Redebeitrag für den Ostermarsch Freundenberg am 8. April 2023

 

- Sperrfrist: 8. April 2023, Redebeginn: 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

60 Jahre Städtepartnerschaft Courbevoie - Freudenstadt - vom Krieg zum Frieden und zur Freundschaft

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

in der Europahymne von Beethoven heißt es: “Alle Menschen werden Brüder (und Schwestern).“ Diese Vision scheinen damals bei einem Bürgermeistertreffen der europäischen Union in der Schweiz Bürgermeister Roche aus Courbevoie und Bürgermeister Walter Bärlin aus Freudenstadt gehabt zu haben. Eine Städtepartnerschaft suchten beide, eine Partnerschaft, die unterschiedlicher nicht hätte sein können.

Damals der industriell geprägte Vorort von Paris, dort der touristische Kurort.

Heute: La Defense mit ihrer Skyline und 80.000 Einwohnern, dem gegenüber das Mittelzentrum Freudenstadt mit 25 000 Einwohnern und dem Waldcafé; unterschiedlicher konnte man kaum sein.

Wir sind hier im „Park Courbevoie“. In Courbevoie gibt es einen zentralen „Parc de Freudenstadt.“

Um die Städtefreundschaft zu gründen, fuhr eine Delegation aus Freudenstadt nach Courbevoie mit dem damaligen Hauptamtsleiter Gerhard Wolf, der später Bürgermeister von Freudenstadt werden sollte.

Charles Déprez war geprägt von seinem Widerstand gegen Nazi-Deutschland und seiner Zeit im Konzentrationslager in Dachau, bis er dort von den amerikanischen Truppen befreit wurde.

Gerhard Wolf erlebte am 16.April 1945 die sinnlose Zerstörung Freudenstadts durch die Franzosen, wenige Tage bevor der Krieg zu Ende war.

Déprez und Wolf waren sich auf Anhieb sympathisch und waren die Basis der langjährigen soliden Freundschaft der beiden Städte.

Noch vor dem als Elysee-Vertrag zwischen Charles de Gaulle und Konrad Adenauer unterzeichnete Freudenstadt den Partnerschaftsvertrag am 1. Oktober 1961, am 28.April 1962 wurde er in Courbevoie ratifiziert.

„Wir haben uns vorgenommen, die Vergangenheit zu vergessen und wollen ein neues, friedliches Europa aufbauen!“ beendete Wolf seine Rede zum Partnerschaftsvertrag.

Déprez erwiderte: „Die 3 Kriege zwischen unseren Nationen haben nur negative Ergebnisse hervorgebracht – nein, wir haben gelernt, dass wir nur in gemeinsamer Freundschaft ein friedliches Europa schaffen können.“

Und diese Städtepartnerschaft sollte kein Projekt der Eliten bleiben, vielmehr sollten Bürgerinnen und Bürger und vor allem die Vereine intensiv in die Partnerschaft mit eingebunden werden. Eine große Rolle spielte auch der Schüleraustausch zwischen beiden Städten, verantwortlich hierfür Beigeordneter Deininger und Rektor Burghardt auf deutscher Seite und die unvergessene Mademoiselle Bourgeois als Deutschlehrerin in Courbevoie.

Besonders beeindruckt hat mich die Aussöhnung der Veteranen und der anciens combattents, von der mir mein ehemaliger Nachbar Schumacher Geiger berichtete. „Wir waren auf beiden Seiten so dumm und haben doch nur Zerstörung und Leid angerichtet. Das darf nie mehr geschehen!“

Erst vor wenigen Jahren wurde der intensive Austausch zwischen den Briefmarkensammlern beider Städte mit der 50jährigen Vereinspartnerschaft mit gegenseitigen Ausstellungen gefeiert.

Der Akkordeonverein unter Maria Jehl umrahmte nicht nur die offiziellen Veranstaltungen, es entstanden auch enge Beziehungen bis in den familiären Bereich hinein und man besuchte sich auch gegenseitig außerhalb der offiziellen Treffen.

Ein wichtiger Bestandteil waren auch die jährlichen Sportlertreffen an alternierenden Orten. Unvergessen ein Treffen der Volleyballer mit Übernachtung in 3-Stock-Etagenbetten im Keller des Stade Municipal mit anschließenden „Frühstückservice“ unserer Partnermannschaft.

Aber auch der 3wöchige Wohnungstausch mit einem Volleyballkollegen bleibt mir in tiefer Erinnerung.

In diesem Jahr findet unter der Federführung des deutsch-französischen Freiwilligendienstes ein Austausch zwischen den Rathäusern statt: Felix Sanchez arbeitet für 1 Jahr im Rathaus in Freudenstadt. Er organisiert dort vertieften Austausch aller Altersgruppen und Amely Götter erarbeitet kulturelle Veranstaltungen im Rathaus in Courbevoie.

Ich durfte die Partnerschaftstreffen zum 30., 40., 50. und 60. Partnerschaftsjubiläum miterleben, größtenteils als Stadtrat.

Bei über 30 Begegnungen der beiden Kommunen durfte ich zur Völkerverständigung und Freundschaft zwischen Freudenstadt und Courbevoie beitragen.

Aus Feindschaft wurde tiefe Freundschaft und dies ganz egal ob unter den Bürger- und Oberbürgermeistern Bärlin, Wolf, Pfeifer, Reichert oder Osswald und auf der Seite von Courbevoie den Bürgermeistern Charles Déprez und seinem Nachfolger Jacques Kossowski.

Allen war klar und diese Botschaft soll vom heutigen Tag von Freudenstadt ausgehen:

Nie wieder Feindschaft - nie wieder Krieg.

Vielen Dank.

 

Eberhard Haug ist aktiv beim SPD OV Freudenstadt - Oberes Wolftal.