Redebeitrag von Elke Pudszuhn (TVVdN/BdA ) für den Ostermarsch Ohrdruf in Jena am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Den 5.000 im KZ Ohrdruf ermordeten Kameraden zum Gedenken“

 

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des diesjährigen Ostermarsches,

Vor 72 Jahren am 4. April 1945 befreiten Angehörige der amerikanischen Streitkräfte unter General Eisenhower, der sich selbst von den grausamen Hinterlassenschaften der Nazis überzeugte, das Nord- und Südlager in Ohrdruf, die Lager in Crawinkel und Espenfeld.

Der amerikanische Kriegsberichterstatter Meyer Levin und der französische Fotograf Eric Schwab, beide Juden, hatten von ihren Angehörigen schon lange keine Nachricht aus Theresienstadt, nicht persönliche Gründe, sondern sie kamen nach Europa, um über den Krieg zu berichten. Sie schrieben Berichte und machten Fotos von Massengräbern und von ausgemergelten Leichen. Bilder,die die Welt noch nie gesehen hatte.

Das Nord - und Südlager befand sich aber auf dem heutigen Gelände des Truppenübungsplatzes, wo wir hin - marschieren werden.

Seit über 100 Jahren ist es militärisches Gelände. Es gibt einen Friedhof aus dem Ersten Weltkrieg. Er spielte eine Rolle im Kampf gegen den Kapp – Putsch 1920, wo die Kämpfer aus meiner Heimatstadt Zella-Mehlis beim Marsch auf Gotha gefangen gehalten wurden und einige ihr Leben gegeben haben.

Die Wehrmacht nutzte ebenso das Gelände bis es zu Lagern für Häftlinge aus Buchenwald wurde, die täglich zur Arbeit ins Jonastal mussten.

Am 12. April 1945 erreichte die US-Armee unter General Eisenhower und Patton das Lager und sahen die Leichenberge.

Nach dem Abzug der Amerikaner aus Thüringen wurde der Truppenübungsplatz bis 1990 von den sowjetischen Streitkräften genutzt und wieder nicht öffentlich zugänglich, und seitdem ist es Bundeswehrgelände, und ebenso nicht zugänglich,nur mit Genehmigung.

Jedes Jahr im September organisiert die Basisgruppe Gotha des Thüringer Verbandes der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten unter der Leitung vom Kameraden Martin Mürb die Fahrt ins Übungsgelände, um an den Denkmalen der Toten zu gedenken,Blumen niederzulegen und auch deutlich zu machen,dass wir für Frieden und Völkerverständigung sind und das Gelände endlich nicht mehr für Kriegseinsätze der Bundeswehr, sondern für friedliche Zwecke genutzt werden sollte.

Bei meinen Recherchen zu den Inschriften auf dem Gedenkstein am Massengrab ist mir aufgefallen,das es mal eine Inschrift in deutscher und russischer Sprache gegeben hat mit folgendem Text:

„Wir schwören Rache. Hier,an diesem Platz versammelten,erschlugen,erhängten und verbrannten Faschisten ungefähr 5 000 Menschen russischer,jugoslawischer und anderer Abstammung in den Jahren 1944 – 1945.

Ihr wurdet erschlagen, gequält und verbrannt. Ihr habt ein schreckliches leben in dunklen Löchern geführt. Ihr habt viel durchgestanden.

Eure Ehre habt ihr aber überall gerettet. Ihr seid durch die heimtückische Feindeshand gefallen. Fast 3 000 von Euch wurden an diesem Richtplatz verbrannt.

Wir schwören! Kein Faschistenkopf wird sich unserer erbitterten Rache entziehen!

Iwan Schenkin.“

Ob Iwan Schenkin ein Überlebender war oder hier in der Sowjetarmee gedient hat, habe ich noch nicht erforscht, auch nicht,wann der Gedenkstein mit dieser Inschrift entfernt wurde.

Die jetzige Inschrift am Obelisk in vier Sprachen lautet:

„Hier ruhen 5 000 in den Jahren 1944 und 1945 im ehemaligen Außenlager des KZ Buchenwald (Lager S III ) verstorbenen Häftlinge und Kriegsgefangene verschiedener Nationen. Stadt Ohrdruf.“

Im gedenken an die Opfer von damals,beziehen wir auch die hunderten Opfer rechter Gewalt,nicht nur die, die auf das Konto des Nazitrios kommen, mit ein.

Über Jahrzehnte nicht aufgeklärte neofaschistische Mordtaten, in Deutschland vorhandener latenter und offener Rassismus sowie durch juristische Winkelzüge erlaubte neofaschistische Propaganda widersprechen der Charta der Menschenrechte, dem europäischen Einheitsgedanken und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Mit den Winkelzügen meine ich auch, dass man nicht die NPD verboten hat. Wir Antifaschisten werden weiter für ein Verbot der NPD und aller nazistischen Strukturen kämpfen.

Unser Gedenken erlegt uns die Verpflichtung auf, aktiv politisch zu handeln, um das Vermächtnis des antifaschistischen Widerstandes zu bewahren, weil wir Frieden, Demokratie, Freiheit und solidarisches Miteinander als Voraussetzung für das Zusammenleben der Menschen empfinden.

Für mich ist der Schwur von Buchenwald das Vermächtnis meiner Eltern:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel!“

Eine friedliche Welt ist nicht mit Waffen und Kriegseinsätzen zu schaffen, zumal der Krieg vor unserer Haustür beginnt, eben auch in Ohrdruf.

Da bin ich wieder am Anfang meiner Rede, dem Truppenübungsplatz oder Bundeswehrstandort. Er wird weiterhin militärisch genutzt und soll für 8 Millionen Euro aufgerüstet werden. (man könnte ja die 8 Mio. für Bildung ausgeben)

Auch wenn ich die Leistung der US-Armee bei der Befreiung vom Faschismus und der Beendigung des 2. Weltkrieges schätze, kann ich die heutige Kriegspolitik der USA nicht für gut heißen.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag wertet den US-Angriff auf Syrien völkerrechtlich als Aggression, eine Aggression gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen, das den Schutz vor einem Angriff von außen durch die Nationen genießt.

Wir verlangen,dass die Bundesregierung diese US- Aggression verurteilt.

Dieser US-Kriegsakt ist geeignet die fragilen Beziehungen zu Russland weiter zu erschüttern.

Vor der Haustür in Gotha ist auch die Friedenssteinkaserne, von der aus Soldatinnen und Soldaten nach Afghanistan und Mali geschickt werden.

In Erfurt und Jena, wo heute auch Protestveranstaltungen stattfinden,gibt es Unternehmen, die Rüstungsgüter produzieren.

Mein Kamerad Viktor Wyscheslawsky, der den Todesmarsch von Ohrdruf nach Buchenwald sehr entkräftet aber lebend erreicht hat, sagte bei einer der mehreren Begegnungen:

„Liebe Freunde! Die Zukunft gehört Ihnen und Sie müssen gegen Faschismus, Nazismus und Terrorismus entscheidend kämpfen, damit es auf dieser Erdkugel niemals wieder Krieg gibt!Sie müssen den Frieden bewahren! Aber die Gefahr existiert wie früher auch jetzt und wir müssen alle jederzeit aufpassen.“

Diese Worten von Viktor kann ich nur unterstreichen,deshalb bin ich heute hier um meinen Protest deutlich zu machen.

 

Elke Pudszuhn ist Landesvorsitzende des Thüringer Verbandes der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten e.V. - TVVdN/BdA.