Redebeitrag von Reiner Frankl (Attac) für den Ostermarsch Aschaffenburg am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

im Mittelalter war es bekanntlich nur den Sängern und Hofnarren vorbehalten, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und dem absoluten Herrscher die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Ich fühle mich immer öfter in dieses Zeitalter zurück versetzt. Seit etlichen Jahren sind unsere heutigen Hofnarren Kabarettisten wie Pispers, Schramm, Priol, Uthoff oder von Wagner.

Vielleicht erinnern sich einige an DIE ANSTALT vom 1. November 2016.

Thema war die bevorstehende Wahl zwischen Hillary und Trump. Die Sendung endet mit der Frage: Was ist besser - eine Präsidentin, die vier Länder angegriffen hat oder ein Präsident, der 11 Frauen angegriffen hat? Angelehnt an Theaterstück bzw. Film „Terror – Ihr Urteil”, der kurz vorher im ARD gelaufen war, wurde das Publikum aufgefordert, zu entscheiden ...

Der Gag wäre heute nicht mehr möglich.

In der Nacht zum 7. April hat nun also – Hillary hätte es nicht besser gekonnt der Grabscher ein Land angegriffen. Und im Gegensatz zu den Reaktionen auf seine Wahl, die ihn bisher nur als unflätigen Cowboy darstellten, wird er nun von Merkel & Co. und der gesamten westlichen PolitElite dafür hoch gelobt. Dafür, dass er in Django Manier seine Waffen zog, bevor irgendetwas auch nur ansatzweise geklärt werden konnte. Und im Gegenprogramm der oben geannten aufklärenden Anstalt, z. B. bei Talk-Shows wie Anne Will, werden alle Register gezogen, um den offensichtlich in Erklärungsnot Geratenen unter die Arme zu greifen. So darf unsere sogenannte Verteidigungsministerin, von Urban Priol gerne Flintenuschi gerufen, das Völkerrecht kurzerhand vom Tisch wischen und uns vormachen, der Bruch sei ok, weil die Interessen der Menschen Vorrang hätten. Jan van Aken war meines Erachtens zu Recht entsetzt über diese gefährliche Einschätzung. Sie scheint immer mehr in Mode zu kommen.

Auch Michael Lüders war zu dieser Talk-Runde eingeladen.

Das erste Buch von Michael Lüders habe ich mir 1981 gekauft.

Palästina-Protokolle – zusammen mit Dieter Bednarz. Seit dieser Zeit kenne ich ihn als genauen Berichterstatter und Analytiker der Probleme im Nahen Osten. Die Bezeichnung „Experte“ wird mittlerweile inflationär genutzt. Einer der wenigen, der sie tatsächlich verdient hat, ist, wie ich meine, Lüders. Aber Anne Will hat ihn diesmal bewusst nicht als Experten vorgestellt. Vielmehr wollte sie ihn diskreditieren, indem sie betonte, dass er mit seinen Büchern und Kenntnissen geschäftliche Interessen verfolge. Das sagte die Anne Will, die selbst ihre Moderationskünste im Interesse der Anne Will Media GmbH den herrschenden Medien verkauft. Das wurde natürlich nicht erwähnt. Stattdessen durfte der ehrenwerte Ex-Botschafter Kornblum, der sich seit 16 Jahren seine Pension von der Finanz- und Großindustrie aufpeppen lässt, sogar generalisierend die Analysen des Nahost-Experten Lüders mit dem CIA-Terminus „Verschwörungstheorie“ verunglimpfen.

Wir wollen hier festhalten, dass nicht nur, aber gerade der Irak-Krieg mit seiner bis heute verheerenden Wirkung auf die Region von der US-amerikanischen Adminstration begründet wurde mit einer Kriegslüge, oder soll ich jetzt auch sagen: „Verschwörungstheorie“? Der Vorwand für den US-Angriff auf Syrien war ein schrecklicher Giftgasangriff. Van Aken und Lüders trauen ihn allen Kriegsparteien zu. Das ist dem westlichen Mainstream offensichtlich schon zu viel. Wir wissen noch nichts Genaues. Was wir aber wissen ist: es geht um viel mehr als nur einzelne Kriegsverbrechen, es geht generell um den Krieg als Verbrechen. Zur Sichtweise auf den Krieg schrieb Michael Lüders in der März-Ausgabe der Blätter für Politik: „Kriege werden erzählt, nicht anders als Geschichten. Die jeweiligen Erzählungen bestimmen das Bild in unseren Köpfen, unsere Sicht auf Konflikte. Wir wissen, oder wir glauben zu wissen, wer schuldig ist und wer nicht, wer die Guten sind und wer die Bösen. Im Falle Syriens ist die vorherrschende Sichtweise in etwa diese: Das verbrecherische Assad-Regime führt Krieg gegen das eigene Volk, unterstützt von den nicht minder skrupellosen Machthabern in Moskau und Teheran. Die syrische Opposition, gerne als „gemäßigt“ bezeichnet oder als „das“ syrische Volk schlechthin wahrgenommen, befindet sich in einem verzweifelten Freiheitskampf, dem sich der Westen nicht verschließen kann. … Leider greift diese Rahmenerzählung, das Narrativ hiesiger Politik wie auch der Medien, viel zu kurz.“

Aber es gibt auch Erzählungen, die eine andere Sicht erlauben als die des Mainstreams. Man muss nur im Intetnet googeln, wie Lisa Fitz auf der Demo gegen die diesjährige Sicherheitskonferenz uns empfahl. Sie wies uns auf ein youtube-video aus 2007 hin. Da kommt der 4-Sterne-US-General Wesley Clark ins Erzählen. Vor einem Publikum eines einflussreichen US-Amerikanischen Think-Tanks:

„Ich ging durch das Pentagon 10 Tage nach 9/11. …, da rief mich ein Offizier vom Generalstab, ins Büro und sagte: 'Ich möchte Ihnen sagen, Sir, wir beabsichtigen, den Irak anzugreifen.' Und ich fragte: 'Warum?' Er sagte: 'Wir wissen es nicht.'-'Wollen Sie Saddam in Zusammenhang mit 9/11 bringen?'-'Nein', sagte er. 'Aber ich schätze, sie wissen nicht, was sie gegen den Terrorismus tun sollen. Alles was sie können ist Länder angreifen. ...'

Ich war aufgebracht, und dann haben wir Afghanistan angegriffen. ...

Ich kam sechs Wochen später wieder ins Pentagon, traf denselben Offizier und fragte: 'Haben wir immer noch vor, den Irak anzugreifen?'

Er sagte: 'Oh Sir, viel schlimmer! … Ich hab grade dieses Memo aus dem Büro des Verteidigungsministers bekommen und hier steht, wir werden 7 Länder innerhalb von 5 Jahren angreifen und zerstören. Wir beginnen mit dem Irak und dann nehmen wir uns Syrien vor, Libanon, Libyen, Somalia, den Sudan und den Iran.' 7 Länder in 5 Jahren! …“ Wohlgemerkt, da spricht der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa. Soweit die Erzählung von Wesley Clark, soweit die – wie könnte es anders sein - Kabarettistin Lisa Fitz.

Wesley Clark - auch nur ein „Verschwörungstheoretiker“?

„Die Büchse der Pandora ist geöffnet!“ warnte Lüders bei Anne Will mit Blick auf den völkerrechtswidrigen Schlag vom 7. April. Das ist es, was mich heute tatsächlich beängstigt.

Sie wollen uns weiter ihre imperialistische Geo-Politik, den wiederholten Bruch des Völker­rechts, als Friedenspolitik verkaufen.

Krieg ist Frieden. Diesen Neusprech kennen wir.

Ich frage, wie jüngst auch ein Syrer aus Aleppo mit subsidiärem Aufenthaltsstaus.

Er hat auf einer Attac-Veranstaltung in Frankfurt gefragt:

"Die Assad-Regierung konnte in den vergangenen Wochen das Kräfte-Verhältnis zu ihren Gunsten verschieben. Warum sollte sie jetzt mit einem Gift-Gas-Angriff nicht nur die US-Regierung, sondern auch die NATO herausfordern? Wer hat ein Interesse an der militärischen Eskalation?"

Ich sage: auf keinen Fall die Menschen in Syrien.

Und richtig, Frau von der Leyen: Die Menschen dort sollen endlich selbst bestimmen können, ob und wie sie den herrschenden Clan hinwegfegen wollen.

Dazu braucht es aber keine bewaffneten Banden, hochgepäppelt und ausgestattet von reichen Golfstaaten und NATO-Partnern, die ihre eigenen Interessen verfolgen.

Es braucht keine Bomben, weder russische noch amerikanische, auch keine Tornados oder gar Gas aus Deutschland. Es braucht keine über Ramstein gelenkte Killerdrohnen.

Es braucht auch keine EU-Sanktionen, die die Bevölkerung in größte Nöte gebracht haben und eine zusätzliche Fluchtursache darstellen.

Was das syrische Volk braucht, ist zunächst einen wirklichen Waffenstillstand.

Und schließlich Frieden.

So, wie wir alle!

An diesem Wochenende wird es im Rahmen der Ostermärsche an die 100 Friedensveranstaltungen geben. Ich wünsche mir noch mehr davon.

Wie wäre es mit einem Pulse for Peace?

Peace!

 

Reiner Frankl ist aktive bei der attac Gruppe Aschaffenburg.