Kampagne „Eine Welt ohne Atomwaffen - Abrüsten und zusammenarbeiten - Bei uns anfangen

von Achim Maske

Nach dem INF-Abrüstungsabkommens hat eine neue Etappe der politischen Auseinandersetzung begonnen. Die NATO-Regierungen stehen unter Anpassungszwängen. Finanzprobleme, Interessengegensätze in der NATO, die aufrüstungskritische Öffentlichkeit und die Herausforderungen der Abrüstungspolitik der UdSSR setzen der bisherigen Aufrüstungspolitik Grenzen. Die Bundesregierung versucht, das INF-Abkommen als Ergebnis der "Politik der Stärke" zu verkaufen und verbreitet den Eindruck von weiterer Abrüstungsbereitschaft. Andererseits lehnt sie die "Dritte Null-Lösung" ab und versucht, unter dem Stichwort "Gesamtkonzept" eine neue Legitimation für die atomare Bedrohungspolitik zu schaffen und die Öffentlichkeit durch die westeuropäische Militärkooperation an eine scheinbar ungefährliche Variante dieser Politik zu gewöhnen.

Diesen Versuchen zur gleichzeitigen Beschwichtigung und Gewöhnung an Rüstung kann die Friedensbewegung nicht durch Kritik einzelner Rüstungsmaßnahmen entgegenwirken. Wir müssen den politischen Kern der Kontroverse offenlegen: Wir wollen Abrüstung und politische Friedenssicherung, eine international vorteilhafte Zusammenarbeit bei der Lösung der Menschheitsprobleme und eine Welt ohne Atomwaffen.

Denn:

  • Mit fortgesetzter Atomrüstung bleibt die Menschheit vom Untergang bedroht.
  • Mit fortgesetzter konventioneller Aufrüstung bleibt das dichtbesiedelte Europa mit seiner Konzentration von Großchemie und Atomanlagen von völliger Zerstörung und Vergiftung bedroht.
  • Mit fortgesetztem Rüstungswettlauf bleibt die Wirtschaft militarisiert. Eine Mobilisierung der finanziellen, wissenschaftlichen und Arbeitskraftressourcen für die zivile wirtschaftliche Entwicklung unterbleibt.
  • Mit fortgesetzter Aufrüstungs und Bedrohungspolitik wird die dringend notwendige Ost-West- und Nord- Süd-Zusammenarbeit in Ökonomie und Ökologie entscheidend behindert.
  • Mit fortgesetzter Unterdrückungs und Ungleichheitspolitik gegenüber der "Dritten Welt" wird deren Verelendung festgeschrieben. Weitere regionale Krisen und Kriege werden vorprogrammiert. Die ökonomische Rückentwicklung dort schlägt auch auf uns zurück, während die erforderliche qualitative Umgestaltung der Weltwirtschaft nur mit der "Dritten Welt" zusammen möglich ist.

Wir müssen deutlich machen:

Sicherheit und Wohlstand können nicht gegeneinander durch atomare Bedrohung und Kriege, sondern nur miteinander durch Abrüstung, Entwicklung und Zusammenarbeit erreicht werden. Wir brauchen neues Denken und eine neue Politik.

Intensive Aufklärung

Eine breit angelegte Informations- und Aktionskampagne muß Handlungsmöglichkeiten für die örtliche Friedensarbeit enthalten und bundesweite Zuspitzungen ermöglichen. Der Koordinierungsausschuß sollte dazu Musterflugblätter mit Unterschriftsmöglichkeiten und einen Leitfaden erstellen. Anstehende Jahrestage und absehbare politische Ereignisse schaffen Aufmerksamkeit und. Informationsbedürfnisse, die unsere Möglichkeiten verbessern, unsere Argumente zu verbreiten.

Für eine atomwaffenfreie Bundesrepublik im "gemeinsamen Haus Europa"

Wir wollen, daß die Atomwaffen - das Kernstück der Rüstung - in Ost und West beseitigt werden und daß bei uns damit begonnen wird. Durch den bevorstehende Moskauer Gipfel, die Tagungen der NATO und der Nordatlantischen Versammlung im Herbst wird die Frage atomare Rüstung in der öffentlichen Diskussion sein.

Im Mai 1989 wird das Grundgesetz "vierzig". Im Juni 1989 finden die nächsten EG-Wahlen statt. Eine dezentrale Informations- und Aktionskampagne für eine atomwaffenfreie BRD mit einem ersten Höhepunkt, einer selbstorganisierte Volksabstimmung parallel zu den EG-Wahlen, kann die Alternative "Gemeinsames Haus Europa oder westeuropäische Atomkaserne" deutlich machen. Diese Abstimmung sollte die Frage der Atomwaffenfreiheit als Bestandteil des Grundgesetzes einschließen.

Eine selbstorganisierte Volksabstimmung erscheint heute als sehr anspruchsvolle Aktionsform. Bei wachsender örtlicher Aufklärung kann ein solches Vorhaben einen erheblichen Mobilisierungsschub auslösen. Die vielen Menschen, die der etablierten Politik mißtrauen, können bei dieser Aktion eine demokratische Willensbildung selbst organisieren.

In dieser Kampagne können die Bemühungen um atomwaffenfreie Zonen weiterentwickelt werden. Das INF-Abrüstungsabkommen zeigt, daß atomare Abrüstung möglich ist Kommunalparlamente können veranlaßt werden, sich "atomwaffenfrei" zu erklären und den Transport von Atomwaffen zu untersagen. Mit Unterschriftensammlungen, vielfältigen Aktionen kann die Forderung nach Beseitigung der Atomwaffen für die Menschen konkret faßbar gemacht werden. Der Vorschlag eines atomwaffenfreien Korridors eröffnet neue Möglichkeiten für örtliche Aktionen und internationale Zusammenarbeit.

Auch konventionell abrüsten

Selbst bei einem Krieg ohne Atomwaffen würde das dichtbesiedelte Europa mit seiner Konzentration von Nuklearbetrieben und Großchemieanlagen völlig zerstört und verseucht. Konventionelle Rüstung bürdet uns schwere soziale und ökonomische Lasten auf und bedeutet die Vergeudung von finanziellen, wissenschaftlichen und Arbeitskräftepotentialen. Statt einer Militärachse Bonn-Paris und der Militarisierung Westeuropas brauchen wir Abrüstung und zivile Kooperation in ganz Europa. Dafür können wir Städtepartnerschaften nutzen und entwickeln. Jede militärische Einrichtung und jedes Militarisierungsvorhaben ist geeignet für die friedenspolitische Auseinandersetzung vor Ort. In Rüstungszentren dürfen wir die Diskussion von "Konversionsplänen'' nicht vergessen.

Die "Dritte Welt" und wir

Die Gewaltpolitik gegenüber der "Dritten Welt" a la "Airland Battle 2000" oder "Discriminate Deterrence" schlägt immer stärker auf die NATO-Staaten zurück. Atomwaffeneinsatzpläne gegen Länder der "Dritten Welt" verstärken das Streben vieler Länder nach eigenen Atomwaffen und erhöhen das Risiko weltweiter atomarer Vernichtung. Gewaltpolitik hat die Aneignung von Rohstoffen zu immer niedrigeren Preisen ermöglicht, gleichzeitig aber hat dies eine "Schuldenkrise" hervorgerufen und läßt die Länder als Käufer für industrielle Investitionsgüter ausfallen. Das kostet in der exportabhängigen Bundesrepublik Arbeitsplätze. Insbesondere die 3. Sondertagung der UNO zur Abrüstung im Juni 88 und die Tagung des IWF im September 88 in Westberlin eröffnen Möglichkeiten zu breiten Aufklärungsaktivitäten.

Feindbilder abbauen

Die Mobilisierung von Feindbildern war und ist das zentrale Legitimationsinstrument für Aufrüstung und atomare Bedrohung. Unsere Arbeit, aber auch die Veränderungen in der UdSSR, haben lange gepflegte Feindbilder angekratzt. Dies gilt es, kontinuierlich fortzusetzen. Dabei sollten Partnerschaften lokaler Friedensgruppen entwickelt werden. Die "Reichsprogromnacht" vor fünfzig Jahren, am 8./9.11.38, ist ein wichtiger Anlaß für die Friedensbewegung, um daran zu erinnern, daß Krieg in den Köpfen der Menschen durch Schüren von Feindbildern vorbereitet wird.

50. Jahrestag Beginn des Zweiten Weltkrieges

Am 1. September 89 jährt sich zum 50sten Male der Beginn des Zweiten Weltkrieges. Dieser Jahrestag lenkt den Blick auf die Alternative, vor der wir stehen: das Leben mit der Gefahr der atomaren Vernichtung oder die Schaffung einer politischen Friedensordnung und vollständiger Abrüstung. Diese Alternative gilt es mit einer (oder mehreren) Großveranstaltung(en) mit internationalen Beteiligungen deutlich zu machen.

Mit einer langfristigen Kampagne und Aktionsplanung für die Befreiung von Atomwaffen, Abrüstung, Entwicklung und Zusammenarbeit können wir den politischen Druck der Bevölkerung auf die Regierung und Parteien erhöhen und ein Klima schaffen, in dem die Vorschläge zur Abrüstung nicht länger ignoriert werden. Genscher, Geißler und Strauß haben das begriffen. Und wir?

 

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit