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Autonome Waffensysteme
Waffen wie aus einem schlechten Science-Fiction-Film
vonAbseits der großen medialen Wahrnehmung bahnt sich gegenwärtig eine neue, hochbrisante Variante des Wettrüstens an. Diskutiert wird darüber in Fachmedien oder speziellen Seminaren. Es geht dabei um die Entwicklung tödlicher autonomer Waffen („lethal autonomous weapons, LAWS, wie sie in der Fachsprache genannt werden.
Das sind Waffensysteme, die keiner menschlichen Kontrolle mehr unterliegen. Im Unterschied zu Drohnen, die von Menschen ferngelenkt werden, die dann auch die tödlichen Bomben auslösen, analysieren autonome Waffensysteme die Situation auf dem Gefechtsfeld selbstständig und treffen eigenständig Entscheidungen. Wenn der eingebaute Computer die Entscheidung trifft, Menschen zu töten, dann setzt er diese Entscheidung auch unmittelbar eigenständig um.
Das mag auf den ersten Blick nach einem schlechten Science-Fiction-Film aussehen, ist aber längst im Stadium von Forschung und Entwicklung sowie in ersten Ansätzen auch schon Realität. Entwickelt werden diese Waffen von Staaten wie China, Großbritannien, Israel, Russland und den USA, Berichten zufolge inzwischen auch von Privatarmeen.
Dass die Problematik autonomer Waffensysteme kein technisches Zukunftsszenario mehr ist, machte die Meldung eines deutschsprachigen russischen Regierungssenders vom 30. August deutlich. Dort hieß es, der Kalaschnikow-Konzern habe auf der Rüstungsmesse „Army 2017“ bereits einen Kampfroboter „Soratnik“ präsentiert. Das Gleiskettenpanzerfahrzeug mit einer Reichweite bis zu 400 km könne zehn Tage lang autonom funktionieren. Es sei vor einem Jahr gebaut und bereits bei Kampfhandlungen in Syrien getestet worden.
BefürworterInnen dieser neuen Waffen vertreten die Auffassung, dass deren Bordcomputer zuverlässiger und obendrein schneller die Situation auf dem Gefechtsfeld erfassen, einschätzen und entsprechend reagieren könnten als Menschen. Doch letztlich führen Computer Programme aus, die ihnen einprogrammiert wurden. Bei aller Komplexität, zu der heutige Programme fähig sind, bleibt doch offen, welche Reaktionen bei nicht zuvor programmierten Szenarien erfolgen.
In sensiblen Situationen mit einem hohen Konfliktpotenzial, in denen sich zwei Konfliktparteien bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstehen, könnte womöglich schon eine einzige autonome Waffe durch eine irrtümliche Entscheidung eine ganze Kettenreaktion auslösen, bei der autonome Waffensysteme auf beiden Seiten einen Krieg auf eigene Faust führen, der womöglich durch menschliche Eingriffe kaum noch zu stoppen ist.
Computer entscheiden
Die Vorstellung, eines Tages würden womöglich Computersysteme autonom über den Einsatz von Atomwaffen entscheiden, weil sie eben schneller in der Lage sind, einen möglichen gegnerischen Angriff zu erkennen und darauf zu reagieren, lässt dann auch die Vorstellung zu, dass eines Tages Computer, also Maschinen, eigenständig über die Existenz oder Vernichtung der Menschheit entscheiden könnten.
In der Atomkriegsdebatte Anfang der 1980er Jahre wurde eine solche Tendenz zur Auslösung eines Atomkrieges durch automatische Computerreaktionen bereits für möglich gehalten. Die damals in der Bundesrepublik stationierten und mit atomaren Sprengköpfen bestückten Pershing-2-Raketen hatten nach einem Start nur eine Vorwarnzeit von 4,5 Minuten bis zu einem Einschlag in Moskau. Eine Stationierung solcher Raketen in der Zukunft in Polen oder den baltischen Staaten würde diese Vorwarnzeit noch einmal drastisch minimieren. Zeit zum Nachdenken bliebe bei einem Fehlalarm nicht. Damals zogen die USA und die UdSSR die Konsequenz, mit dem INF-Vertrag die in dieser Hinsicht besonders gefährlichen landgestützten Mittelstreckenraketen zu verbieten und die bereits vorhandenen zu verschrotten. Derzeit wird vor allem in den USA über die Aufkündigung des INF-Vertrages nach Vorwürfen russischer Vertragsverletzungen diskutiert.
In letzter Konsequenz stellt die Entwicklung autonomer Waffensysteme aber die Welt vor die Alternative: Entweder schafft die Menschheit die Rüstung ab oder die Rüstung schafft die Menschheit ab.