Redebeitrag von Dietrich Lau (IPPNW) und Ute Rippel-Lau für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung am 5. August 2017 in Wedel

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Freunde,

zunächst danke ich Ihnen - auch im Namen der IPPNW- hier sprechen zu dürfen.

Nach den soeben gehörten, sehr bedrückenden Zeitzeugen-Berichten ist es allerdings doch sehr ermutigend, 72 Jahre nach Beginn des nuklearen Zeitalters von einer historischen Entscheidung der Vereinten Nationen in New York berichten zu können.

Während die Welt am 07.07.2017 auf den G20-Gipfel in Hamburg schaute, spielte sich bei den Vereinten Nationen in New York wahrhaft Historisches ab:

122 Staaten, von denen die meisten in Hamburg nicht mit am Tisch sitzen durften, beschlossen ein umfassendes Atomwaffenverbot.

Das völkerrechtlich verbindliche Abkommen verbietet neben der Herstellung, dem Einsatz und Besitz auch die Drohung mit einem Atomschlag, sowie die Stationierung von Atomwaffen in anderen Staaten.

Nach Jahrzehnten stockender Abrüstung sendeten damit 2/3 aller Staaten eine deutliche Botschaft an die Atomwaffenstaaten: die internationale Staatengemeinschaft akzeptiert den Sonderstatus der Atommächte nicht länger. Im Atomwaffensperrvertrag von 1968 verpflichten sich auch die Atomstaaten, nuklear vollständig abzurüsten, allerdings ohne Terminvorgabe.

Die UNO-Botschafter von USA, Frankreich und Groß-Britannien erklärten umgehend, ihre Staaten beabsichtigten nicht, jemals dem Vertrag beizutreten, denn er sei unvereinbar mit der Politik der nuklearen Abschreckung.

Dagegen geben bei Befragungen (z. B. Forsa) 93 % der Befragten an, für ein Atomwaffenverbot zu sein. Auch der evangelische Kirchentag hat sich im März 2017 dafür ausgesprochen.

Mit der Delegitimierung der „nuklearen Abschreckung“ hat der Vertrag auch Konsequenzen für die Deutsche Bundesregierung: Das Atomwaffenverbot läutet das Ende der Abschreckungspolitik ein, denn die Stationierung von US-Atomwaffen auf deutschem Boden ist mit dem Vertrag nicht vereinbar.

Sobald der Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert ist, handelt die Bundesregierung mit der nuklearen Teilhabe der NATO und der Verfügung über US-Atomwaffen in Büchel in der Eifel gegen geltendes Völkerrecht. In Büchel lagern zur zeit ca. 20 US-Atomwaffen, die mit deutschen Piloten und mit deutschen Tornados ggf. eingesetzt werden sollen. Anstelle von Abrüstung ist sogar vorgesehen, sie zu „modernisieren“,d.h. sie mit Lenkwaffen auszurüsten.Das würde die Hemmschwelle des Atombombeneinsatzes wegen der punktgenauen Einsatzmöglichkeiten herabsetzen.

Es existieren übrigens bereits verschiedene atomwaffenfreie Zonen und Erdteile:

Seit 1967 Südamerika, seit 1995 Südostasien und seit 1996 Afrika.

Südafrika hat mit der Etablierung einer demokratischen Regierung freiwillig seine 6 Atomwaffen verschrottet.

Die internationalen Ärzte für die Verhinderung des Atomkrieges IPPNW und die Internationale Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen ICAN sehen in dem Vertrag einen historischen Durchbruch. Das Verbot schließt eine völkerrechtliche Lücke, die über Jahrzehnte offen klaffte.

Biologische Waffen sind seit 1972 weltweit verboten, chemische Waffen seit 1993, Landminen seit 1997, Streumunition seit 2008.

Obwohl die Atomwaffenstaaten, ebenso wie die meisten Nato-Staaten die Verhandlungen boykottiert haben, wird der Vertrag Wirkung entfalten.Er delegitimiert und stigmatisiert den Besitz von Atomwaffen und erhöht damit den Druck zur Abrüstung.

Zusammenfassend kann man sagen: mit dem Vertrag vollzieht sich eine historische bWende in der Nuklearpolitik. Erstmalig rücken die menschliche Sicherheit und die katastrophalen humanitären Folgen von Atomwaffen ins Zentrum der Diskussionen.

Atomare Abrüstung ist künftig keine Frage, die Atomwaffenstaaten unter sich ausmachen können. Sie betrifft uns alle.

Meine Frau wird jetzt weitere Einzelheiten des beschlossenen Vertrages erläutern, der wahrhaft historisch ist.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

Teil 2, gehalten von Ute Rippel-Lau

Atomwaffenverbotsvertrag

Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons (TPNW) Unter maßgeblicher Beteiligung Österreichs arbeiten seit 2007 ICAN, die internationale Kampagne zur Ächtung von Atomwaffen, die IPPNW und viele Friedensorganisationen daran, die Bedrohung durch Atomwaffen auf die politische Agenda zu setzten.Schließlich gelang im Herbst 2016 der Durchbruch:

die UN-Vollversammlung beschloß gegen den großen Widerstand der Atommächte und auch gegen den Widerstands Deutschlands, im März diesen Jahres Verhandlungen zu einem umfassenden Atomwaffenverbot aufzunehmen.

Nach der 2.Verhandlungsrunde wurde am 7.7.2017 der fertig ausgehandelte Vertrag unter der Leitung der Präsidentin Elayne Whyte Gómez aus Costa Rica beschlossen:

122 Staaten (2/3 Mehrheit der UNO-Staaten) stimmten für den Verbotsantrag, mit einer Enthaltung (Singapur)und einer Nein-Stimme (Niederlande als einzig teilnehmendes Nato-Land).

Der Vertrag wird ab dem 20.September 2017 zur Unterzeichnung freigegeben. Nach der Unterzeichnung und Ratifizierung von mindestens 50 Staaten wird er in Kraft treten.

Ich beginne zunächst mit der Präambel:

Absicht des Vertrages ist ein rechtsverbindliches Verbot von Atomwaffen, mit dem Ziel ihrer vollständigen Beseitigung, überprüfbar und unumkehrbar.Der Vertrag ist universell mit dem Ziel des Beitritts aller Staaten.

In der Präambel wird ein Bezug hergestellt zu der 1. Resolution der Generalversammlung am 24. Januar 1946 , in der bereits die Beseitigung der Kernwaffen gefordert wird.

Es wird erinnert an das große Leid und den Schaden, der den Atombombenopfern (Hibakusha) und den Opfern von Atomwaffenversuchen, besonders den indigenen Völkern zugefügt wurde.

Es wird betont, dass jeder Einsatz von Kernwaffen gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts verstößt: — das Verbot von Waffen, die unnötiges Leiden verursachen— die Wahrung der Regeln der Verhältnismäßigkeit— das Verbot unterschiedsloser Angriffe auf die Zivilbevölkerung und den Schutz der natürlichen Umwelt.

Die Präambel erinnert an Gefahren, die von der bloßen Existenz von Kernwaffen ausgehen — durch Unfall, Fehleinschätzung oder vorsätzlichen Akt.

Sie benennt die katastrophalen Folgen für Gesundheit, Umwelt, Ernährungssicherheit ,Weltwirtschaft und die Gesundheit zukünftiger Generationen und die unverhältnismäßig starke Betroffenheit von Frauen und Kinder durch ionisierende Strahlung Sie betont die Rolle und das Interesse der Zivilgesellschaft an der vollständigen Beseitigung der Kernwaffen, insbesondere das Interesse der internationalen Rotkreuz-und Rothalbmond-Bewegung, der Vereinten Nationen, internationaler und regionaler Organisationen, NGO’s, Religionsvertreter und nicht zuletzt der Atomopfer (Opfer von Atombomben und Atomtests)

Zum Vertrag im Einzelnen:

Der Vertrag enthält ein umfassendes Verbot und Ächtung von Atomwaffen.

Verboten ist: das Entwickeln, Testen, Produzieren und Herstellen, Aneignen, Besitzen, Lagern, der Transfer, die Instandhaltung, Weitergabe, Hilfe zu diesen Aktivitäten, der Einsatz von Atomwaffen, sowie seine Androhung.

Der Vertrag lässt unterschiedliche Möglichkeiten zum Beitritt zu. Ein bestehender Atomwaffenstaat kann erst seine Atomwaffen eliminieren und dann dem Vertrag beitreten (destroy and join) oder beitreten (Join and destroy) unter der Verpflichtung ,seine Waffen in einem bestimmten Zeitraum zu zerlegen.

Da auch die Stationierung von Atomwaffen auf fremden Territorium untersagt ist, fällt auch die nukleare Teilhabe der Nato-Staaten unter das Verbot. Diese Staaten müssten im Falle eines Beitritts innerhalb eines bestimmten Zeitraumes den Abzug der Atomwaffen von ihrem Territorium veranlassen.

Die Überprüfung des Atomwaffenverzichtes wird wie beim Atomwaffensperrvertrag durch Abkommen mit der IAEO geregelt.

Durch die Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Verhandlungen ist es gelungen, alle Staaten zur Sorge für die Opfer von Atomwaffeneinsätzen und Tests und für die Umweltsanierung zu verpflichten.

Dies ist ein großer Erfolg, da den sicherheitspolitischen Aspekten erstmals humanitäre und ökologische gegenüber gestellt werden.

Die Staaten verpflichten sich zu angemessener Hilfe einschließlich medizinischer Versorgung, Rehabilitation, psychologischer Unterstützung, sozialer und wirtschaftlicher Inklusion. Sie verpflichten sich zu geeigneten Maßnahmen zur Sanierung der Umwelt der kontaminierten Gebiete.

Vor 7 Jahren, am 26.03.2010 gab es einen einen einstimmigen Bundestagsbeschluss aller Parteien— Zitat: „den Abzug der Atomwaffen mit Nachdruck zu verfolgen“. Geschehen ist seither nichts! Im Gegenteil!

Welche Bedeutung hat der Vertrag für die Abrüstung?

Entscheidend ist die Änderung des Diskurses, der bisher hauptsächlich durch die Atommächte bestimmt wurde.

Zum erstem Mal haben sich jetzt die Nicht-Atomwaffenstaaten zusammengetan und damit gezeigt, dass sie der nuklearen Aufrüstung der Atommächte nicht mehr tatenlos zusehen wollen. Die nukleare Abschreckung als Kern der herrschenden Militärdoktrin wird in Frage gestellt. Es werden nicht nur die Waffen selbst, sondern auch ihr geopolitischer Missbrauch angeprangert.

Auch bei den Bemühungen um die Eliminierung von chemischen und biologischen Waffen waren das völkerrechtliche Verbot ein erster und wichtiger Schritt.Es ist das Ziel, Druck auf die Atommächte auszuüben und sie in den Vertrag einzubeziehen.

Von Seiten der Bundesregierung wird geäußert, dieser Vertrag widerspreche dem Atomwaffensperrvertrag.Das Gegenteil ist der Fall. Er bleibt weiter in Kraft. Nur war die dort verankerte Abrüstungsverpflichtung bisher nicht sehr erfolgreich. Sie wird mit dem Verbotsvertrag noch weiter konkretisiert und geht deutlich darüber hinaus.

Durch die völkerrechtliche Ächtung von Atomwaffen hat auch die Zivilgesellschaft ein weiteres Instrument in der Hand, Kreditinstitute, Banken und Versicherungen dazu zu drängen, nicht mehr in die Produktion von Atomwaffen zu investieren.

Dass die Bundesregierung den Verhandlungen ferngeblieben ist, widerspricht dem immer wieder geäußerten außenpolitischen Selbstverständnis als fördernde Kraft des Völkerrechtes und einer friedensstiftenden Weltordnung.Der Boykott der Verhandlungen schadet der Glaubwürdigkeit Deutschlands in der nuklearen Rüstungskontrolle.

Aber Deutschland hält weiter an der nuklearen Teilhabe der Nato fest, obwohl sich 85% der Bevölkerung für einen Atomwaffen- Abzug aus unserem Land aussprechen!

Lassen Sie uns das Wahljahr dazu nutzen, öffentlich Druck zu machen:

Setzten Sie sich gegenüber Ihren Wahlkreisabgeordneten dafür ein, dass die Bundesregierung den Verbotsantrag in ihrer nächsten Legislaturperiode unterstützt und die verbliebenen Atomwaffen aus Deutschland abzieht.

(Es liegen von der IPPNW dazu Postkarten aus, die mitgenommen werden können, um sie an die Abgeordneten zu verschicken.)

Vielen Dank !

 

Dr. Dietrich Lau und Ute Rippel-Lau sind beide aktiv bei der IPPNW.