Warnung vor neuen nuklearen Weltraummissionen

von Regina Hagen

Am 1. Juli 2004 schwenkte die umstrittene Weltraumsonde Cassini/Huygens in eine Umlaufbahn des Planeten Saturn ein. Sie hat damit ihr Missionsziel erreicht und das glücklicherweise ohne Unfall. Das gemeinsame Projekt der US-amerikanischenund europäischen Weltraumagenturen NASA und ESA wurde bei seinem Start 1997 von weltweiten Protesten begleitet, weil zur Energieversorgung der Sonde mehr als 30 kg Plutonium an Bord sind.

ESA wurden damals über 10.000 Protestunterschriften zugestellt, in den USA wurde ein Gerichtsverfahren gegen den Start angestrengt, und Demonstranten versuchten, auf das Startgelände Cape Canaveral vorzudringen, um den Start zu verhindern. Jetzt warnt das Global Network Against Weapons andNuclear Power in Space vor neuen, noch größeren nuklearen Weltraummissionen.

Wenn wir die beeindruckenden Bilder der Saturn-Mission sehen, sollten wir daran denken, welche Gefahr der Weltbevölkerung im Namen der Weltraumforschung zugemutetwird. Das Plutonium von Cassini hätte 1997 bei einem Startunfall oder 1999 durch einen unbeabsichtigten Wiedereintritt beim erneuten Vorbeiflug an der Erde in die Erdatmosphäre gelangen können. Der renommierte US-Physiker Michio Kaku wies damals auf Fehler in den NASA-Sicherheitsstudien hin und errechnete, dass dabei Tausende von Krebstoten riskiert wurden.

Kritiker warnten damals davor, dass Cassini der Türöffner für weitere Weltraummissionen mit nuklearer Energie sein könnte, auch solche der Militärs. Und genau das tritt jetzt ein. Bestes Beispiel: das NASA-Programm Prometheus. In dessen Rahmen sollen sowohl Raketenantriebe auf der Basis von Atomreaktoren als auch leistungsfähige nukleare Energiequellen (Atomreaktoren und Plutoniumgeneratoren) für die Stromversorgung von Raumfahrzeugen und bemannten Mond- oder Marsstationen entwickelt werden. Entsprechende Vorbereitungen werden bereits für einen Flug zum Jupitermond getroffen. Der Start der Sonde mit dem Namen JIMO (Jupiter Icy Moons Orbiter) ist in etwa 10 Jahren geplant. Für die von US-Präsident George W. Bush medienwirksam angekündigten Landung von Menschen auf dem Mars wird ebenfalls auf nukleare Raketenantriebe gesetzt - nur so lässt sich die Flugzeit der Astronauten auf eine vertretbare Dauer verkürzen.

Auch in Europa ist der Einsatz von Nuklearenergie in der Raumfahrt leider kein Tabu mehr. Die europäische Raumfahrtorganisation ESA schließt in ihrer StudiePropulsion 2000 den Einsatz von nuklearen Antrieben nicht aus. Der italienische Physiker Carlo Rubbia schlägt gar den Einsatz des radioaktiven Stoffes Americium vor, das noch gefährlicher ist als Plutonium.

In Dokumenten des US-Militärs, beispielsweise der Studie New World Vistas der US Air Force, wird der Einsatz von Kernenergie im Weltraum gepriesen "als die natürliche Technologie, die es ermöglicht, den hohen Energiebedarf von Weltraummissionen zu decken." Auch die Raketenabwehrpläne von US-Präsident Bush, die u.a. Laserwaffen in der Erdumlaufbahn vorsehen, lassen Schlimmes befürchten.

Werden die Pläne umgesetzt, müssen wir mit Unfällen rechnen. Regina Hagen hat recherchiert und kam zu folgendem Ergebnis: Bei insgesamt 71 Weltraumstarts war bislang Nuklearmaterial an Bord. Bei zehn davon traten massive Probleme auf, bis hin zur schwerwiegenden Unfällen. Bei mindestens der Hälfte dieser Fälle wurde radioaktives Material freigesetzt, entweder in der Atmosphäre oder über Land. Darüber hinaus umkreisen einige hundert Kilogramm Plutonium und eine Tonne Uran in stillgelegten Satelliten die Erde auf Umlaufbahnen, die langfristig den Absturz der Nuklearmaterialien auf die Erde garantieren.

Nicht vernachlässigt werden dürfen auch Gefährdungen bei der Herstellung: Selbst wenn die geplanten Kernreaktoren erst im Weltraum angeschaltet würden, müssen sie auf der Erde entwickelt und gebaut werden. Dabei besteht eine erheblicheGefahr von Strahlenunfällen.

Oft wird Kernenergie eingesetzt, wo sie nicht notwendig ist. Die Heilbronner Firma ASE hat bereits vor Jahren Solarzellen für tiefe Weltraummissionen entwickelt. Mit ihnen hätte, bei einem anderen Design, selbst die Cassini-Sonde ohne Plutoniumbatterien zum Saturn fliegen können. Wenn NASA jetzt sogar für künftige Mars-Lander an Nuklearenergie denkt, so ist dies vollkommen überflüssig. Ein Scheibenwischer für die Solarzellen oder ein Schüttelmechanismus könnten z.B. die Solarpanele der Fahrzeuge auf ungefährliche Weise vom Marsstaub reinigen. Überdies sollten sich die Weltraumagenturen besser auf Möglichkeiten der Stromeinsparung besinnen anstatt jetzt neue stromfressende Instrumente zu entwickeln. Ein entsprechendes Forschungsprojekt, das vor einigen Jahren an der Technischen Universität Darmstadt durchgeführt wurde, kam zu positiven Resultaten.

Auf Missionen, bei denen es zur Zeit keine Alternativen zum Einsatz vonNuklearenergie gibt, wie etwa einen Flug zum Pluto, sollen die Wissenschaftler verzichten! Wir schlagen vor, statt dessen zu warten, bis ungefährliche Methoden der Energieerzeugung im Weltraum gefunden werden. Die Erforschung des Weltraumsrechtfertig nicht die Gefährdung des Lebens auf der Erde. Die Planeten umkreisen auch noch in hundert Jahren die Sonne.

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund

Themen

Sprecherin der Kampagne "Büchel ist überall – atomwaffenfrei.jetzt“ und ehemals verantwortliche Redakteurin der Quartalszeitschrift "Wissenschaft & Frieden".