Kriegsdienstverweigerungen während des Golfkrieges

von Rudi Friedrich

Nennen wir ihn Frank. Er ist Anfang 30 und hat als Soldat der US-Armee erlebt, wie in Vorbereitung auf den Golfkrieg die Wirkung und Gegenwehr von ABC-Waffen bei Lehrgängen immer stärker zum Thema gemacht wurde. Er warf einen Blick ins Internet und hörte von GolfkriegsveteranInnen zum ersten Mal davon, dass die USA beim letzten Golfkrieg 1991 Waffen mit abgereichertem Uran verwendet hatten, Pestizide und ungetestete Medikamente zum Einsatz gekommen waren, jede/r vierte VeteranIn schwere körperliche Schädigungen davongetragen hatte. Als deutlich wurde, dass es nun wieder einen Krieg gegen den Irak geben sollte, wollte er sich nicht als Kanonenfutter und Testperson missbrauchen lassen. Er hatte keine Ahnung, welche Möglichkeiten es gibt, aus der Armee entlassen zu werden, und tauchte Anfang des Jahres 2003 unter.

Mehrere hundert US-SoldatInnen haben seit Anfang 2003 ihre Verweigerung erklärt, so meldete im April eine Verweigererorganisation in den USA. Von den in Deutschland stationierten US-Truppen waren es aber im Gegensatz zum Golfkrieg 1991 in diesem Jahr nur wenige, die das US-Militär verlassen wollten, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt haben oder einfach abtauchten - wohl auch aufgrund der geringeren Zahl von in Deutschland stationierten SoldatInnen. Bei dem bei Heidelberg ansässigen Military Counseling Network erhielten wir insgesamt etwa 25 Anfragen. Dabei hatten die Kriegsdienstverweigerer immer im Kopf, dass Gleichgesinnte 1991 trotz eines Antrages auf Kriegsdienstverweigerung mit ihrer Einheit in den Golfkrieg geschickt wurden. So geschah es Dave Carson, der im Mai diesen Jahres in verschiedenen Städten über seine Erfahrungen berichten wird.

Durch die Berichte der aktuellen Verweigerer wird deutlich, dass das US-Militär auch heute mit Repressionen antwortet, wo es um ihre Rechte und die Anerkennung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung geht. Notwendige medizinische Eingriffe wurden verweigert, Entlassungen um bis zu einem Jahr hinausgezögert, erneut wurden Verweigerer ins Kriegsgebiet geschickt. Es herrscht eine repressive Stimmung in den Einheiten vor. In einer solchen Situation schien die Flucht aus der Armee die einzig verbleibende Möglichkeit zu sein, um dem Einsatz im Krieg zu entgehen. Die Medien berichten, dass der Krieg beendet sei. Die Situation der US-Verweigerer ist aber nach wie vor ungeklärt. Die US-Armee spricht davon, dass die Strafen bei Fahnenflüchtigen höher ausfallen würden, als dies 1991 der Fall war.

Ende März berichtete die in Großbritannien erscheinende Tageszeitung Guardian von britischen Soldaten, die gegen die "Tötung von unschuldigen Zivilpersonen" protestiert hatten. Sie waren im Süden des Irak stationiert und wurden nach ihrem Protest nach Großbritannien zurückgebracht. Dort droht ihnen eine Anklage wegen Befehlsverweigerung.

In der Türkei hatte im Januar 2003 eine Gruppe von elf Verweigerern ihren Widerstand gegen einen Krieg öffentlich gemacht. Sie erklärten auf einer Pressekonferenz in Istanbul: "Wir, die geschworen haben, niemals mit irgendwelchen bewaffneten Kräften zu kooperieren, noch ihnen anzugehören; Armeen, die einen Verteidigungsauftrag von organisierter Herrschaft und Ausbeutung durchführen; wir verweigern die Teilnahme an jeder Armee, an jedweder Vorbereitung für den Krieg, am Krieg selbst! Deshalb stehen wir in Opposition zu den Kriegsvorbereitungen, von denen derzeit täglich behauptet wird, dass sie legitim seien. Wir erklären, dass wir uns diesen Vorbereitungen widersetzen und Positionen gegen den Krieg fördern werden."

Die Gruppe der türkisch-kurdischen Verweigerer in Deutschland hatte ebenfalls mobil gemacht. Mit Aktionen in Berlin und beim Ostermarsch in Gießen machten die Verweigerer deutlich, dass sie den Militärdienst ablehnen, weil sie die Grausamkeit eines Krieges selbst erlebt haben. Abdülrezzak berichtete am 19. April in Gießen über die Konsequenzen seiner Entscheidung: "Als Kriegsdienstverweigerer musste ich aus meinem Dorf fliehen, weil ich dazu gezwungen werden sollte, Dorfschützer zu werden - im Auftrag des türkischen Militärs. Als Kriegsdienstverweigerer musste ich auch aus der Türkei fliehen, weil der türkische Staat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht anerkennt. Wäre ich in unserem Dorf geblieben, wäre ich mit Gewalt, mit Schikanen und Folter dazu gezwungen worden, Menschen zu töten, Soldat zu werden. Ich und meine Familie sind von Abschiebung bedroht. Dabei ist klar: Unsere Kriegsdienstverweigerung und unsere Ablehnung des Kriegskurses wird in der Türkei verfolgt. Uns drohten Rekrutierung, Folter, Inhaftierung und Strafverfolgung."

Deutschland und andere Länder der Europäischen Union verwehren Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren aus Kriegsgebieten die Anerkennung als politische Flüchtlinge. Über 350 Gruppen und Einzelpersonen forderten im März in einem Appell an die Bundesregierung, diese Praxis zu ändern und Verweigerern des Golfkrieges Asyl zu gewähren. Zugleich wurde die Bundesregierung aufgefordert, jegliche Unterstützung des Krieges zu verweigern und vor allem die für den Krieg am Golf bereitgestellten Bundeswehrsoldaten zurückzuziehen. Eine Reaktion der Bundesregierung steht noch aus.

Und die deutschen SoldatInnen? Sie waren in den AWACS eingesetzt, in Einheiten in Kuwait stationiert, haben US-Militäreinrichtungen in Deutschland bewacht. Es ist ein traurige Wahrheit, dass zwar erneut die Zahl der Kriegsdienstverweigerer unter Wehrpflichtigen und Reservisten in Deutschland gestiegen ist, auch mit Verweis auf den Golfkrieg. Es ist uns aber kein/e SoldatIn bekannt, der/die aus den für den Golfkrieg eingesetzten Einheiten heraus verweigern wollte. Da gibt es noch viel zu tun.

Weitere Informationen über:
Connection e.V., Gerberstr. 5, D-63065 Offenbach, Tel.: 069-8237 5534, Fax: 069-8237 5535, Email: office [at] Connection-eV [dot] de, Homepage: http://www.Connection-eV.de

Beratung für US-Verweigerer beim Military Counseling Network (MCN), Hauptstr. 1, 69245 Bammental, Tel. + Fax: 06223-47791, mcn [at] dmfk [dot] de, Homepage: http://www.getting-out.de

Beratung für Verweigerer aus der Türkei: DFG-VK Berlin, Karl-Kunger-Str. 18, 12435 Berlin, Tel.: 030-61074411, Fax: 030-61074410, Email: info [at] bamm [dot] de

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