Buchbesprechung

"Kriegsdienstverweigerung, Zivildienst, Friedensdienst. Ein Handbuch"

von Markus Reher
Hintergrund
Hintergrund

In einer dritten, aktualisierten und ergänzten Auflage liegt das 1989 erstmals erschienene Verweigererhandbuch vor. Die Autoren, beide viele Jahre als Berater für Kriegsdienstverweigerer tätig, informieren kenntnisreich und friedenspolitisch motiviert in allen wichtigen Fragen der Kriegsdienstverweigerung (KDV). Besonders zu empfehlen ist das Buch, weil es abseits der "normalen" Ableistung des Zivildienstes (ZD) die Möglichkeit des Friedensdienstes in der Bundesrepublik und vor allem im Ausland ausführlich schildert. Ein eigener Abschnitt - und auch das ist als lobenswert hervorzuheben - würdigt die totale KDV in ihrer kriegsverhindernden, friedenspolitischen Bedeutung. Denn einleitend müssen die Autorn feststellen: "Zivildienstleistender - das ist doch der junge Mann, der im Krankenhaus so hilfsbereit mitarbeitet. ... Der direkte Zusammenhang zur KDV wird dabei vielfach außer Acht gelassen." (S.7).

"Guter Zivi" - "Böser KDVer" glaubt die öffentliche Meinung zu wissen. Aber: "Zivis" leisten keinen Beitrag zur Entwicklung des Friedens. Sie kommen mit ihrem Zivildienst - wie der Kriegsdienstleistende auch - der allgemeinen Wehrpflicht (lies: der Kriegsvorbereitung und -durchführung) nach. Der Kriegsdienst an sich kann in der Bundesrepublik legal nicht verweigert werden. Es besteht keine Wahlfreiheit zwischen Zivildienst und Wehrdienst. Der Zivildienst in der Bundesrepublik ist nur die Zwangsläufigkeit der "Kriegsdienstverweigerung".

Folgerichtig verorten die Autoren den Zivildienst wieder in den Koordinaten, in die er gehört: KDV und Friedensdienst. Ihrem Anspruch, zur KDV zu ermutigen, Hintergrundwissen zu liefern und Zusammenhänge aufzudecken, werden die Autoren gerecht, wenn sie den ZD als "Friedensdienst" in Frage stellen, Gesamtverteidigungskonzepte der Hardthöhenstrategie vorstellen, und den ZDLer als Jobkiller im Pflegebereich entlarven. Nicht verschwiegen bleibt dabei das ramponierte Image der allgemeinen Wehrpflicht nach dem Ende des Kalten Krieges und die gefährliche Diskussion um die Einführung einer Allgemeinen Dienstpflicht.

Die Kapitel über KDV und ZD enthalten Informationen zum Grundrecht auf KDV, zur Erfassung, Musterung, Antragstellung, Anerkennung und Einberufung. Zurückstellung sowie Ausnahmen vom ZD werden skizziert und auch die vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeiten zu "anderen Diensten" (Katastrophenschutz, Entwicklungshilfe etc.). Die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der ZDL, ihre Rechte und Pflichten, Sold und Soziales finden eine kurze Darstellung. Tabellen geben eine Übersicht über Wehrpflicht, KDV- und Ersatzdienstmöglichkeiten im europäischen Vergleich: Sie veranschaulichen die Aufteilung der ZD-Plätze auf die einzelnen Bereiche und Organisationen. Aufschlußreich sind die Erfahrungsberichte gedienter ZDL aus ganz verschiedenen Bereichen. Sie können dem angehenden ZDLer eine gute Anregung bei der schwierigen Stellenentscheidung sein.

Besonders hervorzuheben ist das Kapitel über tatsächliche Friedensdienste. Vor allem der Friedensdienst im Ausland, der hier ausführlich vorgestellt wird, bildet eine echte Alternative zum ZD und somit zur Wehrpflicht. Der Wehrpflichtige wird für sie vom Zivildienst freigestellt. Allerdings muß er sich quasi von der Wehrpflicht freikaufen: Zwei Monate länger arbeiten ohne Geld, Unterkunft, Kranken- und Unfallversicherung ist der Preis; Auslandserfahrungen der Gewinn. Zudem sind solche Stellen noch dünn gesät. Zur Ermutigung porträtieren die Autoren die wichtigsten Trägervereine solcher Friedensdienste mit Blick auf Anforderungen, Arbeitsbereiche, Einsatzgebiete und Finanzierung. In diesem Zusammenhang wird auch auf den "Sozialen Friedensdienst" der Evangelischen Kirche Deutschlands verwiesen. Die Kritik am Zwangsdienstsystem "allgemeine Wehrpflicht" und all seinen Konsequenzen, vor allem aber die legale Unmöglichkeit in der Bundesrepublik, jeglichen Kriegsdienst zu verweigern, veranlaßt einen Teil junger Männer zur Totalen KDV (TKDV). Ihnen, ihren Aktionen und den staatlichen Repressionen, denen sie ausgesetzt sind, widmet das Handbuch ein Unterkapitel. Das Beispiel Spanien, wo es eine zahlenmäßig bedeutende TKDVer-Bewegung gibt, soll zur Solidarität mit den Totalverweigerern ermuntern.

Anregungen zum Weiterlesen und Adressen von Beratungsstellen, friedenspolitischen Initiativen und Friedensdiensten runden das Buch ab zu einem gelungenen Ratgeber für junge Menschen, die sich mit ihrer Gewissensentscheidung und ihrer Überzeugung dem Kriegssystem bewußt widersetzen wollen.

Peter Mucke/Johannes Stücker-Brüning, Kriegsdienstverweigerung, Zivildienst, Friedensdienst. Ein Handbuch, Göttingen (Lamuv-Verlag) 1997, 191 Seiten, DM 16,80 DM, ISBN 3-88977-490-3

aus: ami 1-2/98, Seite 108-109

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund
Redakteur der Zeitung "ami" in Berlin