Redebeitrag von Lars Pohlmeier (IPPNW) für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung am 6. August 2017 in Brement

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Raus aus der Bedrohung: Atomwaffen werden verboten.“

 

Regierungen sagen, ein Vertrag zur Abschaffung von Atomwaffen sei unwahrscheinlich. Glaubt ihnen nicht. Sie haben das gleiche über den Landminen-Verbotsvertrag gesagt.“

Jody Williams, Friedensnobelpreisträgerin

 

Meine Damen und Herren, liebe Freunde,

Regierungen haben gesagt, die Abschaffung der Sklaverei sei nicht möglich. Wir haben ihnen nicht geglaubt. Regierungen haben gesagt: Deutsche und Franzosen seien Erbfeinde. Wir haben ihnen zu lange geglaubt. Heute sind Deutsche und Franzosen Freunde.

Ich bin gebeten worden, heute am Gedenktag zu den Abwürfen der Atombomben auf Hiroshima am 6. August und Nagasaki (am 9. August 1945) einen ermutigenden Vortrag zu halten.

Ist so etwas überhaupt möglich in unserer Welt? Ist so etwas überhaupt angemessen? Ist Hoffnung und Optimismus heute überhaupt noch begründet?

Ja, optimistisch zu sein ist angemessen, es ist möglich - und es ist notwendig. Und warum Optimismus begründet ist, möchte ich gleich zeigen, wenn ich von den aktuellen Verhandlungen über den Atomwaffenverbotsvertrag bei den Vereinten Nationen berichte. Denn es ist in diesem Sommer ein Atomwaffenverbot verhandelt worden.

Aber zunächst zurück zum Gedenken an Hiroshima und und die Opfer des Atomzeitalters. Das Erinnern ist wichtig, um mit dem Kopf und mit Herzen zu verstehen, worum es geht. Bei der Frage der Atomwaffen geht es um alles, was uns lieb ist.

Hiroshima und Nagasaki: Beide Städte wurden 1945 total zerstört. Etwa 200.000 unschuldige Menschen sind in Hiroshima und in Nagasaki in Sekundenschnelle verglüht, verbrannt, zertrümmert, verstrahlt oder massiv verletzt worden. In den folgenden Wochen und Monaten ging das Sterben von Hunderttausenden weiter.

Heute gibt es 17.000 Atomwaffen gibt mit einer unvorstellbar höheren Sprengkraft als der in Hiroshima. Zu über 90 Prozent sind sie in den Händen der unverantwortlichen US-Administration und Rußlands. Hiroshima ist eine Mahnung an die Welt: Einen Atomkrieg darf es nie geben!

Mein erster Besuch des Friedensparks in Hiroshima vor 5 Jahren hat mich sehr berührt. Der Friedenspark ist der Ort, in dem die Atombombe am 6. August 1945 um 8:15 Uhr bei blauem Himmel an einem schönen Sommertag gezündet wurde.

Mir gingen und gehen nahe die Geschichten der einzelnen Menschen. Ich denke an den Vater einer 12-jährige Tochter, der über Jahre jeden Tag hoffte, seine geliebtes Kind würde aus der Schule doch noch nach Hause kommen.

Ich denke auch die anderen Opfer des Atomzeitalters mit seinen 2000 Atomtests. Ich denke an die Frauen aus Kasachstan, die Kinder und Männer verloren haben als Folgen der Atomwaffentests. Ich denke an Menschen in den USA, denen es so erging. Und ich denke an einen kleinen Jungen aus Nordkorea, mit dem ich 2006 in Pjöngjang beim Besuch einer Schule Fußball gespielt habe. Ob er wohl heute Soldat sein muß?

Dies Menschen sind für mich Brüder und Schwestern, und ihr Schicksal ist für mich eine Aufforderung, nicht nachzulassen im Einsatz für Abrüstung und die Sache des Friedens.

„Wenn Ghandi und Martin Luther King heute leben würden, sie wären Teil der internationalen Kampagne zu Abschaffung der Atomwaffen." Das hat der bekannte US-Schauspieler Martin Sheen gesagt.

Aber es braucht vor allem uns selbst, uns Bürger, klein und groß, nah und fern.

Ja, ich könnte jetzt berichten über die Debatte einer EU-Atombewaffnung unter deutscher Führung, von geplanten deutschen Atom-U-Booten in der Ostsee oder von den irrsinnigen US-Atomwaffen- Aufrüstungsprogrammen. Ich könnte auch von absurden russischen Phantasien zur atomaren Aufrüstung berichten.

Aber lieber erzähle ich von der unglaublichen Erfolgsgeschichte, die in diesen Wochen einen fast unvorstellbaren Höhepunkt erlebt hat: Dem Abschluß eines UN-Vertrags zum Verbot von Atomwaffen, der am 7. Juli 2017 von 122 Staaten der Welt verabschiedet wurde.

Den Weg zu diesem besonderen Tag in New York City habe ich über lange Jahre aus erster Hand begleiten dürfen. In meiner Studentenzeit in Boston wohnte bei Merav Datan, die als Völkerrechtlerin seinerzeit wirklich Tag und Nacht als Co-Autorin an einem Modellvertrag zur Abschaffung von Atomwaffen arbeitete. Dieses Dokument wurde später offizielle UN-Dokument, allerdings nicht als Vertrag verabschiedet.

2006 starteten die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges - IPPNW, die INTERNATIONALE KAMPAGNE ZUR ABSCHAFFUNG VON ATOMWAFFEN. Es war der Versuch, neue Bündnispartner für die Abrüstungsarbeit zu gewinnen - z.B. das Internationale Rote Kreuz - und über die Nutzung neuer sozialer Medien einen breiten und jungen Kreis an Menschen jenseits der traditionellen Friedensbewegung anzusprechen. Stiftungssgelder aus Australien und später die norwegische Regierung sorgten für eine rasanten Start.

Im März 2013 wurde die Sache ernst. 500 Menschen aus aller Welt fanden sich zu einer Friedenskonferenz in Oslo zusammen. Dies geschah im Vorfeld einer internationalen Regierungskonferenz über humanitäre Folgen von Atomwaffeneinsätzen. Ziel war es, außerhalb der Blockade-Situation bei den Vereinten Nationen eine Abrüstungsdebatte neu zu beginnen. Der Erfolg von Oslo führte zu Folgekonferenzen in Mexiko und Wien. Unsere Experten aus den Reihen der Friedensbewegung haben an prominenter Stelle teil- und Einfluß genommen. Ein wunderbares Beispiel von Miteinander von unabhängiger zivilgesellschaftlicher Expertise und gutwilliger Regierungsverantwortung. Und letztlich stellten die mexikanische und die österreichische Regierung die Gretchenfrage: Ende der Debatte oder Beginn von Vertragsverhandlungen bei den Vereinten Nationen.

Und so gingen die mehr als 120 Regierungen in den Ring und erreichten in der Nacht zum 24. Dezember 2016 einen UN-Generalversammlungsbeschluß, Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag im Jahre 2017 zu beginnen und zu einem Abschluß zu bringen.

Dieser Vertrag wird ab dem Herbst 2017 den Mitgliedsländern der Vereinten Nationen zur Ratifizierung vorgelegt.

Die Atomwaffenstaaten, allen voran die USA noch unter Obama, hatten es nicht geschafft, die Verhandlungen zu verhindern. Sie haben gemeinsam mit den meisten NATO-Mitgliedsstaaten die Verhandlungen im Verlauf boykottiert. Auch die Bundesregierung hat unter fadenscheinigen Gründen nicht teilgenommen. Wir werden hart arbeiten müssen, die Bundesregierung zur Teilnahme am Vertrag zu bewegen und unser eigenes Land aus dieser unerträglichen völkerrechtlichen und moralischen Isolation zu führen.

Die vielen friedensbewegten Menschen, die oft lokal nur in kleinen Gruppen agieren und dafür allzuoft sogar verhöhnt werden, haben über viele Ländergrenzen hinweg hier sehr viel erreicht.

Darauf dürft auch Ihr hier in Bremen dankbar und auch stolz sein.

Keine Frage: Es bleibt noch sehr viel Arbeit für uns. Und die Zeit läuft. Aber es können nur wir gewinnen. Denn der Sieg der anderen wäre letztlich unser aller Verderben in einem globalen atomaren Inferno.

Und weil der Text des jetzt am 7. Juli 2017 beschlossenen UN-Vertrags zum Verbot von Atomwaffen so schön ist, bitte ich die Bremer Schülerinnen Celine Helbing und Katharina Pohlmeier, wenige zentralen Sätze des UN-Vertrages zum Verbot von Atomwaffen zum ersten Mal öffentlich in Bremen vorzutragen.

UN Vertrag zum Verbot von Atomwaffen

Präambel

alle Vertragsstaaten zu diesem Vertrag,

sind entschlossen, den den Zielen und den Prinzipien der Vereinten Nationen zu dienen, sind tief besorgt über die humanitären Konsequenzen, die durch den Einsatz von Atomwaffen entstehen würden. Sie erkennen an, dass deshalb die Notwendigkeit zur vollständigen Abschaffung dieser Waffen besteht. Die vollständige Abschaffung der Atomwaffen ist der einzige Weg, um zu garantieren, dass diese Waffen niemals und unter keinen Umständen mehr eingesetzt werden.

und weiter heißt es an zentraler Stelle:

Verbote

Jede Vertragspartei unternimmt niemals und unter keinen Umständen Anstrengungen,

a) Atomwaffen zu entwickeln zu testen zu produzieren, herzustellen oder anders zu erwerben oder diese zu besitzen.

d) Atomwaffen zu benutzen um andere Staaten zu bedrohen.

g) die Stationierung von Atomwaffen auf dem eigenen Territorium zu erlauben.

Alle Instrumente um, einen kontrollierte und überprüfbare Abschaffung von Atomwaffen zu gewährleisten, sind heute vorhanden. Wenn unsere Regierungen etwas anderes behaupten, glaubt ihnen nicht !

 

Dr. med. Lars Pohlmeier ist aktiv für die IPPNW (Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg) Regionalgruppe in Bremen.