Redebeitrag von Uwe Leising für den Ostermarsch Ruhr in Herne am 1. April 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

was ist die herrschende Religion in unserer Gesellschaft? Als Pfarrer darf ich das fragen.

Bevor Sie jetzt überlegen, „Ist es noch das Christentum oder schon der Islam?“ möchte ich selbst die Antwort geben:

Keine von beiden! Die herrschende Religion ist der Mythos von der erlösenden Kraft der Gewalt. So schreibt es Walter Wink bereits 1999 in seiner „Theologie der Gewaltfreiheit“. Zu dieser Religion zählt die Überzeugung, dass Gewalt rettet, Krieg Frieden bringt und Macht Recht schafft. Solange es Staaten gibt, die sich gegeneinander behaupten, gibt es diesen Glauben. Bereits in den Schöpfungsmythen Babylons ist dieser Glaube nachweisbar.

Seitdem ist dieser Mythos in unzähligen Varianten erzählt worden. Niemand kennt mehr seinen Ursprung. Doch immer wieder wird erzählt: Krieg schafft Frieden, Gewalt rettet vor Chaos, Aufrüstung dient der Sicherheit. Und was immer wieder erzählt wird, das wird dann auch geglaubt. Wenn selbst der Friedensnobelpreisträger Barak Obama 2014 sagen konnte: „Die einzige Sprache, die diese Mörder verstehen, ist die Gewalt.“, dann wird das doch wohl so sein, denken viele.

Doch ich möchte fragen: „Barack Obama, woher weißt Du das? Hast Du es je anders versucht? Hast Du jemals mit diesen Leuten an einem Tisch gesessen und eine Lösung gesucht?“

Mir scheint: Die, die militärische Macht haben, die sind es, die keine andere Sprache sprechen wollen als die der Gewalt.

Darum wird immer weiter aufgerüstet. 2014 hat sich die Nato auf dem Gipfel von Wales das Ziel gesetzt, dass jedes Mitgliedsland bis zum Jahr 2025 mindestens zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiert. Das würde für Deutschland bedeuten, dass dann jährlich mehr als 60 Milliarden Euro in die Rüstung gesteckt würden. 60 Milliarden für Rüstung! Geld, das dringend gebraucht wird gegen den Hunger in der Welt, gegen Armut im eigenen Land, gegen das Auseinanderbrechen der Gesellschaft, für die Integration von Geflüchteten, für Schulen und Kindergärten.

Merkt denn niemand, dass wir uns damit zugrunde rüsten. Jeder Euro, der in Waffen gesteckt wird, fehlt an anderer Stelle.

Und machen wir uns nichts vor: Waffen sind zum Töten da. Ich möchte nur mal zwei Zahlen nennen: Im 19. Jahrhundert sind rund 19 Millionen Menschen im Krieg getötet worden. Eine gewaltige Zahl! Aber diese Zahl ist im 20. Jahrhundert mehr als verfünffacht worden auf 109 Millionen Menschen, die Hälfte davon Zivilisten. Wie kann man diesen sprunghaften Anstieg erklären? Waren die Menschen im 20. Jahrhundert kriegerischer als je zuvor in der Geschichte? Nein, die Menschen waren zu allen Zeiten dieselben. Aber die Waffen sind effizienter und mächtiger geworden. Jetzt tötete man nicht mehr mit Pfeil und Bogen, mit Kugeln oder Schwertern. Jetzt tötete man mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen.

Und wenn man jetzt 60 Milliarden in die Rüstung steckt, wenn kampffähige Drohnen angeschafft werden, wenn die Atomwaffen in Büchel anstatt abgeschafft zu werden, modernisiert werden, wie mag dann wohl die Bilanz der Kriegstoten am Ende dieses Jahrhunderts aussehen?

Wir rüsten uns wahrhaft zu Tode! Mit deutschen Waffen wird jetzt schon getötet. Zum Beispiel in der syrischen Stadt Afrin. 10.000de fliehen schwer verletzt und traumatisiert vor dem Natopartner Türkei, der mit deutschen Waffen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt. Krankenhäuser sind hoffnungslos überfüllt. Frauen entbinden ihre Babys auf der Flucht ohne medizinische Versorgung am Straßenrand. Menschen schreien um ihr Leben. Aber es kommt keine Hilfe! Dieser Krieg ist ein Skandal!

Wir rüsten uns und die Welt zu Tode. Denn das Dogma der Mächtigen lautet noch immer: Krieg bringt Frieden, Gewalt schafft Sicherheit.

Wir aber wollen diesem Dogma nicht länger glauben. Wir wissen: Wer Gewalt sät, wird Krieg, Leid, Tod und Zerstörung ernten! Kriege, wie sie im Irak, Afghanistan und anderen Ländern geführt wurden, haben bewiesen, dass es keine erlösende Kraft der Gewalt gibt. Dieser Glaube ist ein Irrglaube!

Darum sagen wir heute „Nein!“ Wir sagen Nein zum Glauben an die Gewalt! Wir sagen heute Nein ohne jedes Ja zum Krieg als Mittel der Politik. Wir sagen Nein zu Waffenexporten, Aufrüstung, zu nuklearer Bewaffnung und zur Anschaffung von Kampfdrohnen. Wir sagen Nein zu Auslandseinsätzen deutscher Soldaten. Wir sagen aber Ja zu Gewaltlosigkeit, Verständigung und Dialog. Gerade heute, an Ostern sagen wir Ja zum Leben! Denn heute wissen wir: Unser Nein wird nicht umsonst sein.

We shall overcome!

 

Uwe Leising ist Gemeindepfarrer der Stephanus-Kirchengemeinde Holsterhausen.