Redebeitrag von Ansgar Schmidt für den Ostermarsch Münster am 31. März 2018

 

- Sperrfrist, Redebeginn: 31.03.2018, ca. 12 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

70 Tage Krieg – 70 Tage Terror gegenüber der Bevölkerung der Region Afrin gegenüber den Kurdinnen und Kurden sowie gegenüber den Minderheiten Assyrer, Suroyer, Aleviten und Ezidenen.

Den unzähligen Bombenangriffen der türkischen Luftwaffe und den mörderischen Feldzügen des türkischen Militärs und der fundamentalistischen Milizen der „Freien Syrischen Armee“ in der Region Afrin folgt nun ein „Ethnischer Vernichtungsfeldzug“ – ebenso sind neue Ziele längst im Fadenkreuz, im Norden des Iraks wurden in den vergangenen Tagen Stellungen der PKK durch türkische Kampfjets bombardiert.

Wir protestieren hier in Münster vor dem türkischen Generalkonsulat gegen diesen Krieg!

Unsere Losungen heißen:

Stoppt Erdogan! Stoppt diesen Krieg!

Hände weg von Afrin! Hände weg von Syrien!

Türkei und NATO-Staaten raus aus Syrien!

Unsere Solidarität gilt allen Kräften in Syrien, die sich der türkischen Aggression entgegenstellen, die die Autonomierechte des kurdischen Volkes sowie aller weiteren Volksgruppen und die staatliche und territoriale Integrität Syriens verteidigen!

Die Bombardierung und Invasion in syrisches Staatsgebiet, der Angriffskrieg des NATO-Staates Türkei mit Unterstützung der fundamentalistischen Milizen ist völkerrechtswidrig –

VertreterInnen der politischen Weltbühne übten sich über Wochen in Verschwiegenheit, schauten entweder tatenlos zu oder „gossen Öl ins Feuer“, wie die deutsche Bundesregierung.

Die begrüßenswerte Initiative des französischen Präsidenten Macron mit den Kurden in einen Dialog zu treten und sich um eine Vermittlung zwischen der Türkei und dem SDF (Syrische Demokratische Kräfte) zu bemühen, stelle ich zunächst an das Ende meiner Ausführungen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich erst 60 Tage nach dem Kriegsbeginn kritisch, aber sehr zurückhaltend, zu diesem Krieg – gleichzeitig liefert die BRD Waffen an den Aggressor.

Einem Beitrag des ARD-Hauptstadtstudios am 29.03. entnommen:

Bei "allen berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei ist es inakzeptabel, was in Afrin passiert", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung vergangene Woche. (…)

Gleichzeitig genehmigte die Bundesregierung seit dem 20. Januar 2018 (…) neue Rüstungslieferungen in Höhe von knapp 4,4 Millionen Euro. Im Zeitraum vom 18. Dezember 2017 bis zum 24. Januar 2018 - betrug der Genehmigungswert fast zehn Millionen Euro.

Wir fordern von der deutschen Bundesregierung:

Sofortiger Stopp aller Rüstungsexporte in den Nahen und Mittleren Osten!

Sofortige Aufhebung aller Sanktionen gegenüber Syrien, Schluss der Politik auf internationalem westlichem Bankett, die ausschließlich auf einen „Regime-change“ ausgerichtet ist!

Sofortiger Abzug aller deutschen Soldaten aus der Region!

NATO-Besatzer raus aus Syrien – Deutschland raus aus der NATO!

Der Weltöffentlichkeit präsentierte Erdogan das Vorhaben, die Region vom Euphrat bis zur irakischen Grenze von „kurdischen Terroristen“ zu befreien. Ja, dieser Krieg ist eine Fortsetzung eines uralten Krieges gegen das kurdische Volk und somit auch die Zerschlagung des Projektes Rojava – ist dies das Ziel oder nur ein nützliches „Vehikel“?

Ist dieser Krieg ein neuer Start der Kriegsführung gegen Assad und die Zerschlagung des syrischen Staates? Sind daher die westlichen StaatsvertreterInnen so still, da Erdogan nach vergeblichen 7 Jahren der Politik des „regime-change“ einschließlich des Mittels des Krieges diesem Ziel einen kleinen Schritt näher kommt?

An dieser Stelle ist es wichtig auch die Brutalität der Kriegsführung eindeutig zu benennen. Die Bombardierungen kamen nicht einer strategischen Kriegsführung gleich, durch welche der Gegner strukturell kampfunfähig gemacht werden sollte, sondern es wurden zivile Einrichtungen, Wohnhäuser und Krankenhäuser in Schutt und Asche gelegt und somit auch vorsätzlich die Zivilbevölkerung getötet. Dieser Bombenhagel war ein Krieg gegen die Bevölkerungsgruppen der Region Afrins.

Ebenso im Zuge des Einmarsches der Bodentruppen wurde Krieg gegen Zivilisten geführt, es wurden z.B. gezielt Dörfer der Eziden überfallen, die Bevölkerung vertrieben, die Dörfer geplündert und niedergebrannt.

Der Einmarsch der Bodentruppen, der Dschihadisten und des türkischen Militärs, ging einher mit einer „Kulturellen Ausrottung“ der Region. In Afrin-Stadt wurde  z.B. die kurdische Statue des Schmiedes Kawa auf dem zentralen Platz zerstört. Der Schmied Kawa hat in der kurdischen Mythologie sowie auch bei den Eziden eine besondere Bedeutung.

Diese Grausamkeit der Besatzung ist der Grundstein für das nun folgende Kapitel, dem „Ethnischen Vernichtungsfeldzug“ in Form der Islamisierung.

Yasda, die Hilfsorganisation für Jesiden gab bekannt, dass dschihadistische Milizen Frauen der jesidischen Minderheiten dazu zwingen, sich zu verschleiern und islamistische Texte auswendig zu lernen, um sich vor weiterem Terror zu schützen. Dies sind nur einzelne Beispiele, die Islamisierung wird in unzähligen Facetten praktiziert.

In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass die Türkei die Region politisch neu strukturiert und eine systematische Neubesiedelung schon angelaufen ist.

In der jw vom 29.03. heißt es im Beitrag „Afrin unter Besatzung“:

„Im türkischen Gaziantep wurde unter Aufsicht des türkischen Geheimdienstes ein >Stadtrat von Afrin< gebildet. (…) Der türkische Präsident Erdogan kündigte am Wochenende zudem die Einsetzung eines Gouverneurs für Afrin an. (…) Nach Angaben der Zeitung Hürriyet sollen rund 350 000 derzeit in der Türkei lebende syrische Flüchtlinge nach Afrin umgesiedelt werden. Die Kovorsitzende der demokratischen Föderation Nordsyriens, Foza Yusuf, warnte gegenüber der Nachrichtenagentur Firat vor einem >Ethnischen Vernichtungsfeldzug< zur Veränderung der >demographischen Struktur<. So seien bereits Dschihadisten, die sich aus der umkämpften Region Ostghuta zurückgezogen haben, nach Afrin gebracht worden.“

In der german-foreign-policy vom 21.03. war zu lesen: „Vermutungen werden zur Zeit durch Berichte genährt, denen zufolge Ankara Milizionäre und syrisch-arabische Flüchtlinge in den eroberten Gebieten um Afrin ansiedeln und ihnen gleichzeitig die türkische Staatsbürgerschaft verleihen will.“

Plant Erdogan für die Region eine Annexion? Auch wiederholte Äußerungen seitens Erdogans und seiner Regierungsmitglieder, sie verfolgen „Neo-osmanische Großmachtpläne“ und auch andere Grenzen würden sie nicht aufhalten, stützen eine solche Deutung.

Diesem Terror sind Grenzen zu setzen!

Diesem und vielen anderen Formen des Staatsterrors, sei es das Führen von Kriegen sowie auch der Vorbereitung und Unterstützung durch z.B. Waffenexporte, stellen wir uns entgegen.

Einige der zentralen Forderungen der Ostermärsche

„Auslandseinsätze stoppen!“ - „Waffenexporte verbieten!“ - „Atomwaffen abschaffen!“ sowie auch „Dialog statt Konfrontation!“ richten sich gegen den täglichen Staatsterror der Regierenden dieser Welt.

Deshalb sind heute – gestern und an den kommenden Ostertagen – in der ganzen Republik im Rahmen von über 100 Ostermarschaktionen tausende Menschen in der Republik auf der Straße.

Dieser Beitrag für die Ostermarschaktion hier in Münster war eigentlich schon fertig, da wurde über „Spiegel online“ bekannt, dass der französische Präsident Macron angeboten hat, im Afrin-Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden zu vermitteln. Dieser Initiative müssen sich eine Bundeskanzlerin Merkel und weitere Staatsführungen der EU und NATO anschließen, um internationalen Druck aufzubauen, um die türkische Staatsführung international zu isolieren.

Verschiedene Verhandlungsrunden zum Syrien-Krieg, seitens der UNO oder auch der arabischen Länder haben die Kurdinnen in den vergangenen Monaten und Jahren nicht einbezogen – sie saßen nicht mit am Verhandlungstisch.

Dieses Treffen am vergangenen Donnerstag zwischen Vertretern der „Syrischen Demokratischen Kräfte“  (SDF) und der französischen Staatsführung, die aktive Solidarität und das Angebot der Vermittlung gilt es nun zu unterstützen. Das ist ein erster Schritt auf einem langen Weg, sich den zahlreichen Facetten des Terrors Erdogans und seiner Lakaien entgegenzustellen.

Die Staatsvertretungen der EU müssen sich Macron anschließen, der EU-Türkei Flüchtlingsdeal muss sofort gestoppt werden, dieser diplomatischen Initiative müssen Fakten folgen.

Und auch wir sind gefordert, diese Initiative zu unterstützen und somit unsere Bundesregierung und die internationale Politik aufzufordern, sich Macron anzuschließen!

 

Ansgar Schmidt ist Gründungsmitglied der Friedenskooperative Münster und  Vorsitzender der DKP Münster.