober 2008 hat die damalige Ministerin für Schule und Weiterbildung, Frau Sommer, mit der Bundeswehr ein sogenanntes Kooperationsabkommen geschlossen. Dieses Abkommen verschafft der Bundeswehr einen priviligierten Zugang zur Schule und zur Aus- und Fortbildung von ReferendarInnen und Lehrkräften.

Das Abkommen, das später zum Vorbild für mehrere weitere Abkommen anderer Bundesländer mit der Bundeswehr diente, wird von Friedens- und Antikriegsgruppen, der LehrerInnengewerkschaft GEW, SchülerInnenvertretungen, kirchlichen Gruppen, Jugendverbänden und vielen anderen kritisiert. Sie sehen in diesem Abkommen vor allem den Versuch der Bundeswehr, mit Unterstützung des Ministeriums auf diesem Wege für eine Militärpolitik zu werben, die von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird. Auch sehen die KritikerInnen hierin verbotene Werbe- und Rekrutierungsmaßnahmen der Bundeswehr.

Sie fordern deshalb von der Landesregierung die ersatzlose Streichung des Abkommens und ein Verbot der Bundeswehr-Werbung in Schulen und Universitäten.

Die aktuelle rot-grüne Landesregierung hat sich jedoch hinter das Abkommen mit der Bundeswehr gestellt und lediglich eine sogenannte „Modifikation“ angekündigt.

Das Ministerium erklärt, dass die Verantwortung für die Durchführung des Unterrichts bei der Lehrkraft liegt und diese während der gesamten Unterrichtszeit anwesend sein muss. Dass dieses vom Ministerium in einem Erlass ausdrücklich betont werden muss, bestätigt unsere Kritik, dass die Jugendoffiziere der Bundeswehr sehr wohl gegen die Grundsätze politischer Bildung – v.a. auch das Überwältigungsverbot und das Verbot der Indoktrination, wie sie im sogen. „Beutelsbacher Konsens“ formuliert sind – verstoßen.

Wir begrüßen, dass Referentinnen aus der Friedensbewegung für ihre Tätigkeit im Schulunterricht nunmehr eine Aufwandsentschädigung erhalten, zumal es sich bei ihnen i.d.R. um ehrenamtliche Referentinnen handelt. Dass hierdurch die vom Ministerium geforderte „gebotene Ausgewogenheit“ und „gleichgewichtige Einbeziehung der in Gesellschaft und Politik kontrovers diskutierten Positionen“ im Unterricht gewährleistet würde, sehen wir jedoch nicht. Die wenigen oft ehrenamtlichen ReferentInnen aus der Friedensbewegung haben auch mit (bescheidener) Auswandsentschädigung nicht die Möglichkeiten, über die die Bundeswehr mit 94 hauptamtlichen Jugendoffizieren und ihren Millionen-Etats verfügt. Daher ändert diese Regelung nichts an unserer grundsätzlichen Kritik an den Schulbesuchen der Bundeswehr.

Wir begrüßen, dass das Ministerium nunmehr die Teilnahme an Truppenbesuchen grundsätzlich zur „freiwilligen Schulveranstaltung“ erklärt, v.a. weil die SchülerInnen auch dort den direkten Rekrutierungsbemühungen der Bundeswehr ausgesetzt werden. Doch ist auch dieser Schritt bestenfalls ein „Feigenblatt“, da die wesentlichen Auftritte der Bundeswehr eben in den Schulen stattfinden. Die Truppenbesuche sollten prinzipiell eingestellt werden, da hier vor allem mit der Faszination der Technik die Einstellung der Schülerinnen und Schüler manipuliert wird.

Das Ministerium hat mehrfach angekündigt, dass sie den Passus des Kooperationsabkommens, der der Bundeswehr den Zugang zur Aus- und Fortbildung von ReferendarInnen und Lehrkräften ermöglicht, kündigen wolle (so Staatssekretär Hecke auf einer Podiumsdiskussion am 02.09.11 in Aachen).

Hierzu stehe das Ministerium mit der Bundeswehr in Verhandlungen, die aber von der Bundeswehr verschleppt würden.

Wir erwarten und fordern vom Ministerium, dass diese Kündigung nunmehr endlich durchgeführt wird.

Wir sehen nicht, dass eine Streichung dieses Privilegs der Bundeswehr der Zustimmung derselben bedarf.

Wenn das Ministerium die Kündigung wirklich will, soll es der Bundeswehr mitteilen, dass die Jugendoffiziere ab sofort keinen Zugang mehr zur Aus- und Fortbildung haben.

Insgesamt dokumentiert der Erlass vom 29.09.2011, dass auch das Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW die Kritik am Auftreten der Bundeswehr in den Schulen teilt. Es dokumentiert aber ebenfalls, dass ihm die Kraft und der Mut fehlen, hieraus den einzig richtigen Schluss zu ziehen, im Interesse der SchülerInnen und Lehrkräfte, im Interesse einer zukunftsorientierten Schule, die laut Schulgesetz des Landes NRW u.a. auch zur „Friedensgesinnung“ erziehen soll:

– die ersatzlose Kündigung des Kooperationsabkommens mit der Bundeswehr

Mit freundlichen Grüßen,

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