"Sicherheitskonferenz" in München

Kein Frieden mit der NATO

von Claus Schreer

Vom 3. bis 5. Februar 2012 fand die 48. Sicherheitskonferenz in München statt. In ihr treffen NATO-Mitglieder, weitere einflussreiche Staaten, Militärs und sog. Sicherheitsexperten aufeinander. Geleitet wird sie seit 2008 im Auftrag der Bundesregierung von Wolfgang Ischinger. Im folgenden Artikel berichtet Claus Schreer über die Gegenaktionen der Friedensbewegung zu der Konferenz.

Bei klirrender Kälte beteiligten sich rund 3.500 Menschen an der Demonstration gegen die NATO-Kriegstagung in München.

Bis kurz vor der Sicherheitskonferenz (SIKO) hatten fast 100 Organisationen den Aufruf zur Demo unterschrieben. Zentrale Forderungen waren der Abzug der Bundeswehr und aller anderen Interventionstruppen aus Afghanistan, der Austritt Deutschlands aus dem Kriegsbündnis NATO und die Abschaffung der Bundeswehr, die als weltweit einsetzbare Interventionsarmee mit Landesverteidigung nicht das Geringste zu tun hat. Ver.di und Attac München hatten mit eigenen Aufrufen zu den Protesten mobilisiert.

Vielfalt, Kreativität und beeindruckende antimilitaristische Darstellungen sind inzwischen zu einem Merkmal der Münchner Demonstration geworden. Eines der dominierenden Themen waren die Waffengeschäfte Deutschlands und die Forderung nach einem generellen Verbot aller Rüstungsexporte.

Prominenteste Rednerin auf der Abschlusskundgebung war die afghanische Menschenrechtlerin Malalai Joya. In ihrer leidenschaftlichen Rede forderte sie den Abzug aller ausländischen Interventions-Truppen aus Afghanistan. In diesem Krieg, in dem Zehntausende unschuldige Zivilisten durch die Besatzungskräfte und die Terroristengruppen getötet wurden, "verfolgen die USA und die NATO ausschließlich ihre eigenen ökonomischen, strategischen und militärischen Interessen", sagte sie. Die Taliban und andere Terroristengruppen seien Produkte des Weißen Hauses. Sie wurden während des Kalten Krieges durch die USA und andere westliche Regierungen geschaffen, bewaffnet und in Machtpositionen gebracht, und die US-Regierung stütze sich heute immer noch auf diese Gruppen. "Sie sind die Feinde des afghanischen Volkes und nicht die ihrer Herren."

Die Beteuerungen der USA und NATO, dass sie 2014 Afghanistan verlassen wollen, seien eine Lüge, erklärte Malalai Joya. "Die westlichen Regierungen betrügen nicht nur das afghanische Volk, sondern auch ihr eigenes. Sie vergeuden das Geld ihrer Steuerzahler und das Blut ihrer Soldaten in einem Krieg, der nur die Interessen der multinationalen Konzerne und die einer Handvoll Vertreter der korrupten afghanischen Marionettenregierung schützt." Sie hoffe, sagte sie zum Abschluss ihrer Rede, dass auch Afghanistan eines Tages so ruhmreiche Aufstände gegen fundamentalistische Diktatoren und ihre Beschützer erleben werde, wie das in den Ländern des Nahen Ostens heute der Fall ist.

Konstantin Wecker, seit vielen Jahren mit den SIKO-Protesten eng verbunden, sorgte mit "Sag nein", dem "Waffenhändler-Tango" und "Empört Euch" für heiße Stimmung in der eisigen Kälte dieses Tages.

Christof Marischka von der Informationsstelle Militarisierung aus Tübingen kritisierte in seiner Rede die geplante Kommandostelle für die NATO-Raketenabwehr, die in Ramstein eingerichtet werden soll, und den Export von Kriegswaffen und von Sicherheitstechnologien, die dazu bestimmt sind, hier und weltweit die Bevölkerung zu unterdrücken. Unter dem Vorwand von Menschenrechtsverletzungen und angeblich "scheiternder Staatlichkeit" hätte die NATO ganze Weltregionen von Afrika bis Afghanistan und Pakistan zu ihrem Interventionsgebiet erklärt, wo deutsche Soldaten und Polizisten als Ausbilder, Berater, Besatzer und Kombattanten aktiv sind. Ihr Auftrag sei "Krieg für Bodenschätze und Märkte", erklärte Christoph Marischka, "und dagegen werden wir weiter demonstrieren, solange diese Kriege geführt werden".

Insbesondere müssten wir gemeinsam den neuen deutschen Großmachtambitionen und dem Anspruch auf Führungsmacht, die erstmals auf der Tagesordnung im Bayerischen Hof standen, eine eindeutige Absage erteilen.

Dazu passend wehte während der Abschlusskundgebung auf dem Marienplatz vom Turm des "Alter Peter" ein riesiges Transparent mit der Losung "Deutsches Diktat über Europa heißt Krieg - Nie wieder".

Die Konferenz
Im Bayerischen Hof trafen sich zur gleichen Zeit die wirtschaftlichen und politischen Machteliten der NATO- und EU-Staaten, die Drahtzieher der Aggressionskriege gegen Jugoslawien, Afghanistan, den Irak und Libyen, um sich über gemeinsame Strategien zur Aufrechterhaltung ihrer globalen Vorherrschaft zu verständigen.

Wie in den vergangenen Jahren diente die SIKO vor allem als medienwirksames Propagandaforum mit Lobeshymnen über gemeinsamen Werte, über die friedensstiftende Rolle der NATO und dafür, die militärische Aufrüstung und die weltweiten Kriegseinsätze der NATO zu rechtfertigen.

US-Außenministerin Clinton erzählte das Märchen, die USA und Europa stünden "Seite an Seite" im Kampf gegen Nuklearwaffen, gegen Hunger und Krankheiten, gegen Diktaturen und für demokratische Rechte und Freiheiten.

Doch gleich am ersten Konferenztag ging es um pure Machtpolitik. Auf dem Programm stand "Die neue Rolle Deutschlands in Europa und in der Welt". Auf seiner Pressekonferenz vor der SIKO hatte Konferenzleiter Ischinger erklärt, im Zentrum stehe heute die Frage "nach der neuen deutschen Führungsstärke und Führungskraft" und hinzugefügt: "Nur wir können das, also müssen wir es jetzt auch tun." Es gehe um den wirtschaftlichen und politischen Einfluss und selbstverständlich auch um die militärische Rolle Deutschlands. In der Öffentlichkeit verkauft er das als "Sicherheitspolitik". Sie sei, sagt er, die "Rahmenbedingung für den Erfolg, den unsere Wirtschaft auf der ganzen Welt erzielt hat und auch weiter erzielen soll".

Dem entsprechend wurde der erste Tag der SIKO zu einer PR-Inszenierung für den Macht- und Führungsanspruch Deutschlands in Europa. "Lange Zeit wäre alleine die Frage nach der militärischen Rolle oder Verantwortung Deutschlands einem Tabubruch gleichgekommen", erklärte der deutsche Militärminister de MaiziŠre im Bayerischen Hof. "Das alles", sei heute "vorbei" und deshalb müsse Deutschland - entsprechend seinem machtpolitischen und ökonomischen Gewicht - militärische "Verantwortung" und "Verpflichtungen" übernehmen. In Afghanistan, sagte er, habe Deutschland gezeigt, dass "wir" dazu in der Lage sind. "Wir sind einer der größten Truppensteller. Die Bundeswehr kann kämpfen und führen."

Auch die Neuorientierung der Vereinigten Staaten in Richtung Asien erfordere eine Stärkung der EU-Militärkapazitäten, mahnte der deutsche Militärminister. "Europas Streitkräfte", sagte er "müssen leistungsfähiger, belastbarer und durchhaltefähiger werden". Deutschland werde dazu "weiterhin einen großen Beitrag leisten und - wo nötig - auch vorangehen."

Die Rede von US-Kriegsminister Panetta am nächsten Tag war eine unzweideutige Kriegserklärung gegenüber allen Staaten, die sich den Weltordnungsplänen der USA widersetzen. Europa sei weiterhin der wichtigste Sicherheitspartner bei allen zukünftigen Einsätzen, erklärte er, es müsse aber mehr in seine militärischen Fähigkeiten investieren. Die Obama-Administration werde, trotz Einsparungen, sicherstellen, dass die US-Streitkräfte die stärksten der Welt bleiben. Kleiner, flexibel, schnell verlegbar und ausgerüstet mit der besten Technologie würden sie auch in Zukunft die Fähigkeit haben, gleichzeitig mehr als einen Gegner zu bekämpfen.

Auf andere Themen, die im Bayrischen Hof eine Rolle spielten, kann hier aus Platzgründen leider nicht eingegangen werden. Deutlich wurde aber wieder einmal: Mit der NATO wird es keinen Frieden auf der Welt geben.

Unüberhörbar war in diesen Tagen das Säbelrasseln gegen Syrien und den Iran, und die von den USA und der EU beschlossenen Sanktionen gegen Iran sind ganz offensichtlich die Vorstufe für den längst beabsichtigten nächsten Krieg.

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Claus Schreer ist Pressesprecher des Aktionsbündnisses gegen die NATO-Kriegstagung.