Redebeitrag von Helmut Welk bei der Hiroshima Gedenkveranstaltung "Nacht der 100.000 Kerzen” am 5. August 2017 in Wedel

 

- Es gilt das gesprochene Wort-

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

mit dem Abwurf der Atombomben im August 1945 auf Japan, wollten die USA den zweiten Weltkrieg möglichst schnell beenden. Aus militärischer Sicht, bestand aber zu dem Zeitpunkt keine Notwendigkeit, diese Bomben einzusetzen, weil die Kapitulation Japans absehbar war.

Der schnell herbeigeführte Sieg über Japan sollte das Eingreifen der Sowjetunion, sowie es die Verabredungen der Alliierten vorsahen, zuvorkommen bzw. ausbremsen.

Ziel war es, der Sowjetunion bei den Kapitulationsverhandlungen mit Japan, keinen Einfluss auf die Nachkriegsentwicklung des Landes zu ermöglichen – so wie es 1945 in Deutschland der Fall war.

Außerdem wollten die USA ihre Weltmachtstellung, die sie als Sieger zugeschrieben bekamen und damit Ihre militärische Überlegenheit, durch den Besitz und den Einsatz der Atombomben demonstrieren.

Durch den Verlauf des Zweiten Weltkriegs kam es zu globalen Machtverschiebungen. Der Aufstieg von USA und Sowjetunion brachte eine Systemkonfrontation hervor, die im „Kalten Krieg” zu einem unvorstellbaren atomaren Wettrüsten führte. Die Atomwaffenarsenale wuchsen auf über 65.000 Sprengköpfe.

Der „Kalte Krieg” nahm einige Male einen äußerst bedrohlichen Charakter an, sodass die Möglichkeit eines „heißen” Krieges näher rückte. Aber zwischen den heißen Phasen kam es auch zu Perioden der Entspannung. In diesen Entspannungsphasen gelang es die Atomwaffen wieder um 40.000 Waffen zu reduzieren.

Der Stärke der Sowjetunion war es oft geschuldet, dass den westlichen Möglichkeiten, eigene Interessen gewaltsam durchzusetzten, lange relativ enge Grenzen gesetzt waren.

Zur Zeit des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan heizten die USA deshalb ein milliardenschweres Wettrüsten an mit dem erklärten Ziel, die Sowjetunion durch die steigenden Militärausgaben wirtschaftlich in die Knie zu zwingen.

Viel Aufsehen erregte 1983 Reagens Ankündigung des SDI-Projektes, das bei einer Realisierung hunderte Milliarden Dollar verschlungen hätte. Geplant waren Laser- und atomare Waffen, die aus dem Weltraum heraus den Gegner angreifen sollten.

Durch den Afghanistankrieg 1979, in den sich die Sowjetunion hineinziehen ließ und einiger Hochphasen des Wettrüstens, wurde die Sowjetunion wirtschaftlich so geschwächt, dass u.a. diese finanziellen Überlastungen mit zu ihrem raschen Ende beigetragen haben.

Der Zerfall der Sowjetunion und damit das Ende der Blockkonfrontation anfang der 1990er Jahre, ebnete den USA (jetzt als einziger Weltmacht) den Weg für eine offensive globale Neuausrichtung.

In einem geheimen No-Rivals-Plan, der Anfang 1992 an die Öffentlichkeit gelangte, zeigte sich die neue Globalstrategie.

Der Aufstieg (bzw. der Wiederaufstieg) eines Rivalen sollte mit allen Mitteln verhindern werden. Die US-Vorherrschaft gegenüber Russland, China aber auch gegenüber konkurrierenden Verbündeten wie Deutschland und der Europäischen Union wollte man zementieren.

Spätestens mit den Kriegen gegen Jugoslawien und im Nahen Osten versuchten die USA, gezielt das Gewaltmonopol außerhalb der UNO für sich zu etablieren.

Obwohl der internationale Gerichtshof den Ersteinsatz und die Drohung mit Atomwaffen verurteilt, bekräftigte USPräsident G.W. Bush 2003 in der Nationalen Sicherheitsstrategie den präventiven Ersteinsatz mit Atomwaffen.

Der ABM-Vertrag über die Entwicklung, Stationierung und Begrenzung von Raketenabwehrsystemen, wurde 2001 einseitig von der US-Regierung aufgekündigt, und es wurde gleichzeitig mit der Entwicklung neuer Raketenabwehrsysteme begonnen.

Umfangreiche Modernisierungen der US-Atomwaffen wurden beschlossen, deren Umsetzungen sich bis heute hinziehen.

Mit ihrem weltweiten militärischen Eingreifen versuchen die USA, die beiden wichtigsten Mächte, Russland und China, unter Druck zu setzen.

Diese Staaten treten nämlich seit 2001, mit der Gründung des BRIC-Staatenbundes, zu dem heute Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika gehören, für ein Gegenmodell zur westlich/amerikanischen Vorherrschaft ein – also, für eine multipolare Welt.

Die US-Kriege verursachen billionenschwere Staatsausgaben. Der Rüstungshaushalt der USA klettert auf jährlich 700 Milliarden Dollar (im Vergleich dazu: Russland 70 Mrd. und China 215 Mrd. Dollar). Die US-Staatsverschuldung liegt mittlerweile bei 20 Billionen Dollar. Das übersteigt mittelfristig selbst ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten – trotzdem setzen sie alles daran, ihre Weltmachtstellung zu erhalten.

Erst mit Obama schien es zunächst so, als wende sich das Blatt. Das START-Atomwaffenabkommen aus dem Jahre 1991, das für die USA und Russland die strategischen Atomwaffen auf jeweils 6.000 begrenzte, lief aus. Dadurch fielen aber auch die gegenseitig vereinbarten Kontrollsysteme über die Atomwaffenarsenale weg. Damit dies weiterhin möglich blieb, einigte man sich 2010 doch noch auf einen neuen Abrüstungsvertrag. Dieser sieht vor, dass die strategischen Atomwaffen beider Seiten von jeweils 6000 auf 1550 reduziert werden. Erschwert wurden die Verhandlungen durch das amerikanische Festhalten am ihrem weltweiten Raketenabwehrprojekt.

Russland befürchtet, dass diese Raketensysteme, die u.a. in Europa stationiert werden, russische Interkontinentalraketen neutralisieren sollen. Man glaubt, die USA beabsichtigen, das derzeitige Gleichgewicht zu unterlaufen und so eine militärische Überlegenheit herzustellen.

Angesichts der Erstschlagsmöglichkeiten, die ein Raketenabwehrsystem bietet, ist dies ein reales Bedrohungsszenario.

Hinzu kommt, dass die USA seit vielen Jahren unter dem Stichwort „Prompt Global Strike” an der Möglichkeit arbeiten, strategische Schläge mit interkontinentalen Raketen und konventionellen bunkerbrechenden Waffen, durchführen zu können. Außerdem haben sie bei der Entwicklung von Tarnkappenflugzeugen und anderen Waffentechniken einen nicht unerheblichen Vorsprung.

Der neue START-Abrüstungsvertrag wurde von Moskau deshalb nur mit Vorbehalt ratifiziert. Wenn die Bedrohungssituation nicht zurückgefahren wird, kann der Abrüstungsvertrag wieder gekündigt werden.

Außerdem ist zu befürchten, dass die USA die europäische Osterweiterung der NATO nutzen werden, um auch hier ihre Raketensysteme zu installieren. So entsteht, Stück für Stück, ein neuer Belagerungsring an den russischen Grenzen.

Die Eskalationen 2009 in Georgien und seit 2014 in der Ukraine, sowie das Durchführen von NATO-Großmanövern in den Baltischen Staaten, Polen und im Schwarzen Meer, sind Muskelspiele im neuen „Kalten Krieg”.

Damit soll vor allem die Bevölkerung in den osteuropäischen Länder von der Bedrohung durch Russland überzeugt werden, damit sie den Aufstellungsplänen der US-Raketensysteme perspektivisch zustimmt.

In der Monatszeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik werden regelmäßige Meinungsumfragen veröffentlich. In der aktuellen Ausgabe wurde eine Umfrage des Forsa-Instituts zu den außenpolitischen Prioritäten vorgestellt. Danach wollen 63 Prozent der befragten Bundesbürger eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland.

Die Ablehnung für ein neues Wettrüsten dürfte sicherlich noch viel höher ausfallen.

Das bietet uns als Friedensbewegung die Möglichkeit, eine neue Entspannungspolitik zu fordern und durchzusetzen.

"Give Peace a chance!”