Redebeitrag von Jan Schalauske für den Ostermarsch Marburg am 2. April 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Von hessischem Boden geht Krieg aus

Liebe Freundinnen und Freunde,

auch von hessischem Boden geht wieder Krieg aus. Hier in unserer unmittelbaren Nachbarschaft werden tödliche Waffen geschmiedet und Kriegseinsätze deutscher Soldaten vorbereitet.

Vor den Augen der Welt hat das NATO-Land Türkei einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen und im Bündnis mit djihadistischen Milizen die kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien überfallen.

Unter dem Vorwand, Terror zu bekämpfen, werden in Nordsyrien ausgerechnet diejenigen Kräfte angegriffen, die sich dem islamistischen Terror in den Weg gestellt haben, während in der Türkei selbst die demokratische Opposition, die Zivilgesellschaft und Teile der Bevölkerung drangsaliert, kriminalisiert und mitunter sogar terrorisiert werden.

Der Region um Afrin droht eine anhaltende Besatzung durch die türkische Armee. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht. Die kurdische Bevölkerung soll dauerhaft vertrieben werden.

Manche meinen die Bundesregierung sehe tatenlos zu. Das ist mitnichten der Fall. Beginn des Krieges hat die Bundesregierung Ausfuhrgenehmigungen an die Türkei im Wert von 4,4 Mio. Euro erteilt. Von 2005 bis 2011 verkauften deutsche Waffenschmieden über 350 Leopard-2-Panzer. Die Bundesregierung genehmigte diese Rüstungsexporte ohne Auflagen.

Wenn mit diesen Waffen nun ein verbrecherischer Krieg geführt wird, dann ist die Bundesregierung mitschuldig an diesem Verbrechen.

Dieses Verbrechen ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass Waffenexporte endlich gestoppt und verboten gehören!

Und der Krieg in Nordsyrien beginnt in unserer Nachbarschaft. Die Geschütztürme der Leopard-2-Panzer werden in Kassel produziert – bei Krauss-Maffei Wegmann. Überhaupt: Hessen ist einer der größten Rüstungsstandorte in der BRD. Unsere Fraktion im Landtag hat einen Rüstungsatlas vorgelegt. Unsere Recherchen haben ergeben: Mit mindestens 61 Rüstungsproduktionsstätten hat das tödliche Geschäft mit der Rüstung einen großen Stellenwert. Klein geredet oder verschwiegen wird es hingegen gern in der hessischen Landespolitik.

Ich bin der Auffassung, dass wir wieder stärker über Rüstungskonversion reden müssen. In der Friedensbewegung, in den Gewerkschaften und auch in der Landespolitik. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass in unserer Nachbarschaft tödliche Waffen produziert werden. Unser Ziel muss die Umstellung militärischer Produktion auf die Herstellung von zivilen und gesellschaftlich sinnvollen Gütern sein.

Schwerter zu Pflugscharen war früher unsere Divise. Sie hat nichts an Aktualität verloren. Aber denken wir an den systematischen Betrug der Automobilindustrie mit Unterstützung der Politik und die Verpestung und Verlärmung unserer Städte. Dann könnte man heute formulieren: Panzer zu Straßenbahnen oder Elektrobusse.

Und wir müssen uns gegen die Aufrüstung im eigenen Land wehren. Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU heißt es in schönster Politprosa: „Deutschland wird verbindlich (…) dem Zielkorridor der Vereinbarungen in der NATO folgen“. Das heißt nichts anderes, als dass die GroKo an dem Ziel festhält zwei Prozent des Brutto-Inlands-Produkts in die Rüstung zu stecken. Der Rüstungshaushalt ist mit 37 Milliarden bereits der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt 2017. Um das Ziel von zwei Prozent zu erreichen, müsste Deutschland die Rüstungsausgaben verdoppeln und im Jahr 2024 mehr als 75 Milliarden Euro ausgeben.

Um eine Zahl zu nennen: Die Bertelsmann-Stiftung hat errechnet, dass 34 Milliarden nötig wären, um auf einen Schlag alle Schulen in der Bundesrepublik zu sanieren. Machen wir gemeinsam Druck auf die politischen Verantwortlichen und fordern Sie auf, nicht in Rüstung zu investieren, sondern in Schulen, Krankenhäuser, öffentlichen Wohnungsbau und Öffentlichen Nahverkehr.

Unser Rüstungsatlas dokumentiert: In Hessen finden sich zwölf Bundeswehrstandorte. Die quantitativ nicht bedeutsam scheinende Zahl darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hessen eine zentrale Rolle für weltweite Auslands- und Kriegseinsätze deutscher Soldaten spielt.

In unserer Nachbarstadt Stadtallendorf befindet sich seit 2014 das Kommando der „Division Schnelle Kräfte“ (DSK), deren Motto „einsatzbereit – jederzeit – weltweit“ macht die Stoßrichtung der neuen deutschen Außenpolitik deutlich: Eine auf weltweite Militärinterventionen ausgerichteten Außenpolitik zur Absicherung von geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen.

Seit der Bundestagswahl sind 11 Auslandseinsätze der Bundeswehr verlängert worden. DIE LINKE bleibt dabei. Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik ab. Wir fordern alle Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden. Das wäre der beste Beitrag für eine Politik der Friedenssicherung.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Krieg ist Fluchtursache Nummer Eins. Wer Waffen produziert und exportiert, wer eine Militarisierung der Außenpolitik betreibt, wer sich militärisch an den Kriegen und Krisen in der Welt beteiligt, darf sich auch nicht wundern, wenn Menschen in die Flucht getrieben werden und bei uns Zuflucht suchen.

Aber auch aus Hessen wird in Kriegsgebiete abgeschoben. Die Bundesregierung schickt mehr Soldaten nach Afghanistan und erklärt es gleichzeitig als so sicher, dann dorthin Menschen abgeschoben werden. Ich finde das eine Schande! Und ich finde es ist unsere Aufgabe, sich für Menschen einzusetzen, die auch Opfer der Kriege geworden sind, an denen Deutschland beteiligt war. Ich denke an Azeem A., der aus einer freiwilligen Rückkehrberatung hier in unserem Landkreis abgeschoben worden ist. DIE LINKE lehnt die inhumane Abschiebepraxis ab und wird sie so oft wir können im Landtag zur Sprache bringen.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

über Kriegs- und Rüstungspolitik wird nicht in erster Linie in Hessen und in unseren Städten und Gemeinden entschieden. Und dennoch ist es wichtig, hier wo wir leben und uns engagieren aktiv zu werden.

Oft wird in den Medien der Niedergang der Friedensbewegung beschworen. Ich finde dieses Urteil falsch. Blicken wir mal nach Marburg. Im Jahr 2011 haben wir in der Auseinandersetzung um das irrsinige

Zurück nach Hessen: In Artikel 69 der Hessischen Verfassung heißt es unmissverständlich: „Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. Der Krieg ist geächtet. Jede Handlung, die mit der Absicht vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig.“

Von der großen Mehrheit im Hessischen Landtag ist hier leider wenig zu erwarten. Umso wichtiger, dass Friedensbewegung, Gewerkschaften und Menschenrechtsaktivisten und viele mehr Druck auf die Verantwortlichen ausüben.

Arbeiten wir gemeinsam daran, dass der Einsatz für Frieden, Freiheit und Völkerverständigung und die Ächtung von Krieg und Rüstung Leitlinien hessischer Landespolitik werden!

 

Jan Schalauske ist Mitglied des Hessischen Landtags für die Fraktion Die Linke.