Ein Meilenstein der globalen Friedensbewegung

Atomwaffen werden völkerrechtswidrig

von Anna Hauschild
Im Blickpunkt
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Der Widerstand gegen die katastrophalen Folgen von Atomwaffen begann vor 75 Jahren mit den Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki. Daraus entwickelte sich ein generationenübergreifender und globaler Friedensaktivismus. Diese globale Bewegung hat auf ihrem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt einen Meilenstein zu feiern.

Die im Oktober erfolgte 50. Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags (AVV) bedeutet, dass der Ver-trag am 22. Januar 2021 in Kraft treten kann. An diesem Tag werden Atomwaffen völkerrechtswidrig! Alle Vertragsstaaten des AVV verpflichten sich, weder an Tests, Entwicklung oder Produktion von Atomwaffen beteiligt zu sein. Sie dürfen Atomwaffen nicht besitzen oder Atomwaffen anderer Staaten auf ihrem Territorium lagern. Es ist ihnen auch untersagt, Aktivitäten dieser Art zu unterstützen.

Das völkerrechtliche Verbot wirkt sich zudem auf die Position und das Handeln aller aus, die sich an internationalem Recht orientieren. Selbst Staaten, welche nicht Teil des AVV sind, werden mit dessen politischen und auch wirtschaftlichen Auswirkungen mittelbar konfrontiert sein. Globale Banken und Finanzinstitute beziehen sich in ihren Richtlinien auf völkerrechtlich verbotene „kontroverse Waffensysteme” und beschließen, nicht in diese zu investieren. Mit jeder weiteren Ratifizierung zeigt der AVV reale Auswirkungen auch auf Nichtvertragsstaaten.

Durch den AVV machen die beteiligten Staaten deutlich, dass sie sich das dominante Verhalten der Atomwaffenstaaten nicht länger gefallen lassen. Selbst Stimmen, welche in der Vergangenheit die nukleare Abschreckungslogik vertreten haben, werden zunehmend sehen, dass der einzige Weg zu Sicherheit und Frieden über ein Verbot und die Abschaffung von Atomwaffen führt. In einem offenen Brief haben sich bereits zwei ehemalige NATO-Generalsekretäre gemeinsam mit 56 ehemaligen Außen- und Verteidigungsminister*innen sowie Regierungschef*innen aus NATO-Staaten und weiteren Staaten, die auf den nuklearen Schutzschirm der USA vertrauen, für den AVV ausgesprochen und bezeichnen den Vertrag als „einen Hoffnungsschimmer in einer dunklen Zeit”.

Nachdem Deutschland das erste Mal einem Verhandlungsprozess über multilaterale Abrüstung fernblieb, wächst nun der Druck auch auf Deutschland. Sollte Deutschland in Zukunft dem AVV beitreten, bedeutet dies ein Ende der Stationierung von US-Atomwaffen auf deutschem Boden, denn eine solche wäre mit dem AVV nicht vereinbar. Früher oder später werden sich mehr und mehr Staaten dem AVV anschließen. Es gibt eine neue Norm in der internationalen Staatengemeinschaft, welche die Existenz von Atomwaffen nicht länger akzeptiert.

Atomwaffen schaffen keine Sicherheit, sie schaffen keinen Frieden und sie können auch nicht die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen. Die letzten Monate haben gezeigt, dass eine Krise wie die einer globalen Pandemie nicht durch Waffen, sondern durch multilaterale Verständigung angegangen werden muss. Staaten müssen in ihr Gesundheits- und Bildungssystem sowie in eine soziale Absicherung investieren und nicht ihr Budget an Militärausgaben und Atomwaffen verschwenden.

Der AVV ist der erste Vertrag, der auch die gesundheitlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Fol-gen der Atomwaffentests und der atomaren Produktionskette anerkennt, und in dessen Verhandlungsprozess zivilgesellschaftliche Gruppen aus betroffenen Gebieten der ganzen Welt beteiligt waren. Die Hiroshima - Überlebende Setsuko Thurlow beschreibt ihre Gedanken zum Inkrafttreten besonders eindrücklich:

„Ich habe ein unglaubliches Gefühl von Erfolg und Erfüllung, von Zufriedenheit und Dankbarkeit. Ich weiβ, dass ich dieses Gefühl mit anderen Überlebenden teile – seien es die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki, Überlebende der Atomtests der südpazifischen Inselstaaten, Kasachstan, Australien und Algerien. Oder auch Überlebende von Uranabbau in Kanada, den USA [auf indigenem Land] oder dem Kongo. [...] Für Opfer und Überlebende ist der Erfolg des Atomwaffenverbotsvertrags wahnsinnig erleich-ternd. Ich feiere diesen Moment mit meinen Brüdern und Schwestern auf der ganzen Welt, welche zu Op-fern gemacht wurden und trotzdem ihre Stimme erheben und trotzdem überleben. Wir feiern ebenso mit allen Menschen auf der ganzen Welt, die das absolut Böse von Atomwaffen sehen. […] Wir feiern mit einer globalen Gemeinschaft von Anti-Atom Aktivist*innen, die zusammen gekommen sind und sich für den Er-folg dieses Vertrags eingesetzt haben.”

Der 22. Januar 2021 ist ein Tag, um einen der größten Erfolge der globalen Friedensbewegung und des Aktivismus gegen Atomwaffen zu feiern. Jede Person, die für eine atomwaffenfreie Welt einsteht, ist Teil dieses Erfolgs.

Mehr Informationen zum AVV und den Auswirkungen des Inkrafttretens lassen sich auf https://www.icanw.de/inkrafttreten/ finden. Gehen wir gemeinsam an, dass Deutschland dem Vertrag ebenfalls beitritt!

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Anna Hauschild ist Freiwillige bei ICAN Deutschland e.V. und studiert BA Governance and Public Policy an der Universität Passau.