Redebeitrag für den Ostermarsch Offenbach am 10. April 2023

 

- Sperrfrist: 10. April 2023, Redebeginn: 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Danke für die Einladung zu einer Rede. Als Pfarrerin ist mir Ostern das schönste Fest. Das Fest der Auferstehung Jesu ist ein „Aufstand für das Leben“. Gefeiert wird an Ostern, dass die Gewalt nicht das letzte Wort hat. Ich bin gern hier, zusammen mit frommen und politischen Menschen, mit allen, die immer schon die „5.Kolonne Moskaus“ oder „Ponyhofpazifisten“ oder „linke Spinner“ genannt wurden. Das passt zu Ostern. Belächelt, verspottet, schräg angesehen war schon Jesus vor 2000 Jahren. Dabei sagte der so tolle Sätz wie „Selig sind, die Frieden stiften…“ und „Wer das Schwert nimmt, der kommt durch das Schwert um…“

Über 60 Jahre marschieren Menschen zu Ostern für den Frieden. Es waren internationalen Kriegsdienstgegner, Gewerkschaften, Naturfreunde und christlich-pazifistische Gruppen, die die Ostermärsche gegen die Entwicklung von Atomwaffen in England Ende der 50ger Jahre aus der Taufe gehoben haben.

Hier in Offenbach können wir ein bisschen stolz sein. Denn in Deutschland war einer der ersten Vorläufer des Ostermarschs im Jahr 1959 ein Marsch der Naturfreunde von Hanau nach Offenbach. Lange her, ja, aber wenn ich mich hier so umsehe, dann muss ich sagen: Naturfreund*innen, Antimilitarist*innen, Gewerkschaften, pazifistische, christliche, politische Menschen marschieren immer noch. Gut so. Es gab Hoch-Zeiten und Tief-Zeiten in der Bewegung. Eine Hoch-Zeit war in den 80gern Jahren. 700.000 Menschen gegen den NATO-Doppelbeschluss und atomare Mittelstreckenwaffen.

Und heute? Sind wir viele bei den Ostermärschen? Wir haben Krieg in Europa. Unser Land liefert Waffen und rüstet die Bundeswehr auf. Die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet die militärische Verteidigung der Ukraine, zu den 100 Milliarden für die Bundeswehr sind die Meinungen ähnlich.

Ostermarschierer sind nicht die Mehrheit, waren es vermutlich nie und werden es nie sein. Denn die alte Mär, dass nur Gewalt von Gewalt erlösen kann, sitzt tief. Es ist leichter, in einem Schema „Freund-Feind“, „Gut-Böse“ zu denken. Und es treibt das Geschäft mit der Rüstung in die Höhe, eine „Achse des Bösen“ zu kreieren und damit den Mythos der erlösenden Gewalt immer weiter zu erzählen. Wer an Ostern marschiert, der oder die setzt mit jedem Schritt, bei Regen und Sonnenschein gegen den Mythos der erlösenden Gewalt die Überzeugung, dass wir Menschen unseren Grips dafür haben, Frieden zu machen. Das ist anstrengend, ja, denn es erfordert Geduld, Hartnäckigkeit und Kompromissbereitschaft. Doch um des Lebens willen sind alle und wirklich alle Bemühungen darum, Konflikte nicht mit Waffen zu lösen und Kriege so schnell wie möglich zu beenden, der Anstrengung wert. Der Frieden beginnt mitten im Krieg und muss jetzt vorbereitet werden.

„Kriege beenden – den Frieden gewinnen“ ist das Motto des diesjährigen Ostermarschs nach Frankfurt. Und natürlich werden alle Reden heute dazu geprägt sein von dem Krieg in der Ukraine. Wie kann dort Frieden werden? Wenn wir unseren Grips dafür benutzten, dann kommen wir zuallererst zur selbstkritischen und traurigen Einsicht: Deutschland ist de facto längst Kriegspartei geworden. Als Friedenstäubchen kann unser Land nicht auftreten. Könnte nicht mehr als Vermittler agieren. Aber von einem klugen Pazifismus her gedacht würde ich sagen: um Frieden zu schaffen, braucht es neutrale Dritte, die vermitteln. Und die gibt es in diesem Konflikt in der Weltgemeinschaft. Es wäre eine feine Sache, wenn Deutschland die Stimmen des globalen Südens stärken würde. Wie wichtig wäre eine globale Allianz, die gegenüber beiden Seiten Gewicht hat.

Frieden braucht Verhandlungen. Und Frieden ist mehr als das Schweigen der Waffen. In den Kirchen setzen wir auf einen gerechten Frieden. Ein gerechter Friede schützt Menschen vor Gewalt, baut Not ab, fördert Freiheit (Rechtsstaatlichkeit) und erkennt kultureller Vielfalt an. Wenn ich all diese Punkte auf die Lage in der Ukraine beziehe, dann ist schnell klar:

Gerechter Friede kostet richtig viel Geld- mehr als die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. In gerechten -und das heißt auch nachhaltigen Frieden muss investiert werden. -Um Kriege weltweit zu beenden. Der Jemen, der Kongo, der Sudan, Äthiopien-Eritrea, Syrien und Afghanistan, der mutige Kampf der Kurden- all diese Orte brauchen einen gerechten Frieden.

Darum fordern kirchliche Verlautbarungen die Unterstützung einer Politik der menschlichen Sicherheit statt militärsicher/ staatlicher Sicherheit und politisch die Umsetzung einer kohärenten Friedenspolitik. Die Bundesregierung veröffentlicht in diesen Tagen eine „Nationale Sicherheitsstrategie“. Ich habe meine Zweifel an diesem Ansatz des „Nationalen“, wenn ich an Frieden denke. Investitionen in nachhaltigen Frieden heißt:

  • In internationale Abrüstungsinitiativen investieren
  • Mehr internationale Kooperation, um die Lebensgrundlagen aller Menschen zu schützen.
  • Stärkung der zivile Friedensfähigkeit Deutschlands, d.h. Ausbau ziviler Krisenprävention und Friedensförderung.

Ich habe mit Ostern angefangen und will mit Ostern aufhören. Darum ein paar Sätze zur orthodoxen Kirche in Russland und in der Ukraine.

Die internationale Kirchengemeinschaft hat die Haltung des russischen Patriarchen Kyrill deutlich verurteilt. Patriarch Kyrill rechtfertigt bis heute den russischen Angriff auf die Ukraine. Russland sei angegriffen durch westliche Werte wie Freiheit, Gleichberechtigung, Anerkennung homosexueller Lebenspartnerschaften. Solche Sätze sind für mich schlicht Gotteslästerung. Und ich bin froh, dass das größte internationale Kirchengremium, der Ökumenische Rat der Kirchen klar gesagt hat: „Krieg ist nicht Gottes Sinn“. Ich erwarte von den Kirchen klare Worte gegen homophobe, rassistische und nationalistische Reden, die solche gefährlichen und menschenverachtenden Gedanken auch noch mit fromme Soße krönen.

Zugleich sind natürlich alle Wege für Gespräche miteinander zu suchen. Dazu braucht es in diesen Zeiten sichere Räume / „Safe spaces“ und Vertrauen, das wachsen kann.

Genau zuzuhören ist denen, die zunehmend keine Stimme mehr haben. Viele Kirchenleute sind -ähnlich wie politisch Oppositionelle und Kriegsdienstverweigerer- aus Russland weggegangen, weil der Druck zu groß wird. Sie alle brauchen Schutz und Asyl.

„Kriege beenden – den Frieden gewinnen“ – lasst uns weiterdenken. Dazu haben wir unseren Grips. Das biblische Bild fürs Weiter-Denken ist die Vision einer möglichen Transformation: Schwerter zu Pfluscharen. Weg von den Waffen, hin zu Brot und Sicherheit für alle. Politisch gesprochen ist „Schwerter zu Pflugscharen“ eine Bewegung hin zu mehr Ernährungssicherheit, Bildung, Entwicklung, stabiler staatlicher Infrastrukturen.

Ich wünsche allen Ostermarschierenden einen guten Weg, Geduld und Hartnäckigkeit, damit Frieden Schritt für Schritt werden kann.

Vielen Dank.

 

Pfarrerin Sabine Müller-Langsdorf ist Beauftragte für Friedensarbeit im Zentrum Oekumene der Ev. Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW).