Redebeitrag von Michael Stiels-Glenn für den Ostermarsch Ruhr in Gelsenkirchen am 1. April 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

„Wer sich des Vergangenen nicht erinnert, ist verurteilt, die Geschichte noch einmal zu erleben!“ (Santayana)

Hier, wo wir uns versammelt haben, wird an die erinnert, die schon vor 1933 gewarnt haben: Wer Hindenburg wählt, der wählt Hitler! Wer Hitler wählt, der wählt Krieg!

Viele haben diese Warnungen nicht ernst genommen. Viele dachten, mit Hitler sei es nach wenigen Monaten vorbei. Aber dieser Spuk war nicht vorbei! Und in den Konzentrationslagern und Folterkeller waren die gefangen, die zu lange das Trennende über das Gemeinsame gestellt hatten. Und erst in den Lagern, als Verfolgte und Widerstandskämpfer, schwor man sich, in Zukunft bei den wichtigen Fragen von Frieden und Demokratie trotz unterschiedlicher Meinungen zusammenzuarbeiten. Die Namen der Nazi-Konzentrationslager hinter mir erinnern an den hohen Preis, den diese Männer und Frauen zahlen mussten.

Nur diesen Antifaschisten ist es zu verdanken, dass Deutschland nach 1945 wieder einen Platz in der Familie der Völker bekam.

Wir wollen der Verfolgten gedenken, die wegen ihrer Rasse, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugungen und wegen ihres Eintretens für Bedrängte und die sozialen und politischen Rechte verfolgt, eingesperrt und gefoltert, von Nazi-Juristen verurteilt und umgebracht worden sind. Wir wollen auch Widerstandskämpfer gedenken, die ihre Angst überwanden und dem Unrechtsregime etwas entgegengesetzt haben – und die heute nur zu oft vergessen werden, wenn über die Verbrechen des faschistischen Deutschlands reduziert wird auf die Shoa, den Holocaust.

Das soll nicht vergessen werden, aber es gilt auch, die Erinnerung an die Menschen wachzuhalten, die um ihrer politischen Überzeugung und ihrer Aktivitäten willen verfolgt wurden.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Häufig gibt es auf Demonstrationen wenig Erfreuliches zu berichten. Deshalb fange ich mal mit was Erfreulichem an:

Am 10. Dezember 2017 wurde der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen – ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) der Friedensnobelpreis verliehen.

Wir Friedensfreunde Dülmen haben ICAN Deutschland gratuliert.

Quatsch sind Sprüche wie: Wir sind Papst! Wir sind Weltmeister! Dazu hat keiner der Leute, die das sagten, etwas beigetragen.

Aber richtig ist: WIR alle, Friedensbewegung, sind Träger des Friedensnobelpreises!

ICAN und die IPPNW, das Bündnis „Bürgermeister für den Frieden“ und für alle, die wir zum Teil seit Jahrzehnten für den Frieden auf die Straße gehen.

Wir haben deshalb den Friedensnobelpreis für ICAN mit einem großen Infostand in der Dülmener Stadtmitte gefeiert – auch weil wenige Tage vorher unser Stadtrat mit den Stimmen aller Ratsparteien beschlossen hat, den „Bürgermeistern für den Frieden“ beizutreten – Dülmen, in der die CDU die größte Partei im Rat ist.

Wir feiern, dass der UN-Vertrag für ein völliges Atomwaffenverbot auf dem Weg ist. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, weil der alte Atomwaffensperrvertrag die bestehenden Atomwaffenarsenale nicht angreift.

Und schon bin ich im politischen Getümmel

US-Präsident Trump plant moderne kleinere Atombomben mit der wahnsinnigen Begründung: Die bisherigen könne man nicht einsetzen, weil die zu groß sind. Die Abschreckung erfordere Atombomben, die eingesetzt werden können.

Trump will Atomkrieg wieder führbar machen, für ihn ist Hiroshima damit wieder eine Option. Der Protest dagegen war bei den NATO-Partnern sehr verhalten.

Als der russische Präsident Putin Anfang März erklärte, Russland werde darauf passend antworten durch Raketen, die auch bei einem hochmodernen westlichen Raketenschutzschild ihre Ziele finden, heulte der Westen auf: Putin drohe mit der Atomkeule.

Genau das ist die wahnsinnige „Logik“ der Aufrüstung!

  • Jeder Versuch, Sicherheit auf Kosten bzw. unter Ausschluss einer Seite herzustellen,
  • jeder Versuch, durch modernere, schnellere Waffen mehr Sicherheit herzustellen, zieht auf der anderen Seite entsprechende Reaktionen nach sich.

Unter dem Strich werden Vorwarnzeiten immer kürzer, wachsen Risiken unbeabsichtigter Angriffe, sinkt die Sicherheit für ALLE Beteiligten.

Aufrüstung ist gefährlich, sie kostet uns alle ein Wahnsinnsgeld – und sie ist dumm:

Paul Watzlawik: Wer als Werkzeug nur einen Hammer besitzt, für den ist jedes Problem auf der Erde ein Nagel!

Wer sich also auf Rüstung stützt, wer die andere Seite ökonomisch „totrüsten“ will, der lässt eine Option weg, die in den 1970er Jahren sehr erfolgreich war:

Miteinander reden und verhandeln!

Die KSZE, der Vertrag von Helsinki und die daraus entstandene OSZE haben viele Abrüstungsverträge vorbereitet, verhandelt und überwacht. Die Osterweiterung der NATO hat all diese Erfolge zunichte gemacht.

Für uns, für die Millionen kleiner Leute, die NIE am Krieg verdient haben, kann es deshalb nur eine einzige Option geben:

  • Miteinander reden – Gespräche ohne jede Vorbedingung (die hat die NATO nämlich);
  • Sich gegenseitig über Rüstung, Truppenbewegungen und Manöver informieren und die andere Seite zu Inspektionen einladen;
  • Verhandeln mit dem Ziel von Rüstungsbegrenzung und Abrüstung.

Weil wir den neuen UNO-Vertrag zum völligen Verbot aller Atomwaffen unterstützen, verlangen wir von der Bundesregierung, dass die letzten 20 Atombomben am Militärflugplatz Büchel in der Eifel abgezogen werden.

Die USA planen stattdessen, diese Atombomben zu modernisieren. Und die Bundesregierung protestiert nicht dagegen. Sie lässt weiterhin Piloten der Luftwaffe trainieren, wie man diese Atombomben sicher abwirft.

Damit muss Schluss sein. Die Bomben müssen zurück in die USA. Und wie in den letzten Jahren wird die Friedensbewegung wieder für 20 Wochen Büchel blockieren. Daran können sich alle beteiligen.

Ein Wort zu Dülmen in der westfälischen Provinz

Demilitarisierung in den 1990er Jahren (Barbara-Kaserne, Borkenberge und Geisheide, Visbeck, die britische Rheinarmee räumt die Tower Barracks in Dülmen)

2016 vergab die BundesImmobilienAgentur (BImA)die leerstehenden Gebäude der Briten an die US-Army. Das „Dülmen Army Depot“ beherbergt gepanzerte Militärfahrzeuge, Waffen und Ausrüstung für eine komplette US-Kampfbrigade mit 4.200 Soldaten.

Die Lagerverwalter gehören zur 405. AFSB, das sind alles studierte Logistiker. Normale Spediteure haben gelernt, Waren möglichst rasch von A nach B zu bringen. Diese US-Militärs tun das, was NATO-Generalsekretär Stoltenberg so formulierte:

Wir müssen die richtigen Waffen und Truppen in der richtigen Stärke zur richtigen Zeit am richtigen Ort haben!

Und so halten diese Spediteure von Zerstörung und Tod ihre Waffen stets einsatzbereit, ihre Tanks gefüllt für den Einsatz im Baltikum. Ganze 72 Stunden brauchen sie, um die tödliche Fracht auf den Weg in den Osten zu bringen.

Wir hören seit 70 Jahren immer: Die NATO verteidigt sich nur! Und seit 75 Jahren sitzt der Angreifer im Osten. Ist der Russe so dumm, dass er mit dem Angriff darauf wartet, bis dass der Westen noch besser gerüstet ist?

Wer Krieg führen will, braucht Waffen! Und die hält die US-Army bei uns stets einsatzbereit. In Dülmen beginnt Krieg!

Wir setzen dagegen unser Projekt „Friedensstadt Dülmen“! Wir sind nicht GEGEN etwas, sondern FÜR eine friedliche Stadt, für offene Informationen und Gespräche, für Verhandlungen.

Und wir reden mit allen, auch mit dem Dutzend amerikanischer Spezialisten. Warum sollten wir das nicht tun? Wenn wir erwarten, dass Russen und NATO miteinander sprechen, dann machen wir das auf örtlicher Ebene auch. Wir fragen, wir fordern,

aber seit das US-Waffendepot existiert, geben wir keine Ruhe mehr: Die Friedensfrage taucht fast einmal wöchentlich in der Lokalpresse auf.

Wir haben vor wenigen Tagen zum 2. Mal in zwei Jahren an die Toten bei der Bombardierung Dülmens gedacht. War 2017 der DGB der alleinige Veranstalter, so waren es 2018 ganz offiziell in einem Bündnis mit uns die Stadt Dülmen, der DGB, beide Kirchen, und ALLE Parteien im Stadtrat. An der Gedenkfeier nahmen XXX Menschen teil, es sprach ein syrischer Flüchtling zu uns Deutschen.

Unsere Zeitzeugen konnten berichten, was Waffen aus den 1930ern und 1940ern an Schäden anrichteten. Aber diese Zeitzeugen werden betagt und sie sterben; das ist traurig, aber das gehört zum Lauf der Zeit.

Die Geflüchteten brauchen nicht nur unsere Unterstützung und Solidarität! Sie können uns etwas lehren! Sie sind heute Zeitzeugen, Experten. Sie können uns berichten, was ein moderner Krieg, ein Krieg mit lasergesteuerten Waffen, mit Drohnen, mit Cruise missiles, mit Kampfhubschraubern für die Zivilbevölkerung bedeutet. Deshalb möchte ich Euch alle ermutigen, die Geflüchteten mit zur Friedensarbeit einzuladen.

Angesichts geradezu hysterischer Töne, des Säbelrasselns um einen vergifteten Spion, bei dem die NATO von Russland eine Erklärung fordert, weisen wir darauf hin, wie bedroht heute der Friede ist. Die Kommentatoren schreiben von einem neuen Kalten Krieg – einem Krieg, in dem die Tatsachen das erste Opfer sind. Wir alle haben die Kraft, uns dieser Gefahr entgegenzustellen:

Wir fordern von der neuen Bundesregierung

  • Verweigern Sie sich nicht länger dem neuen UN-Atomwaffenverbotsvertrag! Unterschreiben Sie ihn sofort!
  • Fordern Sie die USA auf, ihre 20 Atombomben aus Büchel abzuziehen!
  • Verzichten Sie auf jede weitere Erhöhung des Rüstungsetats! Abrüsten statt Aufrüsten!
  • Sorgen Sie dafür, dass deutsche Firmen wie Rheinmetall keine Waffen exportieren oder sogar im Ausland Waffenfabriken errichten, um die deutschen Exportbeschränkungen zu umgehen.

 

Michael Stiels-Glenn ist aktiv bei den „Friedensfreunden Dülmen“.