Redebeitrag von Joachim Misselwitz (IPPNW) für den Ostermarsch Thüringen in Jena am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensbewegte,

seit einigen Jahren ist die Gefahr einer vollständigen Auslöschung der Menschheit durch einen Atomkrieg wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. Das renommierte „Bulletin of Atomic Scientists“ präsentiert seit 70 Jahren die sog. Atomkriegsuhr. Sie zeigt, wie nahe die Menschheit jeweils der Selbstvernichtung durch Kernwaffen ist. In den 80-ger Jahren, der Zeit der Hochrüstung, stand diese Uhr schon einmal auf 3 Minuten vor 12.

Gorbatschow ist es zu verdanken, dass damals eine Abrüstungspolitik eingeleitet wurde. Die USA und die UdSSR einigten sich, die Mittelstreckenraketen aus Europa abzuziehen und die Anzahl der Sprengköpfe zu reduzieren. Daraufhin stand die Atomkriegsuhr 1991 auf 17 Minuten vor 12. Es war also eine gewisse Entspannung zu erkennen.

Doch was ist nach dem vermeintlichen Ende des kalten Krieges passiert? Statt einer Ächtung der unmenschlichen Atomwaffen kam es lediglich zu einem teilweisen Abbau. Seit Mitte der 90-ger Jahre gab es keine Abrüstungsverhandlungen mehr, obwohl die Atomstaaten laut Atomwaffensperrvertrag zur Abrüstung verpflichtet sind. Weitere Atommächte wie Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea sind dazu gekommen. Trump stellt eine Reihe von bisherigen Verträgen in Frage. Vorhandene Atomwaffen sollen mit riesigem Geldaufwand modernisiert werden. Es ist kein Wunder, dass die Uhr jetzt auf 2 Minuten vor 12 steht. Also bedrohlich nahe an einer Katastrophe.

Aktuell gibt es ca. 15.000 Atomsprengköpfe. Davon besitzen die USA 7.000 und Russland 7.300. 1.800 Sprengköpfe befinden sich in ständiger Gefechtsbereitschaft. Das Risiko, dass Atomwaffen durch menschliches oder technisches Versagen, durch Terroristen oder unberechenbare Staatschefs gezündet werden, ist allgegenwärtig. Ein Beispiel ist die aktuelle Krise in Nordkorea. Die angeblich für unsere Sicherheit notwendige Abschreckungspolitik ist viel zu gefährlich, da sie mit einer ernsthaften Bedrohung anderer Länder und ständiger Gefechtsbereitschaft der Atomwaffen einhergeht. Die humanitären Folgen eines Atomkrieges für die Zivilbevölkerung sind unvorstellbar grausam. Sie können bis zur Auslöschung der Menschheit führen. Eine weitere Aufrüstung würde dazu führen, dass immer mehr Länder in den Besitz von Atomwaffen kommen. Nur das Verbot und die vollständige Abschaffung können das Problem lösen! Nach einer Forsa-Umfrage von 2016 sprechen sich 93% der Deutschen dafür aus.

In den vergangenen 3 Jahren hat sich eine immer stärker werdende Bewegung gebildet, die eine Abschaffung der Atomwaffen fordert. Dazu gehört die IPPNW, das sind die Internationalen Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges, die bereits 1980 gegründet wurde und 1986 den Friedensnobelpreis erhielt. Besonders zu erwähnen ist die Internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen. Weiterhin sind viele weitere NGOs, die Bürgermeister für den Frieden, zu der auch der Jenaer OB gehört, und viele Regierungen von atomwaffenfreien Staaten zu nennen. Diese Bewegung stellt die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen ins Zentrum der Abrüstungsdebatte.

Am Heiligabend 2016 wurde in der Generalversammlung der UN über eine Resolution abgestimmt, die fordert, dass Verhandlungen über ein Kernwaffenverbot beginnen sollen.

Eine deutliche Mehrheit von 113 Staaten stimmte für diese Resolution, 35 waren dagegen, 13 enthielten sich. Es ist eine Schande, dass Deutschland dagegen votiert hat, obwohl die Bundesregierung immer wieder beteuert, dass sie sich für eine atomwaffenfreie Welt einsetzt. Die 1. Verhandlungsrunde hat bereits Ende März diesen Jahres stattgefunden. 132 Staaten haben sich beteiligt. Es bestand Einvernehmen, dass Lagerung, Besitz, Erwerb, Herstellung und Einsatz von Atomwaffen verboten sein sollen. Eine 2. Verhandlungsrunde wird vom 15. Juni bis 7. Juli stattfinden. Dann soll ein Vertrag verabschiedet werden. Soweit war die Anti-Atom-Bewegung vorher noch nie gekommen! Das macht wieder Hoffnung.

Auch wenn die Atomwaffenstaaten und die NATO die Verhandlungen blockieren und ein Kernwaffenverbot nicht annehmen wird ein Verbot trotzdem Wirkung zeigen, ähnlich wie beim Verbot von chemischen und biologischen Waffen und von den Landminen.

Ich komme noch einmal auf das Verhalten unserer Regierung zurück. In Deutschland sind in Büchel nach wie vor 20 Atombomben der USA stationiert. Wir müssen weiterhin Druck auf unsere Regierung ausüben, dass sie aus Deutschland abgezogen werden. Eigentlich ist ein Abzug schon im März 2010 im Bundestag beschlossen worden! Die Realisierung dieses Beschlusses wäre ein wichtiges Abrüstungssignal.

Mit der Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt“ werden 45 Gruppen 20 Wochen lang in Büchel protestieren. Sie fordern den Stopp der nuklearen Aufrüstung, den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland und ein Verbot von Atomwaffen. Damit wird bis zur Bundestagswahl der Druck erhöht. Mit unseren Unterschriften können wir diese Kampagne unterstützen.

Wir als Bürger dürfen unserer eigenen Vernichtung nicht tatenlos gegenüber stehen. Unsere Regierungen brauchen den Druck der Zivilgesellschaft!

Lassen Sie mich kurz noch auf ein anderes wichtiges Thema eingehen: Deutschland gehört zu den größten Waffenexporteuren der Welt. Es ist bekannt, dass Waffenexporte in hohem Maße in Krisengebiete und in die Hände von Terroristen gelangen. Wir unterstützen somit Kriege mit all ihren schlimmen Folgen.

Diese Situation wollen wir nicht länger hinnehmen zumal wir in Jena eine angesehene Firma haben, die nicht unerheblich in den Rüstungsexport eingebunden ist, nämlich Jenoptik. Deshalb gründeten wir vor 4 Jahren den „Trägerkreis Rüstungskonversion Jena“. Rüstungskonversion bedeutet die Umwandlung der Produktion von Rüstungsgütern in zivile Güter.

Ziel des Trägerkreises war es, mit Veranstaltungen und Aktionen verschiedener Art die öffentliche Diskussion zu diesem Thema anzuregen. Wir haben dazu beigetragen, die Rüstungsindustrie in Thüringen erstmals durch einen Rüstungsatlas zu erfassen.

2015 wurde die Initiative „Thüringer Rüstungskonversionsfonds“ gegründet. Diese Initiative wurde von mehr als 20 Organisationen unterzeichnet. Das Ziel ist die finanzielle Unterstützung von Thüringer Unternehmen, die sich von der Produktion militärischer Güter abwenden wollen. Um das zu erreichen, suchen wir z. Zt. das Gespräch mit den Betriebsräten und den Geschäftsführern von Betrieben mit Rüstungsproduktion. Ein Treffen mit Betriebsräten von Jenoptik hat bereits stattgefunden.

Die Thüringer Landesregierung sendet durchaus rüstungskritische Signale, die wir nutzen werden.

Für die Umsetzung unserer Ziele brauchen wir nicht nur einen langen Atem sondern auch die Unterstützung von den Bürgern, also von Ihnen. Informationen dazu finden Sie in den ausgelegten Flyern und im Internet.

Ich möchte schon darauf hinweisen, dass auf dem Kirchentag in Jena am 26. Mai eine Podiumsdiskussion über Rüstungskonversion stattfinden wird an der auch unser Ministerpräsident Bodo Ramelow teilnimmt.

 

Joachim Misselwitz ist aktiv bei der Regionalgruppe Jena der IPPNW.