Frauen für Frieden

Von der Vergangenheit lernen, die Gegenwart inspirieren und visionär für die Zukunft bleiben

von Heidi Meinzolt
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Das europäische Projekt „Women vote Peace“ (www.womenvotepeace.com) beschäftigte sich zwei Jahre lang mit der Aktualität der Forderungen von Frauen in unterschiedlichen historischen, geographischen und kulturellen Kontexten und fragte, was möglicherweise hätte vermieden werden können, wenn z.B. die bosnischen, ukrainischen und syrischen Frauen in die Friedensprozesse eingebunden worden wären. Wie viel kriegerisches Handeln hätte vermieden werden können, wenn die Aufrüstungsspirale nicht ständig aufgezogen würde?

Im Rahmen des von der Europäischen Kommission geförderten Projekts fanden Konferenzen, Seminare in Polen, Deutschland, Österreich, Großbritannien und Spanien statt. Filme und ein Buch sind entstanden.

Frauenfriedenskongress 1919
1919 versammelten sich 147 Frauen aus 15 Nationen in Zürich, nur fünf Monate nach dem Ende eines verheerenden Krieges. Schon 1915 in Den Haag hatte man sich darauf verständigt, sich gleich nach dem Ende des Krieges wieder zu treffen, um den Frieden mitzugestalten. Die Organisation trägt seitdem den Namen Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit/IFFF, englisch Women’s International League for Peace and Freedom/WILPF (www.wilpf.de ; www.wilpf.org) und ist bis heute aktiv.
Im Mai 1919 nach Zürich zu reisen, erforderte Mut und den ausgesprochenen Willen, zur Versöhnung beizutragen, um ein für alle Mal den Kreislauf der Bitterkeit und Rache zu verlassen.

Die Münchnerinnen Anita Augspurg, Lida Gustava Heymann und andere mussten sich mit einem Sonderpassierschein zum Hauptbahnhof durchkämpfen durch eine Stadt, in der die weißen Garden gerade die Revolution blutig niedergeschlagen hatten und bewaffnete Einheiten überall präsent waren. Der Zug war überfüllt, trotzdem trieb sie die Begeisterung an, nun endlich dieser Hölle entkommen zu sein und wieder Frauen zu treffen, die sich für Versöhnung und Gewaltfreiheit aussprachen. Sie brachten, ebenso wie ihre österreichischen, britischen, polnischen Kolleginnen das gerade errungene Frauenwahlrecht und revolutionäre Erfahrungen mit, was ihnen eine stärkere Stimme gegen Krieg und Gewalt und für die Mitwirkung von Frauen an der Zukunft einbringen sollte.

Manchen Frauen (US-Delegierten) wurde ein Einreisevisum verweigert, die Französinnen und Belgierinnen galten als „Verräterinnen“, wenn sie sich in Zürich mit den Friedensfrauen treffen wollten. Der Ungarin Rosika Schwimmer, vorher Erste Botschafterin ihres Landes in der Schweiz, blieb die Einreise untersagt, der Österreicherin Kulka sah man die Entbehrungen des Krieges an.

So forderten die Frauen gleich zu Beginn des Kongresses ein Aufheben der alliierten Hungerblockade. Die Frauen erörterten den Entwurf des Friedensvertrags und die Grundsätze für den Völkerbund, als Voraussetzungen, zukünftig Nationalismus zu überwinden und universelle Abrüstung und nachhaltigen Frieden zu ermöglichen und nicht durch alleinige Zuweisung der Kriegsschuld neue Kriege heraufzubeschwören. Welche Weitsichtigkeit angesichts des schnell aufkeimenden Faschismus in der Folgezeit.

Eine der wichtigsten Forderungen waren natürlich die politischen Rechte sowie die soziale und wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen. Diskutiert wurde engagiert über Gewaltfreiheit und Antirassismus. Man wusste sich einig über die fehlende Diplomatie und den Friedenswillen der Männer. Militarismus, unabhängig davon, ob sich eine Gesellschaft im Krieg befand oder nicht, bedeutete immer die Unterwerfung von Frauen, da er auf dem Argument der Gewalt gegen die Vernunft beruhte. Das Geld, das für den Aufbau des Militärs ausgegeben wurde, leitete Mittel aus Bereichen der sozialen Wohlfahrt ab, die für Frauen ebenso wie Bildung, Gesundheit und Umwelt wichtig sind. „Die Wirtschaft muss den Bedürfnissen der Menschen dienen, und nicht denen von Profit und Privilegien!“ (Lida Gustava Heymann 1915). Das klingt auch nach über 100 Jahren feministischen Engagements sehr aktuell für uns!

Die Frauendelegation wurde in Versailles nicht vorgelassen. Das Ergebnis des von den Männern der Siegermächte ausgehandelten „Friedensvertrags“ trug erkennbar den Keim des kommenden Krieges.

Frauenfriedenskonferenz 2019
Was macht es für einen Sinn, sich 100 Jahre später mit diesem Kongress zu befassen? Zumindest ein Grund ist, zu fragen und Bilanz zu ziehen, ob die Frauen mit ihren Forderungen letztlich erfolgreich waren? Ja und Nein!

In 100 Jahren feministischen Kampfes wurde eine Menge erreicht: Das Frauenwahlrecht ist eine Selbstverständlichkeit – auch wenn ein gleichberechtigter Zugang zu Wahlen nicht überall gewährt ist, die Anzahl weiblicher Abgeordneter im Parlament teilweise rückläufig ist und fast nirgends auf der Welt 50% erreicht. Gender-Mainstreaming hat Eingang in viele Leitlinien und in die politische Praxis gefunden – aber ein Gender Pay Gap und ein Defizit bei der Besetzung von Spitzenpositionen durch Frauen bleiben. Frauenrechte sind als Menschenrechte anerkannt – aber in der Umsetzung gerade sexueller und reproduktiver Rechte hapert es, und lange als gesichert geglaubte Rechte werden nun wieder einem neo-konservativen Familienbild geopfert. Die Frauen-Frieden-Sicherheitsagenda, die auf Partizipation, Schutz und Konfliktprävention setzt, ist von der UNO als Instrument, nachhaltige Entwicklung und Frieden zu fördern, allmählich anerkannt .

Viele der Forderungen der frühen Frauenbewegung sind aber weit entfernt von einer adäquaten Umsetzung. Sie bleiben eine Vision, die inspiriert und eine Veränderungsdynamik antreibt, z.B. im Sinne einer feministischen Außenpolitik: Abrüstung, Stopp von Waffenhandel und Priorität für Konfliktprävention, gleichberechtigte Teilnahme an den Friedenstischen, ein Verständnis von Sicherheit als umfassende menschliche Sicherheit, die Klimagerechtigkeit, Zugang zu Ressourcen und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verteidigt gegenüber kapitalistischer wachstumsorientierter Interessen und Ausbeutung, die Care und Gemeinwohlorientierung ins Zentrum rückt, und immer wieder Friedenserziehung.

Ein Kongress 2019, verstanden als Reenactment des Kongresses vor 100 Jahren in Zürich, machte es noch einmal klar: das Engagement der Frauen für Frieden und Gerechtigkeit geht weiter. Die Workshops, die zu den Vereinten Nationen, zu Gewalt gegen Frauen, zu Umwelt und Klimagerechtigkeit und zum Frauen-Wahlrecht lange „to-do“ Listen erarbeitet haben, zum Abschluss von großartigen jungen feministischen Aktivistinnen vorgetragen wurden und in einem Buch ihren Niederschlag gefunden haben, sprechen hier eine deutliche Sprache.

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