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Ein subjektiver Bericht über die Demonstration am 15.11.23 am Brandenburger Tor
Wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor
vonBei dem Kongress „Frieden schaffen ohne Waffen“ am 01.10.23 wurde der Vorschlag einer bundesweiten Demonstration anlässlich der Haushaltsverhandlungen im deutschen Bundestag gemacht. Die „Ukraine-Initiative Die Waffen nieder“ organisierte die Demonstration am 25.11.23 und verfasste einen Aufruftext. Darin geht es um die immensen Rüstungsausgaben, die im Widerspruch stehen zur notwendigen Abrüstung und zum Bedarf bei Sozialem, Bildung und Klimaschutz. Es wurde Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung gefordert und eine sofortige Beendigung der Eskalation. Die Gewalttaten der Hamaskämpfer vom 07.10.23 und die Gewalt seitens des israelischen Militärs in Gaza und im Westjordanland waren zur Zeit der Aufruferstellung noch nicht absehbar.
Der Aufruf wurde von vielen Organisationen und Einzelpersonen unterschrieben. Andere aus der Friedensbewegung sowie Gewerkschaftskreisen, die den Impuls zu einer Demonstration begrüßten, aber mit einzelnen Formulierungen nicht einverstanden waren oder ihren eigenen Akzent setzen wollten, verfassten eigene Aufrufe, die auf der Webseite der Veranstalter *innen veröffentlicht wurden.
Die Demonstration selber war aus meiner Sicht gut gelungen. Die Stimmung habe ich als ruhig und fast ein wenig gedrückt empfunden. Besonders berührt hat mich der Anblick von zwei jungen Menschen mit traurigem Gesichtsausdruck, die mit roten Abdrücken von Kinderhänden auf die Kinder aufmerksam machten, die im Krieg zum Opfer werden.
Viele Plakate, die ich gesehen habe, forderten Abrüstung und Verhandlungen, wandten sich gegen Doppelstandards, forderten Maßnahmen gegen die Klimakrise. Junge Menschen habe ich vor allem in gewerkschaftlichen Blocks gesehen, bei der Sozialistischen Arbeiterjugend und in einer Gruppe, die mit „Palästinatüchern“ und Bildern von Melonen Unterstützung von Palästinenser*innen forderten.
Der Ukrainekrieg und der Gazakrieg spielten sowohl auf Plakaten als auch in den Reden eine wichtige Rolle. Der Stopp von Waffenlieferungen wurde gefordert und stattdessen Diplomatie, Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen. Die Journalistin und Publizistin Krone-Schmalz trug vor, dass der Kampf um Demokratie nicht (mit Waffen) im Ausland geführt werde, sondern innerhalb der Landesgrenzen. Sie nutzte die Formulierung „Krieg ist das Kriegsverbrechen“. Wagenknecht sprach in ihrem ersten Teil für meinen Geschmack recht viel auf der Ebene der Parteien.
Der ehemalige Diplomat der Vereinten Nationen Michael von der Schulenburg verwies darauf, dass alle Beteiligten den Gewalteinsatz moralisch begründen und das Recht auf ihrer Seite verorten, was die politische Lösung zunehmend schwierig mache. Die weltweiten Rüstungsausgaben hätten sich seit Ende des Kalten Krieges verdoppelt, die Waffen würden immer zerstörerischer („Intelligente“ Atombomben, Tarnkappentechnologie, Hyperschallraketen usw. …). Gleichzeitig seien alle Rüstungsbeschränkungen und alle vertrauensbildenden Maßnahmen aufgegeben worden.
Der stellvertretende Parteivorsitzende der Linken Ates Gürpinar bezeichnete sich selbst als Pazifist, und betonte die Notwendigkeit, alle Kriegsdienstverweiger*innen zu unterstützen, was mir natürlich gut gefiel.
Am Schluss sprachen Iris Hefets von der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost und Nadja Samour, eine Anwältin aus Berlin. Sie kritisierten die israelische und die deutsche Regierung und stellten dies in einen historischen, auch psychoanalytisch gedeuteten Zusammenhang. Als Deutsche ohne internationale Familiengeschichte hätte ich wohl kritische Worte zum Hamasangriff ergänzt, kann aber ihren anderen Zugang mit ihren Erfahrungen, ihrer Verzweiflung und Betroffenheit sehr gut akzeptieren.
Explizite Abgrenzungen gegen rechte Tendenzen und Rassismus habe ich in mehreren Reden gehört, besonders vom Bundesvorsitzenden der NaturFreunde Deutschlands, Michael Müller, verbunden mit Beifall der Demonstrationsteilnehmer*innen. Auf der Webseite der Demonstration gibt es auch einen Passus dazu. Dort finden sich zudem viele internationale Grußworte, zum Beispiel aus Russland von Oleg Bodrov (Vorstand International Peace Bureau), der eindringlich die Situation der kritischen russischen Zivilgesellschaft schildert, den geplanten russischen Militärhaushalt mit 39% des Staatshaushalts beziffert und dafür wirbt, die Mauern auf beiden Seiten, von Westen wie von Osten, niederzureißen.
Ich persönlich empfand die Meinungsunterschiede zu anderen Teilnehmer*innen nicht größer als bei anderen Friedensdemonstrationen, an denen ich im Laufe der letzten zwanzig Jahre teilgenommen habe, insbesondere habe ich keine rechte Unterwanderung wahrgenommen. Ich bin froh, bei der Demonstration dabei gewesen zu sein.
Susanne Grabenhorst ist Ärztin für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Mönchengladbach und Mitglied der deutschen Sektion der IPPNW und eine der Sprecher*innen der Kooperation für den Frieden.