Redebeitrag für den Ostermarsch in Dortmund am 10. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Friedensfreund innen und vor allen Dingen liebe Ostermarschierer innen,

wir treffen uns heute hier an der vorletzten Etappe des Ostermarsches, weil wir uns für den Frieden einsetzen, weil wir uns für ein Ende des Krieges in der Ukraine einsetzen und dafür, dass alle Kriege auf der Welt endlich beendet werden.

Ich spreche hier als Flüchtlingspatin, aber nicht für die Flüchtlingspaten Dortmund. Auch in unserem Verein gibt es unterschiedliche Meinungen über den Krieg in der Ukraine, aber wir sind uns einig in unserer solidarischen Arbeit für die Geflüchteten. Als Flüchtlingspatin weiß ich, Krieg ist eine der wesentlichen Fluchtursachen! Geflüchtete, denen wir helfen sind Überlebende aus Kriegen und sie haben Fluchtwege überlebt, die hermetisch abgeschottet werden, sodass Flüchtende zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken, am NATO-Stacheldraht der europäischen Außengrenze sterben, erfrieren und in den Wüsten Afrikas verdursten.

Weltweit hat sich die Zahl der Flüchtenden seit 2013 verdoppelt.

Von 50 Mio. auf über 100 Mio. 2022. Ein wesentlicher Grund sind Kriege, aktuell der Krieg in der Ukraine. Bis Anfang April sind laut Schätzungen des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) rund 20,1 Millionen Menschen aus der Ukraine (mit einer Bewohnerzahl von knapp 44 Millionen 2021) in Folge des Krieges im Lande geflohen oder haben die Grenze in ein Nachbarland überquert. Zusätzlich haben rund 11,6 Millionen Menschen die Grenze in die andere Richtung überquert. Die Gesamtzahl der in der EU registrierten Flüchtlinge aus der Ukraine beträgt etwas über 8,1 Millionen im März 2023. Über eine Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine sind in Deutschland aufgenommen worden. Sie erfahren eine enorme zivilgesellschaftliche Hilfsbereitschaft, für sie gelten rechtliche Begünstigungen und bürokratische Vereinfachungen. Und das ist gut so, das erleichtert auch die Arbeit der Unterstützer innen. Aber wie der Flüchtlingsrat NRW herausstellt, gibt es dabei eine eklatante Ungleichbehandlung: Menschen, die aus der Ukraine flüchten, aber keinen ukrainischen Pass haben sowie alle anderen Geflüchteten unterliegen weiterhin starken Einschränkungen bei den Sozialleistungen, der Arbeits- und Wohnungssuche, sie bekommen nur mit großer Mühe Sprachkurse, die Kinder keine Plätze in der Schule. Das ist nicht hinzunehmen. Unser Verein unterstützt alle Geflüchteten, z.B. aus den Kriegen in Afghanistan, Irak, Syrien, Afrika und natürlich auch aus der Ukraine.

Wir wenden uns entschieden gegen die Verunglimpfung von Flüchtlingen als Sozialschmarotzer z.B. aus den Reihen der CDU.

Wir sagen, Fluchtursachen müssen beseitigt werden, solange das nicht der Fall ist, müssen wir die Geflüchteten menschenwürdig aufnehmen, und zwar ungeachtet ihrer Herkunftsländer!

Und bei der Gelegenheit ein paar Worte an die Adresse diejenigen, die am rechten Rand behaupten, sie seien die einzige Friedenspartei, da sie gegen den Krieg in der Ukraine votierten.

Wenn man genau hinguckt, steckt doch das dahinter: Die AfD als das parlamentarische Feigenblatt der äußerst Rechten skandiert „Deutschland zuerst!“ sie wollen diesen Krieg nicht, weil er in ihren Augen für Deutschland nichts bringt. Im Bundestag wird von der AfD unter folgender Voraussetzung für Auslandseinsätze gestimmt:

Der Abgeordnete Jan Ralf Nolte erklärte: „Wir legen einen strengen Maßstab an, wenn es darum geht, ob wir Auslandseinsätzen zustimmen oder nicht. Der nationale Nutzen eines Einsatzes muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem Risiko stehen, das unsere Soldaten tragen“   Die AfD stimmte zuletzt geschlossen für die Erhöhung des Bundeswehretats. Die Bundeswehr müsse aufgerüstet, die Gesellschaft durch eine allgemeine Wehrpflicht für alle Männer militarisiert werden, für Frauen und Männer, die Waffen nicht in die Hand nehmen wollen, soll ein zusätzlicher Gemeinschaftsdienst eingeführt werden. Das kennen wir, einen Arbeitsdienst gab es schon mal.

Mit ihrem rassistischen und ausländerfeindlichen Weltbild verlangt die AfD Abschottung gegen Geflüchtete, Abschiebungen auch in Kriegsgebiete, Geflüchtete aus der Ukraine bezeichnet Alice Weidel als Sozialtouristen.

Die AfD als einzige Friedenspartei! Wie demagogisch!

Der Friedensbewegung sind Rassismus, Militarismus und Nationalismus fremd.  Völkerverständigung und Solidarität mit den ausgegrenzten Menschen der Erde ist ein Kennzeichen der Friedensbewegung.

Die AfD sagt, Deutschland zuerst! Sie sagt: Abschottung gegen Flüchtlinge, sie sagt, Hochrüstung ja. Wofür eigentlich? Für Kriege, die Deutschland nutzen! Wir haben mit diesen Leuten nichts gemein!

Ja, Russland hat die Ukraine am 24.02. 2022 angegriffen und damit ist der offene Krieg ausgebrochen.

Aber bis heute hat der Krieg den zu Grunde liegenden Konflikt nicht aus dem Weg geräumt.

Ein Konflikt, der seit 2014, seitdem die ukrainische Regierung gegen ihre eigene Bevölkerung im Osten militärisch vorgeht, bis Anfang 2022 bereits 14.000 Menschenleben gekostet hatte.

Ein Konflikt, der seit Beginn der 90er Jahre dadurch befeuert wird, dass die NATO sich kontinuierlich nach Osten in Richtung russischer Grenze ausdehnt.

Der Kampf um die Ukraine als Aufzugsgebiet der NATO einerseits und als Puffer für Russland aus seiner Sicht gegen die Natobedrohung andererseits wird auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung geführt und mit ihren Menschenleben bezahlt. Und auch mit den Menschenleben der russischen Soldaten.

Der Krieg in der Ukraine hat riesengroßes Elend bereitet, er hat Zehntausende, wahrscheinlich Hundertausende von Toten gefordert, in der Ukraine und auch auf russischer Seite, fordert jeden Tag weitere Tote.

Es wird behauptet, das ukrainische Volk sei bereit, alle Opfer zu tragen, die Folgen des sog. Abnutzungskrieges auszuhalten. Und es wird gerne geglaubt. Sind es doch nicht unsere Söhne und Männer, unsere Familien, die dort sterben. Aber stimmt die Erzählung von der Opferbereitschaft?

 Wir hören, was uns eine ungarische Mutter aus dem Grenzgebiet zur Ukraine erzählte: Die Mütter in der Ukraine versteckten ihre Söhne in den Wäldern, die Söhne, die nicht mehr fliehen können, weil sie an der Grenze sofort festgesetzt und an die Front gebracht werden. Die Lebenserwartung eines solchen Rekruten im Krieg sei höchsten 4 Tage!!

Die deutsche Regierung behauptet, der Krieg sei alternativlos, er müsse bis zum Sieg geführt werden; Dafür brauche es Waffenlieferungen, Kampfpanzer, demnächst Kampfflugzeuge, dann Bodentruppen? In nächster Zukunft panzerbrechende Uranmunition und vor allem----- einen langen Krieg!

Wem dieser Krieg auf jeden Fall dient, das ist die Rüstungsindustrie, Konzerne wie Rheinmetall oder Heckler und Koch sind in Champagnerlaune, die Gewinne schießen durch die Decke. Demnächst wird Rheinmetall die Panzer direkt in der Ukraine produzieren. Dann ist es nicht so weit zum Einsatz.

Dabei stimmt uns die Bundesregierung auf Kriegswirtschaft ein und darauf, diesen Krieg mitzutragen, die Folgen auszuhalten: Der Frontalangriff auf den sozialen Standard mit der Inflation, angetrieben vor allem durch die hohen Öl- und Gaspreise, macht den Alltag für immer mehr Familien unbezahlbar. Die Sanktionen gegen Russland haben den Charakter eines Wirtschaftskrieges angenommen und verstärken weltweit Hunger und Armut.

Und wofür das Ganze? Für den militärischen Sieg der Ukraine gegen Russland?

Exgeneräle wie Erich Vad, Harald Kujat oder der höchste Militär der USA, General Milley warnen, dass dieser Krieg gegen Russland militärisch nicht zu gewinnen ist. Er ist nicht zu gewinnen gegen eine Atommacht. Es ist ein Wahnsinn, das zu glauben!

Nein, dieser Krieg ist nicht alternativlos!

Die Alternative war im März 2022, einen Monat nach Kriegsbeginn, zum Greifen nah. Das wurde damals in unseren Medien nicht verbreitet. Deswegen möchte ich kurz darauf eingehen:

Anfang 2023 erklärte der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses General a.D. Harald Kujat:

Russland hatte sich in den sog. Istanbulverhandlungen, initiiert von der Türkei und Israel dazu bereit erklärt, seine Streitkräfte auf den Stand vom 23.02. 2022 zurückzuziehen, also vor Beginn des Angriffs.

Selenskij hatte sich im Gegenzug verpflichtet, auf eine Nato-Mitgliedschaft zu verzichten und keine Stationierung von ausländischen Truppen oder ausländischer Militäreinrichtungen zuzulassen.

Dafür sollte die Ukraine Sicherheitsgarantien von Staaten ihrer Wahl erhalten.

Die Zukunft der besetzten Gebiete sollte innerhalb von 15 Jahren diplomatisch, unter ausdrücklichem Verzicht auf militärische Gewalt, gelöst werden.

Doch woran scheiterte dieser Waffenstillstand, diese diplomatische Lösung??

Es war der Nato-Westen, es war der britische Premierministers Boris Johnson, der im Einklang mit den USA auf Abbruch bei Selenskij drängte und das auch durchsetzte. Die Begründung:

Der Westen sei für ein Kriegsende nicht bereit. Die Ukraine könne ihre Ziele militärisch erreichen.

Welch ein Wahnsinn!

Wie viele tausend Menschenleben hätten ab März 2022 gerettet werden können, wenn dieser Plan umgesetzt worden wäre. Millionen von Flüchtlingen hätten in ihrer Heimat bleiben können.

Heute gibt es erneut Vorschläge für einen Waffenstillstand und einen diplomatischen Prozess zur Beilegung des Konfliktes, wie der 12-Punkte Plan aus China; selbst im US-amerikanischen Außenministerium wird über ein baldiges Ende des Krieges nachgedacht.

Warum also nicht sofort?

Stattdessen setzt die Bundesregierung auf weitere Waffenlieferungen. Die Militärhilfe für die Ukraine ist von 3 auf 15 Milliarden Euro aufgestockt worden. Täglich müssen wir uns in den Medien deutsche Panzer vorführen lassen. Wer nach Diplomatie verlangt, wird als naiv bezeichnet.

Ein langer Krieg wird eingeplant.

Dabei ist die Gefahr einer Verallgemeinerung des Krieges, einer Eskalation in einen Weltkrieg so groß wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Für eine solche Eskalation bedarf nur noch eines Funkens, um in Europa einen Flächenbrand zu entfachen. Und das wäre höchstwahrscheinlich ein Atomkrieg mit unzähligen Millionen Todesopfern.

Je länger der Krieg dauert, umso schwieriger wird eine diplomatische Lösung. Doch das ist die einzige Lösung!

Wir müssen Waffenstillstand und Diplomatie immer wieder auf die Tagesordnung setzen, auch wenn die Friedenskräfte als Putinversteher bezeichnet werden, auch wenn wir, was ungeheuerlich ist, in die rechte Ecke gestellt werden.

Wir müssen uns gegen eine Regierungspolitik zur Wehr setzen, die keine Alternative zum Krieg mehr zulässt! Wir müssen verlangen, dass dem Willen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung nach Stopp der Waffenlieferungen und nach einer diplomatischen Lösung des Ukraine Krieges entsprochen wird.

Gehen wir von hier aus in unsere Familien, an unsere Arbeitsstellen in die Vereine und Gewerkschaften….und auf die Straße!

Wir müssen noch viel mehr werden!

Schauen wir nach Frankreich, wo der Regierung, die sich über den Willen des Volkes hinwegsetzt, größter Widerstand entgegengesetzt wird.

Wir verlangen

Stoppt sofort die Waffenhandlungen! Frieden fängt mit einem Waffenstillstand an!

Akzeptiert und unterstützt die erneute Initiative für einen diplomatischen Friedensprozess z.B. durch Brasilien und China!

Keine Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet!

Abrüstung statt Aufrüstung!

Nein zum 2-Prozent-Ziel des Militärhaushaltes und zu den 100 Milliarden Kriegskrediten, stattdessen Milliardeninvestitionen für Jugend, Soziales und Umwelt!

Nein zu Atomwaffen auf deutschem Boden!

Ja zu einer humanen Flüchtlingspolitik ohne rassistische Ausgrenzung!

Ja zu zum Frieden in der Ukraine!

Ja zu einer europäischen Sicherheitsordnung nicht gegen, sondern mit Russland!

 

Sigi Czyrt ist Flüchtlingspatin und lebt in Dortmund.