Redebeitrag für den Ostermarsch Offenbach am 10. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

Liebe Freundinnen und Freunde,
Es sind für uns sehr besondere Zeiten. Wenn es nicht so abgedroschen klingen würde, würde ich sagen, nie war der Frieden und unser Einsatz dafür so wichtig wie heute.
Noch bis vor etwas mehr als einem Jahr waren wir nur die Spinner, die Ewiggestrigen, die Unentwegten die für Frieden in der Welt und gegen den drohenden Atomkrieg demonstrierten. Der Ostermarsch war ein in die Jahre gekommenes Ritual, das seine Bedeutung für die Mehrheit der Deutschen verloren hatte. Bei einem Unterricht den ich kürzlich bei jungen Erwachsenen hielt wusste Niemand! (auch die Lehrerin) etwas mit dem Datum 1.09.1939 anzufangen.
Der Weltkrieg, die Verantwortung unserer Großeltern war aus dem Bewusstsein der Menschen fast verschwunden. Ich denke, nicht aus Eurem, und nicht aus Meinem. Meine Urgroßmutter und meine Großmutter, die 1945
auf der Flucht nach dem Krieg vergewaltigt wurden, sind seit Jahren tot und haben nie darüber gesprochen. Meine Urgroßmutter war eine harte Frau durch Krieg und Flucht und hatte noch in den 1970ern viel Hass gegenüber Tschechoslovaken in sich. Mein Vater, der das als Sechsjähriger auf der Flucht miterlebt hat, aber nie darüber gesprochen, ist ebenfalls seit Jahren tot. Der Vater meiner Mutter, mein Großvater, welcher noch selbst als Kreisleiter der NSDAP Menschen in Konzentrationslager oder in den Krieg geschickt hat, ist bereits kurz nach meiner Geburt gestorben.
Viele glaubten, wir könnten das alles hinter uns lassen und wollten das auch hinter sich lassen. Die neuen Rechten wollen sogar seit Jahren, dass wir die „Tafel wischen“, das wir vergessen, was vor 1945 war!
Doch selbst ein vergangener Krieg zerstört Leben und Glück noch viele Jahrzehnte später. Der Hass und die Erinnerung leben noch lange weiter. Die Traumata sitzen tief. Bis zu den Enkeln und Urenkeln, und haben noch Einfluss auf deren Leben. Den Hass konnten wir überwinden, die Erinnerung jedoch muss bleiben und uns mahnen! Das! müssen wir ins Bewusstsein der Menschen zurückbringen.

Wir lebten geschichtsvergessen, scheinbar in einem unendlichen Frieden. Durch den Überfall Putins auf die Ukraine hat sich viel geändert. Auch im Bewusstsein der Bevölkerung. Die Menschen, in Deutschland müssen sich plötzlich verhalten, Sie müssen sich befassen. Der Anlass ist furchtbar. Mit Themen wie Krieg, Mord, Greuel, Flucht, Überle-ben in Kälte und Dunkelheit - Themen, die weit weg schienen.
Bei vielen Menschen hat das die Menschlichkeit geweckt, die teilweise für Flüchtlinge aus dem Globalen Süden nicht vorhanden war. Seltsamerweise gibt es gleichzeitig aber auch einen neuen Mainstream des Militarismus in Deutschland–auch von Vielen, von welchen man dies nicht erwartethätte. „Mit Panzern spielen“ heißt ein aus meiner Sicht ausgezeichneter Debattenbeitrag im Spiegel am 13.03. diesen Jahres.
Hier geht es um Deutschland in einer neuen Führungsrolle in einem hochgerüsteten Europa.
Da heißt es: „Es ist in Wahrheit nicht Führung, was von Deutschland verlangt wird, sondern eher: Vorhut zu sein, auf einem deutschen Weg, der womöglich in den Krieg führen kann... ...In ein Land, In dem wieder »Drückeberger« heißt, wer nicht zur Armee gehen und Soldat*in werden will? Und die rhetorische Frage.... „Wo nicht mehr Friedfertigkeit Priorität hat, sondern Ertüchtigung? „
Diese Sorge habe ich auch.  Wir werden im Moment getrieben! Das muss aufhören! - ohne das wir aufhören humanitäre Hilfe für die Ukraine zu leisten.
Wir haben aus meiner Sicht als Deutsche unsere Rolle noch immer nicht gefunden.
Unsere Rolle kann und darf nicht die, des größten Waffenhändlers mit den besten Waffen sein. Ein Wiederauferleben des „Germans to front“ wie im Boxeraufstand muss verhindert werden. Dabei sollte unsere Rolle in Europa seit vielen Jahrzehnten eigentlich klar sein.
Nie wieder!
Wir wollen echten Frieden, - nicht nur für die Ukraine - nicht nur die Abwesenheit von Krieg!

Es liegt an uns, mehr Menschen ehrlich davon zu überzeugen. Kindern und Jugendlichen die Lehren aus der deutschen Geschichte zu vermitteln.
Nicht aus parteipolitischem Kalkül, sondern damit unsere Kinder und Enkel die Chance haben in echtem Frieden aufwachsen. Wir dürfen deshalb keinesfalls die Kriegsschuld relativieren,...
Und auf gar keinen Fall den Überfall auf die Ukraine verharmlosen!
Niemals kann es einen Grund geben einen Krieg gegen ein Nachbarland zu beginnen.

Nie wieder – muss überall auf der Welt gelten!

Danke

 

Rolf Müller.