Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2022 in Kassel

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

haben die verantwortlichen Politiker der Atommächte und ihre Verbündeten aus der Atombombenkatastrophe gelernt?

Nein! Das ist die Situation heute:

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Angst vor einem Atomkrieg wieder größer geworden. Zumal der Krieg in der Ukraine und die Drohung der russischen Regierung mit dem Einsatz von Atomwaffen die Lage deutlich verschärft haben. Dabei hatten die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat, die auch die führenden Atommächte sind, Anfang Januar die Deklaration von Gorbatschow und Reagan von 1985 bekräftigt. „Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf deshalb niemals geführt werden.“ Diese Erklärung steht im krassen Widerspruch zur Tatsache, dass alle Atommächte ihre Arsenale erweitern und modernisieren, letzteres mit dem Ziel, sie rascher und zielgenauer einsetzen zu können.

Die Verpflichtungen der Atomwaffenstaaten zur Abrüstung, die sich aus dem Atomwaffensperr-Vertrag von 1970 ergibt, wurden seit 50 Jahren nicht erfüllt. Auch die 10. Überprüfungskonferenz, die zur Zeit in New York stattfindet, kann keine atomare Abrüstung feststellen. Und wenn die dort anwesende deutsche Außenministerin für atomare Abrüstung kämpfen will, stellt sich die Frage, wie passt das mit dem Kauf von atomwaffenfähigen F 35-Kampfjets durch die Bundesregierung zusammen? Dagegen setzten 122 Staaten 2017 im Rahmen der Vereinten Nationen mit ihrem Beschluss zum Atomwaffenverbots-Vertrag einen deutlichen Kontrapunkt. Der Vertrag trat am 22. Januar 2021 in Kraft. Und was macht Deutschland?

Bei der Ende Juni stattgefundenen Staaten-Konferenz zum UN-Atomwaffenverbot war die Bundesregierung als Beobachter vertreten, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Die damit verbundenen Hoffnungen wurden jedoch nicht im Geringsten erfüllt, denn auch die neue Bundesregierung will dem Atomwaffenverbots-Vertrag nicht beitreten. Sie hält daran fest, sich an der nuklearen Drohung der US-Amerikaner zu beteiligen, was als „nukleare Teilhabe“ bezeichnet wird. Das bedeutet: Kein Abzug der in Büchel/Eifel gelagerten US-Atombomben, Kauf von atomwaffenfähigen F 35-Kampfjets, die die bisherigen deutschen Tornado Kampfflugzeuge ersetzen sollen, mit denen die Luftwaffe der Bundeswehr jährlich den Transport und den Abwurf von Bomben übt.

Seit letztem Jahr wird die Entwicklung eines neuen Luftkampfsystems (FCAS) als deutsch-französisches Großprojekt gefördert. Das besteht aus Kampfbombern mit Atombewaffnung und autonomen Kampfdrohnen als Begleitschutz. Wieweit sich dieses Projekt durch den Kauf der F 35-Kampfjets erübrigt, ist völlig offen. Angesichts der Hochkonjunktur für Rüstungslobbyisten in Politik und Wirtschaft ist zu befürchten, dass es bei der Aufrüstung auch bei dieser Frage keine Grenzen gibt. Dies alles steht im totalen Widerspruch zur Aussage der Bundesregierung, sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen zu wollen.

Das Festhalten der Bundesregierung an der atomaren Teilhabe soll der Abschreckung dienen. Dabei machen Atomwaffen die Welt unsicherer, sowohl in eskalierenden Situationen als auch „aus Versehen“. So sind die in Büchel gelagerten US-Atombomben ein potentielles Angriffsziel und eine riesige Gefahr für Deutschland.

137 deutsche Städte und 4 Bundesländer haben den ICAN-Appell gegen die Atomwaffen bereits unterzeichnet. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, den Atomwaffenverbots-Vertrag zu unterzeichnen. Auch eine große Mehrheit der Bundesbürger ist für den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbots-Vertrag. Dieser Schritt würde im Interesse der Menschen sein, die Glaubwürdigkeit des Landes verbessern und einen wichtigen Beitrag zur nuklearen Abrüstung leisten.

Schaffen wir die Atomwaffen ab, bevor sie uns abschaffen!

Vielen Dank.