Kampagne "Kürzt den Rüstungsetat" erfolgreich angelaufen

Auf zum Endspurt!

von Heinz Wagner

Seit Mai diesen Jahres läuft, von Pax Christi initiiert, die Kampagne "Kürzt den Rüstungsetat", in der sich besonders christliche Gruppen (Bund der deutschen katholische Jugend, Ökumenische Initiative Eine Welt, Ohne Rüstung leben u. a.), aber auch die Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner engagieren. Ziel der Kampagne ist die "deutliche Verminderung" der Rüstungs­ausgaben in der Bundesrepublik. Dem Ziel der Senkung des Rüstungsetats die­nen zwei Ansätze:

Zum einen, wie Schaffen und vertiefen wir ein politisches, psychologisches Klima, das Abrüstung nicht nur rheto­risch zuläßt oder fordert, sondern das auch die für Abrüstung und Umrü­stung notwendige Bereitschaft zum persönlichen Einsatz und die notwen­dige Solidarität wachsen läßt? Kon­kretes Beispiel: Was passiert in struk­turschwachen Regionen oder Gemein­den, wenn der einzige Wirtschaftsfak­tor "Militär" abgezogen oder reduziert wird? Schon jetzt gibt es Gemeinden, die darauf hinweisen, daß Abrüstung sicher richtig ist, aber man doch bitte­schön woanders damit beginnen solle. Zum anderen, was können wir auf po­litischer Ebene bewegen, damit die zweifellos vorhandene historische Chance zur endgültigen Überwindung des Nachkriegskonfliktes nicht vertan wird?
Beide Ziele, das "bewußtseinsbildende, psychologische" und das "politische", könne über das Kernstück der Kampa­gne, die Unterschriftensammlung zum Aufruf an den deutschen Bundestag gefördert werden. Wie ist der Stand der Bemühungen, wenige Wochen vor dem Ende der diesjährigen Kampagne (Buß- und Bettag, 22. 11., Verabschie­dung des Haushaltes 1990 Anfang De­zember)?

Zwanzigtausend Unterschriften ge­sammelt
Zunächst: Etwa 20.000 Unterschriften wurden bisher unter den Aufruf ge­sammelt. Der Rücklauf und die Mate­rialbestellungen sind kontinuierlich, erfahrungsgemäß gibt es zum Ende ei­ner Kampagne nochmal einen "Berg" an Rücksendungen. Die Ziele der Kampagne finden nach allen bisheri­gen "Vor-Ort-Erfahrungen" Zustim­mung, die Bereitschaft zu unterschrei­ben oder selbst etwas zu tun, ist groß. Die Zustimmung geht einerseits weit über das christliche Spektrum hinaus (kommunale Friedensforen z.B.), andererseits übertrifft sie deutlich die traditionellen Sympathisantenkreise der Friedensbewegung (z.B. Kirchen­gemeinden, CDU-Mitglieder). Die pädagogisch-psychologische Bewußt­seinsbildung scheint gut auf dem Weg zu sein, wenngleich die inhaltliche Auseinandersetzung sicher noch nicht den oben angedeuteten Problemstand erreicht hat.

Letztlich geht es um den Umbau, die Konversion nicht nur der Industrie, sondern auch von Regionen, die Ent­militarisierung der gesamten Gesell­schaft unter Berücksichtigung lokaler und globaler Solidarität, unter Einbe­ziehung ökologischer und sozialer Fra­gen.
Was ist in den verbleibenden Wochen für die Kampagne noch zu tun? Da sie de­zentral angelegt ist, bietet sich fol­gende Möglichkeit, die jede-r mit rela­tiv geringem Aufwand realisieren kann: Materialien bestellen (Briefum­schläge, Aufrufe, Listen) und mit kur­zem Begleitschreiben an alle Freun­dInnen und Bekannte schicken. Und diese wiederum auffordern, das glei­che zu tun.

Wer dagegen lieber "politisch" einstei­gen möchte, dem sei empfohlen, sich auf Kontakte zu den Volksvertretern der Regierungsparteien zu konzentrie­ren (Sprechstunde besuchen, Briefe schreiben, anrufen). Warum? Ein kur­zer Überblick über die Ergebnisse der politischen Auseinandersetzung macht dies deutlich:

Was die Parteien meinen
10.00 Unterschriften wurden dem Pe­titionsausschuß des Bundestages be­reits mit einer Petition überreicht. Der Ausschuß hat inzwischen um eine Stellungnahme des Haushaltsaus­schusses gebeten. Die parlamentari­schen Gremien beschäftigen sich also mit unserer Forderung. Das Ergebnis wird die Machtverhältnisse und die Positionen der Parteien spiegeln. Alle Parteien waren vom Pax-Christi-Präsi­dium um Gesprächstermine angefragt worden. Die Gespräche mit der SPD und den Grünen haben inzwischen stattgefunden. Die FDP hat einen Termin nach Verabschiedung des Haushaltsgesetzes angeboten. Die CDU bot nur die vage Aussicht, man könnte ja mal überlegen. Hier die Ein­schätzung aller Kontakte:

CDU:
Es gibt zur Zeit weder Stellungnahmen noch spürbare Gesprächsbereitschaft. Z.B. ist es fast aussichtslos, einen poli­tisch bedeutenden Diskussionspartner für Veranstaltungen zu bekommen. "Warten auf Wien" scheint die Devise, hinter der man sich gegenwärtig in Sprachlosigkeit verschanzt. einzige Ausnahme: Rita Süssmuth. Am 29 9. forderte sie weltweite Einsparungen bei der Rüstung zugunsten des Um­weltschutzes. Dies, so Frau Süssmuth, sei keine "Propaganda", sondern "le­bensnotwendig".

FDP:
"Nicht an der Rüstung, sondern in der Rüstung sparen", scheint die gegen­wärtige Devise der FDP zu sein. Rü­stungsgelder effektiver nutzen, um so - genau genommen - die Abschreckung noch zu steigern. In dieser Linie liegt auch die prinzipielle Maxime der FDP, den Rüstungsetat nicht mehr als den Gesamthaushalt ansteigen zu lassen. Der Haushaltsentwurf '90 zeigt näm­lich: "Nicht mehr" heißt leider auch "nicht weniger".

SPD:
"Einfrieren auf dem Stand von 1988", die Forderung des Münsteraner Parteitages ist Leitlinie für die diesjähri­gen Haushaltsvorschläge der SPD. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Kür­zungsvorschläge in Höhe von 3,15 Mrd. DM gemacht. Darunter, wie auch bei den Grünen, der Ausstieg aus dem "Jäger 90". Dieses Großprojekt, so die SPD, mache aber auch deutlich, daß Abrüstung zunächst einmal keine Gelder freisetzt, sondern etwas kostet. Im Falle des "Jäger 90" z. B. die Kon­ventionalstrafen für den Ausstieg aus bestehenden Verträgen. Frage jedoch an die SPD: Was ist der Münsteraner Beschluß wert, wenn ihr Koalitions­partner 1990 nicht grün, sondern gelb ist?

Die Grünen:
Sie legen, wie zu erwarten war, die weitesgehenden Kürzungsvorschläge vor. Konkrete Zahlen allerdings noch nicht, sie rechnen noch. Ihr Vorschlag dürfte aber sicher über 20% des Re­gierungsvorschlages für den Einzelplan 14 liegen. Frage also an die Grünen: Können diese radikalen Kürzungen der Bevölkerung so vermittelt werden, daß die vielen grundsätzlich zur Abrü­stung bereiten Menschen auch dann diese Position mittragen werden, wenn die Chance einer politischen Umset­zung von ihnen spürbare Opfer und/oder die Aufgaben (überzogener) Sicherheitsbedürfnisse verlangt?

Diese letzte Frage mag getrost auch als Frage an die Kampagne und die Friedensbewegung verstanden werden.

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