Eine neue Wehrpflicht? Ohne mich!

Initiativen gegen die Wehrpflicht

von Yannick Kiesel
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Um Aggressoren abzuschrecken, müsse die Bundeswehr ihre Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit stärken: Bessere Ausrüstung, eine verbesserte Infrastruktur und eine Neuorganisation der Streitkräfte. Zudem sei eine einsatzbereite Reserve unerlässlich, um die Truppe im Krisenfall schnell zu verstärken. So oder so ähnlich wird eine schleichende Militarisierung und den Personalaufbau der Bundeswehr regelmäßig gerechtfertigt. Einigkeit besteht jedoch noch nicht über das Wehrdienstmodell, wobei die Terminologie oft missverstanden wird. Es ist passender, von „Kriegsdienst“ oder „militärischer Dienstpflicht“ zu sprechen, da dies die Rolle der Soldat*innen genauer beschreibt.

Ab 2025 sollen (laut den bisherigen Plänen) zusätzlich zu den bisher rund 10.000 freiwilligen Wehrdienstleistenden bis zu 5.000 weitere ausgebildet werden. Es gibt weiterhin viele Überlegungen, wie diese 5.000 Rekrut*innen gewonnen werden sollen: Ein mögliches Modell ist die Einführung einer grundgesetzkonformen Auswahlwehrpflicht, bei der Männer verpflichtet und Frauen freiwillig dienen. Auch eine geschlechtsneutrale Wehrpflicht und eine allgemeine Dienstpflicht, wie sie in Schweden seit 2017 gilt, werden in Betracht gezogen und wird von Teilen der Parteien gefordert. Umfragen zeigen allerdings, dass vor allem die Betroffenen – 16- bis 18-Jährige – die Wehrpflicht ablehnen. Trotz gesteigerter Werbung konnten bisher auch nicht genug Freiwillige gewonnen werden.

Eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht wäre alles andere als einfach und günstig. Es wäre mit enormen Kosten verbunden, die weit über die bloße Finanzierung des Soldes hinausgehen. Die Infrastruktur der Bundeswehr müsste erheblich ausgebaut werden: Ausbildungsstätten, Unterkünfte und Materiallager sind in ihrem jetzigen Zustand keinesfalls auf eine groß angelegte Mobilisierung vorbereitet. Allein die Modernisierung und der Ausbau der Infrastruktur würden Milliarden verschlingen. Außerdem warnen Sozialverbände und Wirtschaftsexpert*innen, dass die Wehrpflicht den Arbeitskräftemangel verschärfen könnte. Nach Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft könnten dadurch 49 Milliarden Euro an Produktionskapazität verloren gehen.

Ziviler Widerstand
Eine verpflichtende Dienstzeit, sei es in der Bundeswehr oder in anderen Bereichen, steht zudem im Konflikt mit den Grundprinzipien einer freien Gesellschaft. Junge Menschen sollten das Recht haben, selbst über ihren Lebensweg zu entscheiden, anstatt durch den Staat zu einem Dienst gezwungen zu werden. Es ist nicht nur eine Frage der Effizienz, sondern auch der Werte, die unsere Gesellschaft vertreten will.

Die Kampagne „Yusuf und Jonna verweigern den Kriegsdienst" auf www.yusuf-jonna.de ist ein wichtiger Bestandteil der aktuellen gesellschaftlichen Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland. Sie wird von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) organisiert. Die Kampagne richtet sich vor allem an junge Menschen, die potenziell von einer Wiedereinführung der Wehrpflicht betroffen wären. Sie bietet diesen die Möglichkeit, sich öffentlich gegen die Pläne zu stellen und klarzumachen, dass sie einen Zwangsdienst in jeglicher Form ablehnen. Ein zentrales Element der Kampagne ist die Unterzeichnung eines Online-Appells, in dem die Teilnehmenden ihre Haltung bekräftigen. Neben diesem symbolischen Widerstand wird auf der Webseite umfassend über die Hintergründe der Wehrpflicht und deren potenzielle Folgen informiert, sowie auf Beratungsangebote der DFG-VK hingewiesen. Hier werden gerade wieder gezielt Kapazitäten in der Beratung von Verweiger*innen aufgebaut.

Parallel dazu engagiert sich das Bündnis „Nein zur Wehrpflicht!" mit einer Petition auf openPetition.de. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss verschiedener friedenspolitischer und gesellschaftlicher Gruppen, die eine Wiedereinführung der Wehrpflicht oder anderer Zwangsdienste entschieden ablehnen. In der Petition wird nicht nur die Wehrpflicht an sich kritisiert, sondern auch die damit verbundene Einschränkung der individuellen Freiheit sowie die einseitige Fokussierung auf militärische Lösungen in einer zunehmend unsicheren Welt.

Die Petition betont die Bedeutung von Freiwilligkeit und Selbstbestimmung für eine demokratische Gesellschaft und fordert den Deutschen Bundestag dazu auf, stattdessen auf Präventionsmaßnahmen, zivile Konfliktlösungen und Abrüstung zu setzen. Sie macht auch auf die sozialen und ökonomischen Nachteile aufmerksam, die mit einer Wehrpflicht einhergehen könnten, und wirbt für eine Zukunft, in der Menschen nicht gezwungen werden, Dienste zu leisten, die ihren Überzeugungen widersprechen.

Beide Initiativen zeigen, dass viele Menschen in Deutschland die Wehrpflicht nicht als Lösung betrachten, sondern als Rückschritt in eine Zeit, in der individuelle Freiheit und Selbstbestimmung weniger zählten. Ein aktives Engagement gegen die Einführung eines militärischen Zwangsdienstes ist daher unerlässlich.

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Yannick Kiesel ist der Projektkoordinator der ersten großen Friedenswanderung „Frieden in Bewegung“ der NaturFreunde Deutschlands