Ampelkoalition

Aufrüsten statt abrüsten - Grünes Licht für neue Atombomber

von Martin Singe
Im Blickpunkt
Im Blickpunkt
( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien ist für die Friedensbewegung ein harter Schlag. Von den noch in der letzten Legislaturperiode vertretenen sicherheitspolitischen Positionen der Grünen (in der Opposition) ist nichts mehr übrig, der linke Parteiflügel der SPD konnte sich nirgendwo im Vertrag durchsetzen. Dass Maas die Koalitionsgespräche in der sicherheitspolitischen AG leitete, war schon ein böses Omen. Druck aus der NATO-Spitze kam hinzu. Es gibt im Ergebnis ein Weiter-so, einschließlich der Ankündigung zusätzlicher Aufrüstungsmaßnahmen. Leitmotiv seien „unsere Interessen und Werte“. Nur wenige Zeilen widmet der Vertrag der Zivilen Konfliktbearbeitung, die so auch künftig nur ein marginales Schattendasein beanspruchen kann.

Unverzichtbarkeits- und weitere Bekenntnisse zieren mehrfach den neuen Vertrag, vor allem hinsichtlich NATO, Bundeswehr und „Weltverantwortung“: „Wir bekennen uns zu Deutschlands Rolle und Verantwortung für Frieden, Freiheit und Wohlstand in der Welt.“ Für die EU gilt das ebenfalls: „Eine demokratisch gefestigte, handlungsfähige und strategisch souveräne EU ist die Grundlage für unseren Frieden und Wohlstand.“  Die EU soll weiter zu Interventionsfähigkeit aufgerüstet und sogar mit einem eigenen militärischen Hauptquartier ausgestattet werden. Entscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sollen bei Aufgabe des Konsensprinzips künftig schneller gefällt werden können.

Die Bundeswehr soll bestmöglichst aus- und aufgerüstet werden, das 2%-Ziel der NATO wird – versteckt im 3%-Ziel für internationale Ausgaben incl. Entwicklungszusammenarbeit (welch‘ unselige Verknüpfung!) - angestrebt. Zur Bestausrüstung der Bundeswehr gehören selbstverständlich auch bewaffnete Drohnen, die natürlich nur nach strengsten ethischen Kriterien zum Einsatz kommen sollen. Eine für 2023 geplante Stationierung neuer US-Hyperschallraketen wird nicht ausgeschlossen.

Die nukleare Auf- und Nachrüstung wird als beschlossene Sache verkündet. Ein nuklear bestückbares Nachfolge-Kampfflugzeug für den Tornado soll schon in dieser Legislaturperiode beschafft werden, obwohl der Tornado noch bis 2030 fliegen kann und dessen Ausmusterung eine Chance gewesen wäre, das Ende der nuklearen Teilhabe für Deutschland in der NATO durchzusetzen. Nun müssen Milliarden für einen neuen Atombomber her, der auch für die neuen B61-12-Atombomben zertifiziert werden soll. „Wir werden zu Beginn der 20. Legislaturperiode ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen. Den Beschaffungs- und Zertifizierungsprozess mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands werden wir sachlich und gewissenhaft begleiten.“ Die nukleare Abschreckung wird so verewigt (Solange die Anderen …). Unverbindliche Abrüstungsbeteuerungen werden ohne Konkretisierungen wie Sahnehäubchen zwischendurch verteilt. Hinter die Zusage einer Teilnahme an der Vertragsstaatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) als Beobachter konnten die Koalitionäre wegen konkreter Versprechen nicht mehr zurück, aber eine Mitgliedschaft beim AVV wird ausdrücklich ausgeschlossen. Die Friedensbewegung hatte den Beobachterstatus als ersten Schritt hin zu einem Beitritt gefordert.

Die Fortsetzung von Auslandseinsätzen wird als parallel gleichgewichtige Aufgabe zur Landesverteidigung festgeschrieben. Die grundgesetzliche Begrenzung auf Landesverteidigung (§ 87a GG) wird überhaupt nicht mehr als Problem wahrgenommen. Die Koalition will in ihrem ersten Regierungsjahr eine „nationale Sicherheitsstrategie“ erarbeiten, wohl eine Art neues Weißbuch, in dem zuletzt u.a. die Aufrechterhaltung von freien Handelswegen und ungehinderte Rohstoffzufuhr als Ziele formuliert worden waren.

Eine Kooperation mit Russland wird angesprochen, aber wenig konkretisiert. Stattdessen werden harte Forderungen und verschärfte Sanktionsdrohungen, z.B. hinsichtlich der Ukraine-Politik, aufgestellt. Mit Baerbock als Außenministerin, die bereits eine NATO-Aufnahme der Ukraine angesprochen hatte, wird eine europäische Politik der Gemeinsamen Sicherheit mit Russland wohl schwer möglich.

Immerhin soll ein Rüstungsexportgesetz auf den Weg gebracht werden. Hier hängt aber noch vieles von der konkreten Ausgestaltung ab. An „nachweislich unmittelbar“ am Jemen-Krieg beteiligte Staaten soll nicht mehr geliefert werden – an mittelbar beteiligte doch? Der Aachener Vertrag wird hervorgehoben, dem gemäß sich Frankreich und Deutschland beim Export gemeinsam produzierter Waffen nicht widersprechen dürfen. Das wird das milliardenschwere Kooperations-Projekt FCAS und GMCS (Kampfjet und Kampfpanzer) betreffen, bei dem hohe Exportzahlen bereits vorprogrammiert sind.

Dass Minderjährige bei der Bundeswehr künftig nur an Holzpistolen statt an echten Waffen ausgebildet werden dürfen, ist bei alledem nicht wirklich ein Trostpflaster.

Weitere Erläuterungen und Erklärungen zum Koalitionsvertrag finden sich u.a. auf den Seiten der Friedenskooperative, bei IMI, Ohne Rüstung leben und bei atomwaffenfrei.de

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".