Redebeitrag für den Ostermarsch Berlin am 8. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde.

Der Bundeskanzler hat im Bundestag von einer Zeitenwende geredet. Wir sagen klar: nein, diese Zeitenwende wollen wir nicht. Wir wollen nicht immer mehr Aufrüstung, nicht immer mehr Konfrontation, nicht mehr immer mehr mediale Gleichstellung, und nicht mehr immer mehr Militanz in der deutschen Politik.

Das hat nichts mit Frieden, Kooperation und gemeinsamer Sicherheit zu tun, die wir dringend brauchen.

Wir erleben heute weltweit die größte Gefahr, nämlich die Rückkehr des Nationalismus. Und deshalb ist die Friedensbewegung so wichtig. Denn völkisches Denken hat oft genug in der Geschichte der Menschheit in den Krieg geführt. Deshalb ist die Friedensbewegung auch nicht nach rechts offen. Im Gegenteil, sie bekämpft Nationalismus und völkisches Denken. Dagegen haben unsere Vorgänger gekämpft und dagegen kämpfen wir auch heute.

Wir müssen heute alles tun, dass die Aufrüstung gestoppt wird.

Was ist das für ein Wahnsinn, dass die Bundesrepublik - wenn die Umsetzung von 2 % und Sondervermögen Realität wird - auf Platz vier auf der Rangliste der Länder mit den höchsten Militärausgaben aufrückt. Auf Platz vier! Wer hat das gewollt?

Und genauso stellen wir die Frage: wie kann es sein, dass die NATO immer mehr zu einer globalen Armee wird? Wo wurde darüber diskutiert? Wer hat das entschieden? Wir, die Demokratie jedenfalls nicht.

Was ist das für eine merkwürdige Zeitenwende, in der jeder, der für den Frieden eintritt, nieder- und verächtlich gemacht wird. In der aber jeder, der zu den Waffen ruft, als vernünftig gilt. Das ist das, was ich die Krise des Gehirns nenne.

Und dabei meine ich noch nicht einmal alleine die etwas merkwürdigen, aus der Zeit gefallenen Botschafter der Ukraine. Ich meine auch Berater der Bundesregierung, die auf den Friedensappell, den wir vor einer Woche gestartet haben, antworten: „Habt ihr den Schuss nicht gehört?“ Ich kann nur sagen: „Ihr habt den Schuss nicht gehört.“

Ja, es war Graf Lambsdorff, der außenpolitischer Sprecher der FDP, der die Friedensbewegung als 5. Kolonne Moskaus und Helfershelfer von Putin diffamiert hat.

Ich kann nur sagen, wäre Hans Dietrich Genscher mit seinen Positionen, nämlich Zusammenarbeit und europäische Sicherheitsordnung, noch in der FDP, müsste Graf Lambsdorff einen Ausschlussantrag stellen.

So haben sich die Zeiten verändert. Und so haben sich auch manche Parteien verändert.

Doch wir sind hier, um die Politik nicht diesen Blinden zu überlassen. Denn die Summe und die Parallelität der Krisen, die wir heute erleben, sind beängstigend.

Uns darf nicht das Verständnis verloren gehen, dass es globale Menschheitsgefahren gibt, die nur gemeinsam bewältigt werden können.

Was haben wir bloß für eine Außenministerin, die das nicht begreift. Auf jeden Fall ist sie fehl am Platze.

Die Klimakrise, die absehbare Verknappung von Rohstoffen und Lebensmitteln. Ich will nur darauf hinweisen, dass eine Erwärmung von 1,8 Grad bedeutet, dass in über 20 Ländern Afrikas die Nahrungsmittelproduktion um mindestens 20% zurückgehen wird. Die Frage der Bekämpfung von Armut und Hunger, das alles sind Katastrophen, die zum Krieg führen können.

Wenn die Welt als Antwort darauf nur immer mehr Abschottung und immer mehr Waffen kennt, dann wird sie mitschuldig an den großen Gefahren der Zukunft.

Kurz, wir treten heute in das gefährlichste Jahrzehnt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein und wir müssen alles tun, dass unsere Zeit nicht ähnlich dramatisch endet.

Deshalb brauchen wir eine starke Friedensbewegung. Deshalb brauchen wir auch Leute, die nachdenken, nicht die Schreihälse.

Und deshalb muss man auch klar sagen, es gibt nur 2 Alternativen im Ukrainekrieg. Die eine Alternative ist, dass das Land ausblutet oder die NATO immer stärker in diesen Krieg reinzieht und es zu einem atomaren Weltkrieg werden kann.

Das ist die eine Alternative. Und die andere Alternative ist Waffenstillstand und Frieden schaffen. Es gibt keine andere Alternative, gerade im Interesse der Ukraine.

Und deshalb muss Kiew aufhören, auf außen zu hören.

Wie kann es sein, dass Herr Boris Johnson oder der US-amerikanische Verteidigungsminister mehr zu sagen haben als jede Vernunft! Damit muss Schluss sein.

Willi Brandt hat gesagt, wir brauchen eine Europäisierung Europas. Und das brauchen wir auch für die Ukraine, und keine Fremdbestimmung von Dritten.

Also: Europa muss für den Frieden kämpfen und wir müssen damit anfangen.

 

Michael Müller ist Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschland.