Usbekistan: Bundeswehr-Stützpunkte und Staatsterror

von Bernhard Clasen

Die mittelasiatische ehemalige Sowjetrepublik Usbekistan ist gewiss kein Hort der Demokratie. Geständnisse politischer Gefangener werden in der Regel mit Folter erpresst, das Land praktiziert als einziges GUS-Land auch heute noch die Todesstrafe, der Staatsterror schafft in der Bevölkerung ein Klima von Angst und Schrecken. Zahlreiche Männer und Frauen wurden in unfairen Prozessen wegen angeblicher Gewalttaten im Zusammenhang mit »Terrorismus« zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Unter Folterungen erpresste »Beweise« wurden Berichten zufolge routinemäßig vor Gericht zugelassen und der Grundsatz der Unschuldsvermutung durchgängig missachtet.

Usbekistan ist das einzige Land der GUS, in dem die Todesstrafe noch nicht abgeschafft ist. Nach Angaben von Präsident Karimow auf einer Pressekonferenz (Quelle: AI Jahresbericht 2005) sind 2004 zwischen 50 und 60 Todesurteile verhängt worden. Menschenrechtler gehen von wesentlich höheren Zahlen aus.

Zum Tode verurteilte Häftlinge und ihre Familienangehörigen werden nicht im Voraus über das Hinrichtungsdatum unterrichtet, die Bestattungsorte der Hingerichteten unterliegen der Geheimhaltung, was die Angehörigen einer grausamen und unmenschlichen Behandlung aussetzt.

Am 13. Mai 2005 wurden in der usbekischen Stadt Andischan mehrere hundert Menschen von den Sicherheitskräften getötet und Tausende verletzt. Die Hoffnungen der Menschen, die auf eine friedliche Revolution nach den Vorbildern in Georgien, Kirgisien und der Ukraine gehofft hatten, wurden unter Panzern und Maschinengewehren begraben. Westliche Regierungschefs, die noch auf Jugoslawien Bomben werfen ließen, um angeblich die Menschenrechte zu schützen, billigten durch ihr Schweigen das brutale Vorgehen der usbekischen Regierung.

Mehr noch: die Bundeswehr bildete usbekische Offiziere aus. Mindestens 78 usbekische Soldaten wurden bereits in Deutschland geschult. Das berichtet das ARD-Magazin MONITOR. Zwei dieser hochrangigen Militärs wurden nach ihrer Ausbildung Generäle der usbekischen Armee. Ob die in Deutschland qualifizierten Soldaten an dem Massaker unter Zivilisten in Andischan beteiligt waren, sei dem Bundesministerium für Verteidigung auf Anfrage von MONITOR bislang nicht bekannt.

Und auch die deutsche Regierung hat ja was zu verlieren. 300 Bundeswehrsoldaten sind in Usbekistan stationiert, angeblich im Kampf gegen den Terror. Die deutsche Regierung will den Luftwaffenstützpunkt im usbekischen Termez behalten, und da muss man beim Staatsterrorismus des usbekischen Regimes schon mal beide Augen zudrücken.

Nur wenig Menschen kämpfen in Usbekistan für Demokratie und Menschenrechte. Eine Vertreterin dieser Menschenrechtler ist Frau Tamara Chikunova.

Am Sonntag, den 25. September 2005 findet die sechste Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises an Tamara Chikunova aus Usbekistan statt.

Tamara Chikunova aus Usbekistan setzt sich mutig und ungeachtet persönlicher Risiken für die Anerkennung der Menschenrechte in ihrem Heimatland ein. Auch Drohungen und Repressalien der Behörden haben sie in ihrer Entschlossenheit nicht beirren können. Seit ihr Sohn unschuldig zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde, ist die Abschaffung der Todesstrafe und der Folter in Usbekistan zum wichtigsten Ziel ihrer Arbeit geworden. Deshalb gründete sie 2000 gemeinsam mit anderen Frauen, die ein ähnliches Schicksal erlitten hatten, die Menschenrechtsorganisation "Mütter gegen Todesstrafe und Folter". Die Organisation setzt sich unermüdlich für Menschen ein, die gefoltert oder zum Tode verurteilt wurden, klagt diese schweren Menschenrechtsverletzungen öffentlich an und bemüht sich um internationale Unterstützung für ihre Aktivitäten.

Zur Situation in Usbekistan sprach Bernhard Clasen mit der Preisträgerin
Frau Chikunova, Sie wurden dieses Jahr die Trägerin des Menschenrechtspreises der Stadt Nürnberg. Was bedeutet dieser Preis für Sie?

Für mich ist dieser Preis der Stadt Nürnberg eine große Ehre. Die Verleihung zeigt, dass mein Kampf gegen Folter und die Todesstrafe nicht nur für Usbekistan wichtig ist, er hat auch eine wichtige Bedeutung für die europäische Gemeinschaft. Dies zeigt, dass Europa, dass Deutschland nicht gleichgültig gegenüber den Problemen anderer Staaten, und insbesondere Usbekistans, einem Land, in dem die Menschenrechte nicht eingehalten werden, ist. Die Preisverleihung ist nicht nur eine große Ehre, sie ist auch eine große Verantwortung für meine Arbeit.

Sehen Sie in Usbekistan staatlichen und nichtstaatlichen Terror?

Angesichts des in Usbekistan herrschenden Staatsterrors gegenüber Andersdenkenden kann von einer Einhaltung der Menschenrechte auch nicht im Entferntesten gesprochen werden. Der nichtstaatliche Terror hat nicht die Ausmaße, wie man immer die internationale Gemeinschaft glauben machen will. In Usbekistan werden Menschen, die zur Opposition zählen, Menschenrechtler und religiöse Moslems, verfolgt. Was das Recht auf Leben angeht, gibt es gewisse Fortschritte, doch diese Fortschritte, so der Erlass des Präsidenten, werden erst am 1. Januar 2008, also in mehr als zwei Jahren, wirksam werden. Die Todesstrafe ist ein Gewaltakt des Staates, der sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Unweigerlich werden auch Unschuldige Opfer dieser Strafe. Da Fehler der Rechtsprechung nicht auszuschließen sind, besteht immer das Risiko Unschuldige zu bestrafen. Am 1.1.2008 soll die Todesstrafe in Usbekistan abgeschafft werden. Doch was ist in der Zeit bis zu diesem Datum? Hier ist ein Moratorium einzuführen. Denn nur mit einem Moratorium können wir jetzt gegen verhängte Gerichtsentscheidungen klagen, neue Gerichtsentscheidungen anstreben und das Leben von jungen Menschen retten, die zum Tode verurteilt sind oder noch zum Tode verurteilt werden können.

Wie ist es in Usbekistan um die Menschenrechte bestellt?

In Usbekistan sind die Menschenrechte Teil der Verfassung und des Strafprozesskodex, da Usbekistan 1995 das erste Protokoll des Internationalen Pakts zu bürgerlichen und politischen Rechten unterschrieben und ratifiziert hat. Doch in der Praxis werden diese Gesetze nicht angewandt, Menschenrechte wie Pressefreiheit, Freiheit der Glaubensausübung, Unschuldsvermutung, Existenz von freien und unabhängigen Gerichten, Recht auf Leben, Recht auf eine menschenwürdige Behandlung von Gefangenen etc. werden massiv verletzt.

Was für eine Unterstützung erwarten Sie sich als Menschenrechtlerin von der Gesellschaft in Deutschland, von deutschen Politikern?

Ich hielte es für wünschenswert, dass die deutschen Politiker und die deutsche Gesellschaft klar ihren Willen artikulierten und Usbekistan aufriefen, die Menschenrechte einzuhalten und ein sofortiges Moratorium für die Verhängung und Ausführung der Todesstrafe einzuführen.

Ist Ihrer Auffassung nach die Präsenz von deutschen Truppen in Usbekistan erforderlich?

Ich kann nicht sagen, dass die deutschen Truppen in Usbekistan nötig oder nicht nötig wären. Mir erscheint es nur merkwürdig, dass Usbekistan Amerika 180 Tage gegeben hat, um seine Truppen aus Usbekistan abzuziehen, zu den deutschen Truppen jedoch schweigt. Warum?

Offensichtlich scheint die Präsenz deutscher Truppen auf dem Territorium Usbekistans rein formal zu sein. Ich denke, wenn diese Truppen bei sich in Deutschland wären, würden sie mehr Nutzen bringen.

Weitere Informationen zur Preisträgerin auf: http://www.menschenrechte.nuernberg.de/
 

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt