Afrika

Afrika als Spielball der globalen Rohstoffausbeutung

von Martina Fischer
Schwerpunkt
Schwerpunkt

Afrika ist reich an Bodenschätzen, die auf dem Weltmarkt heiß begehrt sind, vor allem Erdöl, Erdgas, Steinkohle, Uran, Edelmetalle, Diamanten und Phosphate. Rohstoffe waren im Visier der kolonialen Unternehmungen und sind weiterhin Objekt der Ausbeutung durch multinationale Konzerne. Für viele Länder bilden sie das wichtigste Exportgut. Mehr als 20 afrikanische Länder fallen in die vom Internationalen Währungsfonds definierte Kategorie „rohstoffreich“, deren Exporte zu mehr als einem Viertel aus Rohstoffen bestehen (Burgis 2017, 17). Ein Großteil des afrikanischen Öls und Erzes wird nach Nordamerika, Europa und zunehmend auch nach China verschifft.

Allerdings profitierten in den afrikanischen Ländern nur einige wenige von Rohstoffverkäufen. Mancherorts kam es zwar zu einem begrenzten Konsumanstieg in den Mittelklassen. Für die meisten Menschen ergab sich jedoch keine wirtschaftliche Perspektive. Der Abbau von Rohstoffen trug nicht nur zu ungleichen Einkommen, sondern auch zu sozialen Konflikten und gewaltsamen Auseinandersetzungen, (z.B. um die Kontrolle der Abbaugebiete) bei. Und er brachte auch massive Umweltschäden mit sich. Einige Ökonomen sahen den Rohstoffreichtum daher eher als „Fluch“, denn als Segen für den Kontinent (Humphrey, Sachs und Stiglitz 2007). Gegen diese Sichtweise wurde vorgebracht, dass sie eine Schicksalshaftigkeit unterstelle, die Ursachen für Armut, Hunger und Gewaltkonflikte hauptsächlich in Afrika verorte, und (neo-)koloniale Wirtschaftsstrukturen ausblende (Kiepe 2020). Auch Tom Burgis (2017), Afrikaexperte der Financial Times, spricht vom „Fluch“ des Reichtums. Eindimensionale Ursachenanalyse kann man seinen Reportagen kaum unterstellen. Seine Recherchen illustrieren, wie verschlungen die globalisierten Geschäftsbeziehungen verlaufen, und welche Herrschaftsmechanismen dabei greifen.

Systematische Plünderung
Die „systematische Plünderung“ Afrikas, so Burgis, begann im 19. Jh. mit Siedlern, Rohstoffjägern, Händlern und Söldnern und setzte sich nach der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien im Geschäftsgebaren vieler Konzerne fort. Wo zuvor Land, Gold und Edelsteine durch gewaltsam aufoktroyierte Verträge entwendet wurden, „zwingen heute Heerschaaren von Anwälten der Öl- und Bergbaugesellschaften mit Hunderten von Milliarden Dollar Jahresumsatz afrikanischen Regierungen groteske Bedingungen auf und nutzen dann Steuerlöcher, um die mittellosen Länder um ihre Einnahmen zu betrügen. An die Stelle der alten Imperien sind verborgene Netze von multinationalen Unternehmen, Zwischenhändlern und afrikanischen Potentaten getreten. Diese Netze verschmelzen staatliche und unternehmerische Macht. Sie fühlen sich keiner Nation verpflichtet, sondern gehören zu den transnationalen Eliten, die mit der Ära der Globalisierung aufgeblüht sind. Vor allem dienen sie ihrer eigenen Bereicherung.“ (Burgis 2017, 20).

Allerdings funktioniert die Ausbeutung nicht nur aufgrund der Macht von Konzernen wie Rio Tinto, Queensway Group, Glencore, Bellzone, Vale, BSG Resources usw., sondern auch, weil Machthaber und Clans deren Bedingungen akzeptieren und die Einnahmen unter sich aufteilen. Internationale Konzerne erkaufen sich zudem oft mit Bestechungsgeldern günstige Bedingungen und Marktvorteile. Im westafrikanischen Guinea haben sich internationale Konzerne jahrelang in Konkurrenz überboten und eine planvolle Erzförderung systematisch behindert. Der Bergbauriese BSGR sicherte sich durch Zahlungen an Angehörige des ehemaligen Diktators Lansana Conté privilegierte Zugänge im Abbau.

Ein anderes Beispiel sind französische Ölgeschäfte in Gabun, die von zweifelhaften Transaktionen begleitet waren, „eine riesige, verborgene Pipeline schmutzigen Geldes, die durch den afrikanischen Zweig von Elf, der staatlichen französischen Ölgesellschaft, verlief“. (Burgis 2017, 173) Elf wurde schließlich privatisiert. Der Nachfolger Total, neben Exxon Mobile, BP und Shell einer der wichtigsten globalen Ölproduzenten, verfügt weiterhin über günstige Konzessionen in Gabun, Angola und Nigeria. Tom Burgis (2017, 20) meint, der Abbau von Rohstoffen müsse nicht zwangsläufig mit schamloser Ausbeutung einhergehen, es gebe auch „viele Angestellte der Bergbau- und Ölindustrie und ganze Unternehmen, deren Ethos und Verhalten ganz anders sind, als die der Plünderer. (…) Doch bis jetzt ist die Maschinerie, die Afrika ausplündert, noch mächtiger als sie alle.“ Die Situation wird zusätzlich dadurch verkompliziert, dass vielerorts inzwischen auch chinesische Unternehmen mitmischen.

Chinas Geschäftsmodell: Infrastruktur für Ressourcen
Nachdem Afrika für die Förderung von Diamanten, Gold, Energie und Metallen während der letzten hundert Jahre fast nichts zurückbekommen habe, was wirtschaftliche Entwicklung begünstigte, traf China dort auf große Akzeptanz, weil es eine „wirtschaftliche Transformation nach seinem eigenen Vorbild“ anbot, so Burgis (2017, 170). Beginnend mit Angola (2004) schloss China inzwischen mit vielen Ländern Milliardengeschäfte ab, bei denen Ressourcen gegen Infrastruktur getauscht wurden. Für viele Projekte wurden Kredite gestellt, oft erfolgt die Rückzahlung aber auch in Rohstoffen. Es wird geschätzt, dass zwei Drittel aller Infrastrukturausgaben auf dem Kontinent seither von China getätigt wurden. Auch der neue Sitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba wurde von Peking finanziert.

Perry zufolge (2017, 477f) knüpfte China erfolgreich an historischen Handelsbeziehungen („Seidenstraße“) an, präsentierte sich als Gegenbild zum Westen und veränderte den Kontinent rasant: „Über Nacht sah man auf jeder Baustelle von Äquatorialguinea bis nach Äthiopien chinesische Bauunternehmer (…) und auf dem ganzen Kontinent Staudämme, Krankenhäuser, Universitäten, Stadien, Flughäfen und Präsidentenpaläste bauen.“ Auch Eisenbahntrassen zählen dazu. Ein Großteil der neuen Verkehrswege kommen dem Rohstoffabbau zugute.

Dieser geht auch in „joint ventures“ zwischen westlichen und chinesischen Unternehmen vonstatten. So hat in Niger die französische Ölgesellschaft Total mit einer chinesischen Firma eine Partnerschaft gebildet. Im Bergbau zeichnen sich ähnliche Tendenzen ab. Eine weitere Strategie besteht darin, Anteile an westlichen Unternehmen zu erwerben, die seit langem vom Öl und den Mineralien in Afrika profitieren. Was viele der externen Akteure verbindet, ist, dass sie kaum auf Umweltverträglichkeit und faire Arbeitsbedingungen achten müssen und darauf vertrauen können, dass autokratische Regime Proteste von Umwelt- oder Menschenrechtsgruppen im Keim ersticken.  
Die sogenannte „Belt and Road Initiative“ (BRI), mit der über den indischen Ozean hinweg in Afrika sowie über den Pazifik hinweg in Ozeanien und Lateinamerika neue Geschäftsbeziehungen etabliert werden, birgt sicher enorme Risiken. Manche Länder werden in die Schuldenfalle laufen, und eine krisenpräventive oder friedensfördernde Praxis steht bislang nicht auf der Agenda. Eine von Brot für die Welt 2020 veröffentlichte Studie beschreibt die BRI als „konfliktblind“, also frei von ethischen Vorgaben zum Verhalten in konfliktbetroffenen Regionen. Allerdings, so der Autor Jason Towers, seien ganz unterschiedliche Akteure beteiligt und die chinesische Regierung verfüge keineswegs über einen detaillierten Masterplan, das eröffne Spielräume für Friedensförderung und Projekte nachhaltiger Entwicklung.

Suche nach Alternativen
Bei allem Unbehagen angesichts der chinesischen Präsenz müssen sich andere Industrieländer fragen lassen, welche Alternativen sie anzubieten haben. Sind sie bereit, den Handel mit Afrika fair zu gestalten und dort tätigen Unternehmen Sorgfaltspflichten aufzuerlegen? Wie schwer sie sich damit tun, kann man beim Tauziehen um ein „Lieferkettengesetz“ beobachten, das NGOs und entwicklungspolitische Akteure auf deutscher und europäischer Ebene voranbringen möchten, während Unternehmen verbindliche Festlegungen und Klagerechte zu verhindern suchen. Es wäre dringend erforderlich, internationale Konzerne global zu besteuern und Schlupflöcher zu stopfen, illegale Geldströme und Geldwäsche zu unterbinden, Steueroasen auszutrocknen und Korruption zu unterbinden. Um den bisherigen Zirkel zu durchbrechen, braucht es aber auch in Afrika neue Bündnisse.

Der senegalesische Ökonom Felwine Sarr fordert, sich nicht länger am Ausverkauf zu beteiligen, zumal „es sich bei Kohle, Erdgas und Erdöl um nicht erneuerbare Energieträger handelt, die sich innerhalb eines Jahrhunderts erschöpft haben werden.“ (Sarr 2020, 62)  Bodenschätze sollten von regierungsunabhängigen Institutionen verwaltet werden. Sarr verweist auch auf die Gefahr des Ausverkaufs von Grund und Boden. Angesichts des weltweit zu erwartenden Bedarfs an Agrarprodukten hätten sich multinationale Konzerne längst an die Sicherung des Ackerlands gemacht. Auch da müssten politische Akteure Souveränität wahren und kontrolliert werden: „Geholfen wäre ihnen womöglich, wenn die afrikanischen Zivilgesellschaften ein deutlicheres Bewusstsein dessen an den Tag legten, was dabei auf dem Spiel steht.“  (Sarr, 2020, 63)

Die internationale Zivilgesellschaft wiederum muss die afrikanische in ihrem Einsatz für wirtschaftliche Perspektiven, Nachhaltigkeit und Frieden aktiv unterstützen. Sie muss den Druck auf Regierungen, internationale Konzerne und Finanzinstitutionen erhöhen, um schädliche Direktinvestitionen und unfaire Handelsverträge zu vermeiden. Es braucht ein gemeinsames Engagement für ökologische und soziale Wertschöpfung und bessere Arbeitsbedingungen, damit Ausbeutung, Umweltzerstörung, Landraub und damit verbundene Gewaltkonflikte unterbunden werden.

Quellen
Burgis, Tom, Der Fluch des Reichtums. Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas, Bonn 2017: BpB, Bd. 10067.
Humphrey, Macartan, Jeffrey D. Sachs und Joseph E. Stiglitz, Escaping the Resource Course, New York 2007.
Kiepe, Jasper, Der Fluch des „Ressourcenfluchs“, in Wissenschaft & Frieden 1/2021, 35-37.
Perry, Alex, In Afrika. Reise in die Zukunft, Frankfurt a.M., 2. Aufl. 2019: Fischer.
Sarr, Felwine, Afrotopia, Bonn 2020: BpB, Bd. 10410.
Tower, Jason G., Conflict Dynamics and the Belt and Road Initiative, Berlin 2020: Brot für die Welt

Dr. Martina Fischer ist Politologin und Referentin für Frieden und Konfliktbearbeitung bei Brot für die Welt. Zuvor war sie mehr als 30 Jahre in der Friedens- und Konfliktforschung, davon knapp zwei Jahrzehnte an der Berghof Foundation (Berlin) tätig.

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt