Zur strategischen (Neu-)Ausrichtung

Friedensbewegung war immer international

von Kristine Karch

Zusammenarbeit mit europäischen und internationalen Bewegungen intensivieren – Warum ist das wichtig? Friedensbewegung war immer international. Dafür stehen die Namen Berta von Suttner und Alfred Fried sowie die Gründung des International Peace Bureaus 1891.

Friedensbewegung hatte immer internationale Aktionshöhepunkte. Erinnert sei nur an die gemeinsamen Proteste diesseits und jenseits des Atlantiks gegen die US-Mittelstreckenraketen und an den 15.02.2003, den weltweiten Tag der Millionen Demonstrierenden gegen die geplante US-Invasion in den Irak. Die Friedensbewegung war in der New York Times zur „neuen Supermacht“ avanciert.

Wer heute fragt, ob die die internationale Vernetzung notwendig sei, dem sei ganz einfach geantwortet: wer soll die europäische Armee mit dem deutschen Griff zur Atombombe denn verhindern, wenn nicht eine koordinierte europäische und internationale Friedensbewegung?

Im Mittelpunkt der Vernetzungen stehen die zentralen friedenspolitischen Herausforderungen.

1. Atomwaffen abschaffen
Da ist einerseits ICAN mit den vielen Aktivitäten für einen Ächtungs-Vertrag gegen alle Atomwaffen, und da sind anderseits die internationalen Vernetzungen, die die Atomwaffensperrvertragskonferenzen kritisch begleiten und jetzt darüber hinaus einen großen Friedenskongress und eine Demonstration in New York vorbereiten. Sie alle eint die Forderung nach Abschaffung aller Atomwaffen durch eine völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung (Nuklearwaffenkonvention). Diesen Netzwerken gehören nationale Anti-Atomwaffennetzwerke und alle großen friedenspolitischen Organisationen an.

2. NATO Abschaffen
Kernhindernis einer Friedenspolitik ist die NATO, die weltweit völkerrechtswidrige Kriege primär für wirtschaftliche und geostrategische Interessen führt – in Europa, im Nahen/Mittleren Osten, Afghanistan und in anderen Ländern. In Vorbereitung der Gegenaktivitäten des NATO-Gipfels zum 60-jährigen Bestehen in Straßburg/Kehl 2009 gründete sich ein internationales Netzwerk „No To War – No To NATO“ aus über 600 Organisationen, lokalen und internationalen Netzwerken aus fast 40 Ländern, das seither alle NATO-Gipfel (Lissabon 2010, Chicago 2012, Wales 2014) kritisch begleitete. Mit Gegengipfeln, Demonstrationen, Friedenscamps und Aktionen des zivilen Ungehorsams wird die Delegitimierung Der NATO vorangetrieben.

3. Abrüsten und Rüstungsausgaben kürzen
Weltweit werden jährlich 1,26 Billionen Euro für Rüstung ausgegeben. Seit 2011 organisiert das internationale GDAMS Netzwerk jährlich einen Global Day of Actions on Military Spending (GDAMS), zeitgleich mit der Veröffentlichung der neuen Zahlen über Rüstungsausgaben des Forschungsinstituts SIPRI. Am 13. April 2015 fordern weltweit Initiativen „Move the Money“ von den Rüstungsausgaben hin zu zivilen Aufgaben und humanitären Hilfen, wie Beseitigung von Armut und Hunger, Krankheiten und Flüchtlingshilfen.

4. Abzug der externen Truppen aus Afghanistan
Auch wenn 2014 die meisten ausländischen Truppen Afghanistan verlassen haben, bleibt es Aufgabe des internationalen Afghanistan-Friedensnetzwerkes, den vollständigen Abzug der externen Truppen durchzusetzen und für einen Friedens- und Versöhnungsprozess, getragen von den Afghaninnen und Afghanen selbst unter Einbeziehung aller, zu werben, sowie die AfghanInnen solidarisch beim Wiederaufbau zu unterstützen.

5. Militärbasen auflösen
Weltweit gibt es in mehr als 100 Ländern externe Militärbasen, allein die USA unterhält über 1.000, aber auch NATO–Länder wie Frankreich und Großbritannien unterhalten 200 Basen außerhalb ihrer Länder. Die unzähligen lokalen Initiativen, die für eine Schließung der Basen kämpfen, haben sich seit 2003 zu einem internationalen No Bases Netzwerk (Network for the Abolition of Foreign Military Bases) zusammengeschlossen und u.a. erreicht, dass Correa in Ecuador die US-amerikanische Basis in Manta geschlossen hat.

6. Zivile Konfliktbearbeitung
Zu diesem Thema arbeitet u.a. die Global Partnership for the Prevention of Armed Conflict (GPPAC). GPPAC war ein weltweiter Prozess zivilgesellschaftlicher Organisationen, der 2003 begann und zu einer großen Konferenz in New York 2005 führte, wo eine „Global Action Agenda“ verabschiedet wurde. Das internationale Büro wird in den Niederlanden von den Begründern der Europäischen Plattform für Konfliktprävention und Transformation geführt; die Plattform selbst ist inzwischen inaktiv. Außerdem gibt es mehrere internationale, auf die Aufgabe des zivilen Peacekeepings spezialisierte Organisationen, vor allem Nonviolent Peaceforce und Peace Brigades International.

7. Ohne Gender-Gerechtigkeit keinen Frieden
Vor 100 Jahren fand im April der erste internationale Frauenfriedenskongress in Den Haag statt, aus dem später Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF) hervorging. Während des Golfkrieges entstand das internationale Friedensnetzwerk „Frauen in Schwarz“. Das sind Frauen, die sich schwerpunktmäßig in ihren Ländern gegen die Kriegspolitik der herrschenden Eliten wenden. Das internationale Netzwerk „Women Against NATO“ kritisiert die NATO aus feministischer Perspektive und wendet sich gegen den Missbrauch der Frauen für das Kriegsgeschäft unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung. Auch das Aktionsnetzwerk „World March of Women“  hat Frieden und Abrüstung ganz oben auf der Agenda stehen.

Mit verschiedenen Themen und Anliegen befassen sich drei internationale Organisationen, die vor oder kurz nach dem 1. Weltkrieg gegründet wurden: Das schon erwähnte International Peace Bureau (Genf), der Internationale Versöhnungsbund (Alkmaar) und die War Resisters‘ International (London).

Daneben gibt es noch weitere Netzwerke zu aktuellen Herausforderungen der Politik oder der Geschichte: z.B. G7, das Friedens- und Globalisierungsherausforderungen verbindet, Sarajevo - 100 Jahre 1. Weltkrieg, und die Vorbereitungen für den Klimagipfel in Paris im Dezember 2015.

Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll einen kleinen Einblick in eine große Vielfalt von weltweitem Friedensengagement zeigen.

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Kristine Karch engagiert sich beim International Network of Engineers and Scientists for Global Responsibility (INES)