Redebeitrag von Herbert Behrens (MdB Die Linke) für den Ostermarsch Bremen am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Säbelrasseln nannte der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Steinmeier die Nato-Manöver an der russischen Grenze. Recht hat er. Und die Konsequenzen daraus? Keine! Weder die Bundesregierung noch andere europäische Regierungen weichen von ihrer Politik der Dauerprovokation an der Nato-Ostfront ab. Die Nato rückt weiter auf die russische Staatsgrenze vor.

Das Militärbündnis blähte sich von 16 Mitgliedsstaaten bis 1990 auf heute 28 Mitgliedsstaaten auf. Ein Dutzend neue Nato-Staaten auf dem Territorium des ehemaligen Warschauer-Paktes und Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Das ist weit mehr als Säbelrasseln. Das soll signalisieren: Wir sind die Herren der Welt!

Dieses aggressive Gehabe gefährdet die Sicherheit in Europa und in der Welt. Es kostet den Bürgerinnen und Bürgern Milliarden und Milliarden, die für den Aufbau einer Sicherheitspolitik auf ziviler Grundlage fehlen. Schluss damit! Die Friedensbewegung streitet weiter für eine Welt ohne Kriege und Aufrüstung. Das tun wir heute beim Ostermarsch in Bremen und an zig anderen Orten in Deutschland.

 

Ich begrüße die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hier in Bremen.

Im Jahr 2017 erleben wir in Bremen und um zu eine neue Spirale des Aufrüstens gegen Russland. Im Januar 2017 werden in Bremerhaven 4.000 US-Soldaten mit 2.000 Panzern, gepanzerten und anderen Fahrzeugen an Land gebracht. Sie werden zunächst nach Polen verlagert und sollen dann weiter ins Baltikum sowie nach Ungarn und Rumänien verteilt werden. Es ist die größte Truppenverlegung nach dem Ende des Kalten Krieges und der Auflösung des Warschauer Paktes 1991.

Die 4.000 Soldaten mit Gerät werden dort nicht fest stationiert, weil das gegen bestehende Vereinbarungen zwischen der Nato und Russland verstoßen würde. So wird einfach ein Manöver im ehemaligen Einflussbereich Russlands draus, dass alle neun Monate wiederholt werden soll. Das ist eine eiskalt kalkulierte Konfrontation der USA auf europäischem Boden. Das ist brandgefährlich. Weitere Truppenverlegungen über Bremerhaven nach Osteuropa darf es nicht geben. Darum stehen wir heute hier. Wir fordern: Schluss mit den Drohgebärden an der Grenze zu Russland. Wir wollen Frieden und Zusammenarbeit in Europa!

Das wird schwer werden. Das wissen wir alle. Denn aggressive Politik gegen Russland wird sehr überlegt und beharrlich vorangetrieben. Die neue US-Brigade ist Bestandteil der Nato-Operation „Atlantic Resolve“. Sie wurde 2014 gestartet und soll nach offiziellen Angaben das „anhaltende

Engagement für die kollektive Sicherheit“ in Europa deutlich machen. Allein die USA lassen sich ihre „European Reassurance Initiative“ (ERI) 3,4 Milliarden US-Dollar kosten. Und das Nato-Mitgliedsland Deutschland stellt großzügig nicht nur jede logistische Unterstützung zur Verfügung. Es wird gleichzeitig manövermäßig die Logistik einer Truppenverlegung im Echtbetrieb geprobt. In der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt wird die Kommandozentrale für dieses Riesenmanöver eingerichtet. Das weckt ungute Erinnerungen an die Aufrüstung in der Garlstedter Heide in den 1970er- und 1980er-Jahren. Damals wurde die 2. Amored Division in Garlstedt angesiedelt, die Panzerbrigade „Hell on Wheels“ wurde atomwaffenfähig gemacht, bevor sie dann nach dem Ende der Blockkonfrontation wieder verschwand.

Heute, 25 Jahre später, wieder eine US-Brigade mit tausenden Soldaten, die von Garlstedt aus dirigiert werden? Eine gruselige Vorstellung. Im Januar war dort vor der Kaserne kein Protest organisiert.

Einige von uns, die heute hier sind, hatten sich bei lausigen Temperaturen und bei Eisregen in Bremerhaven versammelt und protestierten im Hafen gegen den Beginn einer neuen Aufrüstungsspirale. Ich hatte dort bei der Abschlusskundgebung gesagt, der Beginn einer neuen Aufrüstung müsse ebenso der Beginn einer neuen Protestbewegung gegen Aufrüstung sein.

So weit sind wir noch nicht. Aber wir werden uns nicht frustriert zurückziehen, wenn der Gegner scheinbar unberührt von Protesten weiter Richtung Osten zieht. Wir sind hier und wir werden wieder laut, wenn man uns die Zukunft in Frieden klaut!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

eine neue Friedensbewegung muss ein festes Bündnis aus Kräften politischer Parteien, Kirchen und Gewerkschaften sein. Davon sind wir noch weit weg. Meine Partei Die Linke ist selbstverständlich dabei, wenn es darum geht, gegen Aufrüstung und Krieg zu kämpfen. Und das nicht nur dann, wenn von Deutschland aus wieder eine aggressiv gegen Russland gerichtete Politik gemacht wird. Wir als Linke greifen die Militarisierung der deutschen und europäischen Außenpolitik an. Wir wollen, dass Deutschland kurzfristig aus den militärischen Strukturen der Nato aussteigt und auch die Nato langfristig aufgelöst wird.

Wir wollen ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, um die jetzt entstandene Konfrontation aufzulösen.

Nötig ist eine neue Entspannungspolitik, eine neue Ostpolitik als Grundlage für eine Entwicklung in Sicherheit und in Frieden.

Aber nur eine heute im Bundestag vertretene Partei reicht nicht aus. Und weitere sind leider zurzeit nicht in Sicht.

Meine Fraktion hatte die Verlegung der US-Division am 19. Januar 2017 zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag gemacht. In dieser Debatte meldete sich auch Jürgen Trittin von den Grünen zu Wort. Wer immer noch meinte, die Grünen seien einst auch aus der Friedensbewegung heraus entstanden, der musste dort die 180-Grad-Wende feststellen.

Ich zitiere Trittin: „Ich glaube, dass diese Truppenverlegung ein richtiger Schritt ist.“

Und weiter: „Es geht darum, den Zusammenhalt des gemeinsamen Europa innerhalb der Nato zu sichern. Darum geht es. Das ist eine Antwort auf verschiedene Personen, die in diesen Tagen politisch aktiv sind. Das hat nichts oder wenig mit Aufrüstung zu tun.“

Letzter Originalton von Trittin:

Wenn die USA 2.000 Fahrzeuge in Osteuropa parken, wird dies Osteuropa nicht sicherer und Russland nicht unsicherer machen. Ich bin bei Ihnen, meine Damen und Herren von der Linkspartei, wenn Sie sagen: Wir müssen alles tun, um die taktischen Atomwaffen abzuziehen; wir müssen allen tun, um wirklich zu Schritten nuklearer Abrüstung zu kommen. - Aber an dieser Stelle von Aufrüstung zu reden, heißt doch wirklich, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen.“

Zitat Ende. Für diese Rede des Vertreters der Linken bei den Grünen gab es Beifall von Bündnis 90/Die Grünen, sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD. So steht es im Plenarprotokoll der Sitzung.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

der Gegner der Friedensbewegung ist mächtig wie eh und je. Da kann uns nicht schrecken. Aber die Entwicklung von Bündnispartnern bei Grünen und auch der SPD, die relative Zurückhaltung der Gewerkschaften auf der Bundesebene zu Aufrüstung und Kriegsbeteiligungen der Bundeswehr macht es schwer, wieder zu einer einflussreichen Größe zu kommen.

Aber die Friedensbewegung wird sich weiter um alle bemühen, von denen wir meinen, dass auch sie Frieden und Abrüstung brauchen, um ihre Ziele durchzusetzen.

Darum sind wir hier und morgen mit weiteren Friedensfreunden in Bremerhaven und in Garlstedt, wenn es darum geht, weitere Truppentransporte nach Osteuropa zu blockieren und zu verhindern.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich freue mich sehr, dass meine Gewerkschaft ver.di, die IG Metall, GEW, NGG und EVG in Bremen und Nord-Niedersachsen den diesjährigen Ostermarsch unterstützen. Die Kolleginnen und Kollegen sehen sehr genau, dass die Nato-Forderung, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukt in Militärausgaben zu stecken, den Sozialstaat weiter ausbluten wird. 24 Milliarden Euro mehr für den Rüstungsetat würde das allein für den Bundeshaushalt 2017 bedeuten, wenn diese Forderung schon durchgesetzt wäre. Aber die Bremer Gewerkschaften sehen sehr wohl, das Aufrüstung und Sozialabbau zwei Seiten einer Medaille sind.

Wer sichere Renten will, der muss für weniger Rüstungsausgaben kämpfen. Wer einen Sozialstaat will, der muss sich gegen militärische Abenteuer wenden.

Gewerkschaftliche Solidarität ist immer auch internationale Solidarität.

Dieser Ostermarsch in Bremen kann ein Anfang sein für eine erstarkende Friedensbewegung.

Venceremos!

 

Herbert Behrens ist Abgeordneter des Deutschen Bundestag für die Partei Die Linke.