Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2022 in Büchel

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

heute vor 77 Jahren, am 6. August 1945 wurde die japanische Stadt Hiroshima Ziel des ersten Atombombenabwurfs. Drei Tage später, am 9. August, wurde auch die Stadt Nagasaki getroffen. Damals starben etwa 92.000 Menschen sofort, 130.000 weitere Menschen starben bis zum Jahresende an den Folgeschäden.

Die Gründe für den Abwurf beider Atombomben durch die damalig US-Regierung sind bis heute umstritten. Denn die Niederlage Japans stands bereit fest. Die militärische Notwendigkeit war zweifelhaft.

So muss sich die USA den Vorwurf gefallen lassen, dass politische Gründe, nämlich eine Demonstration der Stärke gegenüber der Sowjetunion während der Potsdamer Verhandlungen, eine wichtige Rolle gespielt haben mag. Wir wollen jetzt der Opfer gedenken, der Opfer von Hiroshima und Nagasaki, das drei Tage später zerstört wurde.

Gedenkminute

Wir stehen heute vor den Toren des Atomwaffenstandort in Büchel. Unser Ziel ist, dass Atomwaffen vollständig abgeschafft werden. Obwohl nun schon so viele Jahre vergangen sind, bleiben wir stark, entschlossen und beharrlich. Daran kann und wird uns niemand hindern, weder die Regierungen der fünf offiziell anerkannten Atomwaffenstaaten USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China, noch die Regierungen der NATO -Staaten wie unsere Bundesregierung und auch nicht die Regierungen der vier nicht anerkannten Atomwaffenstaaten Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea.

Wir fordern von allen diesen Staaten, dass sie u.a. auf die Produktion, auf den Einsatz, auf die Stationierung von Atomwaffen zu verzichten. So wie es in dem neuen Atomwaffenvertrag vorgesehen ist. Der Atomwaffenverbotsvertrag, das ist unser Werk, das Werk der weltweiten Friedenbewegung. Ich wiederhole es immer und immer wieder: Ohne uns, die weltweite Friedensbewegung, zusammengeschlossen in der Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN, ohne uns hätten noch so kluge Diplomaten, wie der Österreicher Alexander Kmennt, die UN-Staaten nicht von der Notwendigkeit eines Atomwaffenverbots überzeugen können. Wir sind stolz und glücklich, dass der Atomwaffenverbotsvertrag2021 in Kraft getreten ist. 66 Staaten sind Vertragsstaaten geworden. Aber Deutschland fehlt.

Und wir sagen es zum wiederholten Male, an diesem Standort, wo geschätzt 20 Atomwaffen gelagert sind: Auch diese Atomwaffen werden komplett an die USA zurückgegeben werden. Die Menschen in Büchel und die Menschen in Deutschland brauchen keine einzige Atomwaffe.

Denn Atomwaffen und mit ihnen die Drohgebärde der nuklearen Abschreckung, schaffen weder Frieden noch Sicherheit. Im Gegenteil: Der Besitz von Atomwaffen erhöht das Eskalationspotential, wie uns der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gezeigt hat.

Auch dass Atomwaffen allein der Abschreckung dienen würden und dass kein Staat sie jemals einsetzen würde, diese Aussage ist Selbstbetrug. Es gibt keine höhere Instanz, die einen Präsidenten daran hindern wird, Atomwaffen einzusetzen. Bisher, also seit 1945, hatten wir Glück, dass es nicht zu einem erneuten Einsatz gekommen ist.

Zwei wichtige Konferenz zu Atomwaffen haben stattgefunden: die ersten Überprüfungskonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag in Wien und jetzt die Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York

Viele Menschen und nicht wenige Politker:innen verwechseln diese beide Verträge, denn die Materie ist kompliziert. Der Wichtigste Unterschied: Der Atomwaffenverbotsvertrag zeigt den Weg zum kompletten Atomwaffenverbot. Der Nichtweiterverbreitung vertrag hingegen hat das Ziel, den Machtstatus der fünf Atomwaffenstaaten in der UNO, das sind die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China, zu zementieren. Diese fünf Staaten sind die Veto -Staaten in der UNO. Sie wollen ihre Macht behalten. Atomare Abrüstung steht nicht auf ihrer Agenda.

Welche konkreten Forderungen hat die Friedensbewegung für die NVV -Konferenz: in New York?

Völkerrecht:

Außenministerin Baerbock hat in ihrer Rede in New York die Rückkehr zu einer regelbasierten Ordnung angemahnt. Das geht nur über das Völkerrecht. Es gibt zwei international und völkerrechtlich gültige Vertragswerke in Bezug auf Atomwaffen:

Der AVV, er hat ein international gültiges Atomwaffenverbot zum Ziel, Alle bisher 66 Vertragsstaaten haben sich auf dieses Ziel verpflichtet. Der NVV – der Nichtweiterverbreitungsvertrag hingegen, zementiert die Macht und den Status der fünf Atomwaffenstaaten in der UNO. Das sind die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Der Vertrag richtet sich gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen.

Was wir aber brauchen ist ein Atomwaffenverbot für alle Staaten unserer Erde. Nur so, kann ein Atomkrieg verhindert werden.

Deutschland muss daher für die Anerkennung des Atomwaffenverbotsvertrags von der Konferenz werben. Das gilt besonders in aller Atomwaffenstaaten. Denn bisher tun die Atomwaffenstaaten so, als gäbe es diese neue Norm des Völkerrechts gar nicht. Sie haben versucht, den Vertrag zu ignorieren. Wir fordern Frau Baerbock also auf, alles dafür zu tun, dass der AVV und die neue Norm des Atomwaffenverbots gestärkt wird.

Frau Baerbock hat die Opferbeihilfe für die Opfer der über 2000 Atomtests in ihrer Rede angesprochen sowie die Umweltsanierung. DA müssen jetzt konkrete Schritte folgen, dass tatsächlich ein Fonds aufgelegt wird. Das also eine Umsetzung erfolgt, Ideen alleine reichen nicht.

Völkerrechtswidriger Angriffskrieg auf die Ukraine:

Zusammen mit 16 weiteren Friedensnobelpreisträgerinnen mit einem Appell an Russland und an die USA gewandt. Beide Staaten sollen erklären, dass sie auf den Ersteinsatz mit Atomwaffen verzichten. für diesen Appell haben wir über eine Million Unterschriften gesammelt.

Auch wenn Verhandlungen mit Russland sehr schwierig sind, so ist das Ziel Verzicht auf einen Ersteinsatz mit Atomwaffen doch ein übergeordnetes humanitäres Ziel, um einen Atomkrieg zu verhüten. Angesichts der Tatsache, dass jetzt Getreidelieferungen möglich geworden sind, so könnte auch ein Verzicht auf einen Ersteisatz bei entsprechendem politischem Willen möglich sein.

China hat letztes Jahr im Herbst einen solchen Vorschlag gemacht. Die Bundesregierung könnte – zusammen mit Präsident Macron China als Vermittler in dieser Sache ansprechen.

Nukleare Teilhabe. Atomwaffen in Büchel:

Wir verlangen schon lange den Abzug der Atomwaffen in Büchel. Atomwaffen in Büchel machen uns zum Ziel für russische Angriffe. Auch modernisierte amerikanische Atomwaffen können uns nicht schützen. Niemand kann in einem Atomkrieg geschützt werden. Deshalb sprechen wir uns auch gegen den Kauf der neuen F 35 Atombomber aus.

Vielen Dank

[Ende der Rede]

 

[Zweiter Teil des Beitrages für die Diskussion mit den Teilnehmenden]

Ich freue mich auf eine spannende Diskussion mit ihnen allen, für die ich einigen Vorschläge mitgebracht habe:

Auf der Staatenkonferenz in Wien verabschiedeten die Vertragsstaaten verabschiedeten eine politische Erklärung und einen Aktionsplan.

In der politischen Erklärung verurteilten sie unmissverständlich alle expliziten und impliziten Drohungen mit Atomwaffen, unabhängig von den Umständen. Sie zeigten sich bestürzt und alarmiert
über Androhungen eines Einsatzes von Atomwaffen.

Ich möchte die unterschiedlichen Aufgaben, die vor uns liegen einmal, einmal nach folgenden Kategorien unterteilen:

Die Atomwaffenstaaten – weltweit: Was fordern die Vertragsstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags und die internationalen NGO’s wie ICAN und IPPNW von den fünf Atommächten?

No first use: Eine rechtsverbindliche Erklärung, dass die fünf Atomwaffenstaaten auf einen Ersteinsatz mit Atomwaffen verzichten

Eine Anerkennung des Atomwaffenverbotsvertrags in der Abschlusserklärung der die in etwa lauten könnten: wir Staaten der NVV-Konferenz sehen im Atomwaffenverbots-vertrag ein völkerrechtlich wirksames Instrument für konkrete Schritte zur nuklearen Abrüstung. Nach Art. VI des NVV-Vertrags. Auch wenn auf dieser Konferenz keine einstimmige Erklärung realistisch erscheint, so könnte eine Mehrheitserklärung ein wichtiger Schritt für nukleare Abrüstung darstellen. Die Bundesregierung muss sich auf der Konferenz für eine Stärkung der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle einsetzen. Dazu reichen die bisherigen Worte der Außenministerin nicht aus, sie sind zu unverbindlich. Es fehlt der Schritt, den Atomwaffenverbotsvertrag in seiner Bedeutung für das Völkerrecht und in seiner neuen Normgebung zu nuklearer Abrüstung anzuerkennen.

Die Bundesregierung hat auf der Staatenkonferenz zu Verbotsvertrag gesagt, dass sie erwägt, sich für einen Fonds für Opferhilfe (für die Opfer der Atomwaffentests) und Umweltsanierung einzusetzen

Die NGO’s auf der Überprüfungskonferenz versuchen durch side-events unsere Meinung zu Gehör zu bringen.

Europa: Atomwaffenstaaten im NATO -Bündnis und Russland im Kontext des Ukraine-Krieges

Nukleare Teilhabe, Abzug der US-Atomwaffen in Europa

Dieses Thema wird vorwiegend in verschiedenen NGO -kreisen diskutiert. Die einzelnen Organisationen stehen in ihrer Zusammenarbeit am Anfang. Der Aktionstag in Büchel am 5. September letztes Jahr war ein sehr guter Auftakt dazu, beteiligt waren Niederland, Belgien und Italien. Doch schwierig ist ein Zusammenschluss mit osteuropäischen Ländern, Kontakte sind kaum vorhanden. Die Regierung Polens wünscht sich eine Ausweitung der nuklearen Teilhabe auf Polen. Auf der anderen Seite hat Russland schon angekündigt, dass seine Atomwaffen auch in Belarus stationieren will. Wir sehen, dass hier internationalen Abrüstungs- und Rüstungskontrollverhandlungen zusammen kommen müssen mit dem Aufbau von örtlichen und regionalen Friedensinitiativen, was nur mittel- bis langfristig geschehen kann.

Deutschland: Anhörung im Bundestag

In Bezug auf den Atomwaffenverbotsvertrag haben wir uns in unserer Lobbyarbeit in Wien auf den § 6 und 7 konzentriert. In diesen Paragraphen geht es um Opferhilfe für Atomtestopfer und Umweltsanierung in den Testgebieten. An diesen speziellen Aufgaben könnten sich auch Staaten beteiligen, die Nicht- Mitglieder des Vertrags sind, wie Deutschland und andere NATO-Länder in Europa.

Wir haben in Wien gemeinsam ein konkretes Ziel überlegt und zwei Abgeordneten der SPD und der Grünen vorgeschlagen. Die Durchführung einer Anhörung im Bundestag bzw. Im Auswärtigen Ausschuss und dabei drei Themen zu platzieren:

die humanitären Folgen eines Atomkriegs und die gesundheitlichen Folgen der Atomtests mit Kasachstan als Beispiel

Welche konkreten politischen Maßnahmen sollte Deutschland in Bezug auf nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle anstreben?

Mit welchen konkreten Schritten könnte sich Deutschland an einem Wiedergutmachungs- bzw. Sanierungsfonds beteiligen?

 

Dr. Angelika Claußen ist Vorsitzende der IPPNW Deutschland.