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20 Jahre Friedensdekaden
vonIm Sommer 1980 hatte die Ost-West-Konfrontation einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Bundesregierung kündigte damals an, den sogenannten NATO-Nachrüstungsbeschluss zu unterzeichnen. Als Reaktion auf die Stationierung einer neuen Generationsowjetischer Mittelstreckenraketen in Osteuropa sollten in der Bundesrepublik und anderen NATO-Staaten modernste amerikanische Marschflugkörper und atomare Raketensysteme der Pershing-Klasse aufgestellt werden. Abrüstungshoffnungen waren enttäuscht worden. Neue Ängste breiteten sich aus, vor allem in den beiden deutschen Staaten an der Nahtstelle der Blocksysteme.
Um in dieser Lage auf die besondere Friedensverantwortung der Kirchen aufmerksam zu machen, hatte eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Evangelischen Kirchenbundes in der DDR für den 9. November 1980 einen "Bittgottesdienst für den Frieden" vorbereitet. Auch ein Mahngeläut und eine Friedensminute sollten stattfinden. Die ostdeutschen Landesjugendpfarrer nahmen diese Anregungen auf und schlugen vor, die 10 Tage zwischen dem 9. November und dem Buß- und Bettag in den Gemeinden als "Friedens- und Abrüstungstage" zu begehen. Die Konferenz Evangelischer Kirchenleitungen in der DDR stimmte schließlich nach kontroverser Debatte diesem Vorschlag zu: Im Protokoll der Sitzung steht der lapidare Satz: "Die Dekade endet am Bußtag, unter Umständen mit der Friedensminute." Damit war der Begriffder Friedensdekade geboren.
Niemand ahnte wohl in jenem Herbst 1980, dass aus dieser Aktivität der ostdeutschen Landesjugendpfarrer eine kirchliche Aktionsform werden würde, die seit mittlerweile 2 Jahrzehnten in den Gemeinden lebt. Nachdem die 1. Dekade unter dem Motto "Frieden schaffen ohne Waffen" breite Resonanz in den Gemeinden und Gruppen gefunden hatte, bereitete die Kommission Kirchlicher Jugendarbeit gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Jugend in der DDR für den Herbst 1981 eine 2., diesmal ökumenische, Friedensdekade vor. Zum Material dieser Dekade gehörte der Textil-Aufnäher "Schwerter zu Pflugscharen". Aus diesem Signet entwickelte sich innerhalb weniger Monate ein sichtbares Symbol der staatsunabhängigen Friedensbewegung. In den folgendenden Jahren entwickelte sich die Friedensdekade zu einem Diskussionsforum gesellschaftspolitischer Themen; neben den Friedens- und Abrüstungsfragen standen bald auch Menschenrechtsfragen und das bedrängende Thema der Schöpfungsbewahrung. Für das anfangs der 80er Jahre entstandene DDR-Basisgruppennetzwerk "Frieden Konkret" und den Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung waren die Friedensdekaden eine unersetzbare Veranstaltungsform.
Nach den Ereignissen im Herbst 1989 meinten manche, nun hätten sich die Friedensdekaden erledigt, war doch spätestens mit der Auflösung des Warschauer Paktes die Ost-West-Konfrontation aufgehoben. Doch schon die Diskussion um die NATO-Intervention gegen Irak im Golfkrieg des Jahres 1991 zeigte, dass die Friedensfragen weiterhin aktuell bleiben werden. In einem mehrjährigen Prozess gelang es, die von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen verantwortete Friedensdekade Ost und die von der Trägergruppe "Frieden in Gerechtigkeit" getragenen westdeutschen Friedenswochen zur gesamtdeutschen "Ökumenischen Friedensdekade" zusammenzuführen. Seit 1993 gibt es nun eine gemeinsame Dekade mit einem zentralen Motto. Sie wird vorbereitet von einem Gesprächsforum, in welchem neben der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden auch einzelne Landeskirchen und kirchliche Zusammenschlüsse wie die Arbeitsgemeinschaft evangelische Jugend in Deutschland, aber auch Organisationen wie Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste und die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl vertreten sind.
Oft haben wir uns in den letzten Jahren gefragt, ob und wie die Friedensdekade weitergeführt werden soll. Stehen wir nicht in der Gefahr, dass aus der Dekade ein "Traditionsläufer" wird, der einfach fortgeführt wird, weil er schon so lange läuft? Brauchen wir eine neue Aktionsform angesichts der Feststellung, dass die großen politischen Diskussionsveranstaltungen in den Kirchen eher weniger werden? Spiegeln die Themen und Materialien der Friedensdekade eine realistische Sichtweise der Tatsache, dass es inden 9Oer Jahren kein einmütiges pazifistisches Zeugnis der Kirchen mehr gibt? Die Entscheidung des Gesprächsforums, die Friedensdekade als zentrale kirchliche Diskussionsplattform fortzuführen, wurde durch die kontroverse Debatte um die militärische Intervention im Kosovo in diesem Jahr bestärkt.
Die herbstlichen 10 Tage des mahnenden Fragens und Nachdenkens, des kontinuierlichen Gebetes, welche in den Bußtag münden, sind unverzichtbar solange sich die Priorität friedlicher Konfliktlösung in Europa noch nicht durchgesetzt hat. Die Stimmen der Kirchen und Basisgruppen, auch der verschiedenen kontroversen Positionen, werden weiterhin interessierte Hörer finden. An einer bestimmten Stelle einmal im Kirchenjahr den Finger auf die vielen wunden Punkte dieser friedlosen Welt zu legen, wird auch künftig nötig sein. Deshalb wird es im Jahr 2000 vom 12.11.-21.11. die 20. Friedensdekade unter dem Motto "Frieden stiften" geben.