Eine Bedrohung kritischer Meinungsvielfalt

Medienkonzentration

von Otmar Steinbicker
Schwerpunkt
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„Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“. Diesen Satz formulierte der konservative Publizist und Mitbegründer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Paul Sethe, 1955 in einem Leserbrief an den Spiegel. „Da die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften immer größeres Kapital erfordert, wird der Kreis der Personen, die Presseorgane herausgeben, immer kleiner. Damit wird unsere Abhängigkeit immer größer und immer gefährlicher.“

Dabei war die Medienlandschaft in der Bundesrepublik 1955 noch wesentlich vielfältiger, als sie heute ist. Auch als Ende der 1960er Jahre die damals marktbeherrschende Stellung des Axel Springer-Verlages thematisiert wurde, gab es noch eine vielfältige Zeitungslandschaft und die überregionalen Zeitungen verfügten über eigenständige Korrespondentennetze.

Eine dominierende Stellung in der Nachrichtengebung aller Medien nimmt die Deutsche Presseagentur (dpa) ein. Sie ist die mit Abstand größte Nachrichtenagentur Deutschlands und besitzt damit einen immensen Einfluss auf die öffentliche Meinung. Wettbewerber sind lediglich die deutschen Ableger der ausländischen Nachrichtenagenturen Agence France-Presse (AFP) und Thomson Reuters sowie Spezialagenturen wie der Evangelische Pressedienst (epd), die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) und der Sport-Informations-Dienst.
Schon 1969 formulierte der DPA-Journalist Stefan Zickler (Pseudonym: Manfred Steffens) in der ZEIT seine Kritik: Durch die „totale Privatisierung der Agentur“ habe man die staatliche Manipulation wie in der NS-Zeit unmöglich gemacht, man habe so aber „nicht nur den Staat und die nach Majorisierung strebenden Standesgenossen (ausgeschlossen), sondern zugleich auch die gesamte Öffentlichkeit“. Die dpa sei damit nur so frei und unabhängig, wie ihre rund zweihundert Gesellschafter es wollten: „Diese rund zweihundert Gesellschafter bestimmen selber, was unter der ‚Unabhängigkeit‘ der ihnen gehörenden Agentur zu verstehen ist.“ Durch die maßgebliche Rolle des Chefredakteurs könnten die Verleger „mit der Besetzung eines einzigen Platzes bestimmen, wie die deutsche Presse informiert werden soll“. Dies sei gefährlich, denn „je weniger Journalisten ausgetauscht zu werden brauchen, desto leichter gelingt die Gleichschaltung“.

Damals gab es immerhin noch eine zweite, kleinere Nachrichtenagentur, den Deutschen Depeschendienst (ddp), der 2013 Insolvenz anmeldete. Der ddp beschäftigte zuletzt mehr als 140 fest Angestellte in den Bereichen Redaktion und Fotografie. Hinzu kamen ca. 350 freie Korrespondierende.

Ein großes Problem ist dabei sicherlich der massive Rückgang der Zeitungsauflagen und Einbrüche im Anzeigengeschäft, seit sich das Internet durchgesetzt hat. Das hat zu einer erheblichen Reduzierung der Beschäftigtenzahlen in den Redaktionen geführt. Damit stehen deutlich weniger Menschen für eine kritische Nachrichtenrecherche zur Verfügung und mehr und mehr Inhalte werden von dpa übernommen. Das betrifft auch die überregionalen Medien. Besonders massiv war die Frankfurter Rundschau betroffen, die sich früher als linksliberale überregionale Zeitung zu profilieren versuchte. Hier sank die Zahl der Beschäftigten von 2004 bis 2006 von 1.700 auf 750. Arbeiteten 2010 noch 170 Menschen in der Redaktion, so waren es 2013 nur noch 28.

Besser sieht es bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus, die allein in der Redaktion ihrer Sonntagszeitung 50 Beschäftigte zählt oder bei der Süddeutschen Zeitung, die allein in ihrer Online-Ausgabe auf 25 fest Beschäftigte und 10 mit Pauschal-Vertrag kommt.

Bei den Regionalzeitungen ist die Konzentration auf wenige Zeitungsgruppen wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Funke Mediengruppe oder die Rheinische Post Mediengruppe weit fortgeschritten. Das bedeutet, dass die einzelnen Zeitungen sich mehr oder weniger auf eine Lokalberichterstattung beschränken. Selbst Kommentare zu politischen Themen werden zunehmend innerhalb dieser Zeitungsgruppen vereinheitlicht, das heißt, im Wesentlichen in den kleineren Zeitungen vom größeren Blatt übernommen. Die Redaktionsarbeit außerhalb des Lokalteils beschränkt sich bei diesen Zeitungen mehr und mehr darauf, Beiträge der dpa und Kommentare der jeweiligen Leitmedien passend in die Seiten einzufügen.

Dass eine solche Praxis zunehmend zu einer vereinheitlichten Meinungsbildung führt, lässt sich vor allem bei den Themen Krieg, Frieden und Hochrüstung sowie Konfrontationspolitik statt Diplomatie feststellen.

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Otmar Steinbicker ist Redakteur des FriedensForums und von aixpaix.de