Bericht über die Klausurtagung des Koordinierungsausschusses

von Rainer van Heukelum

Am 1. November kamen ca. 40 Leute in Köln zusammen, um einmal ohne Zeitdruck durch aktuelle Planungsvorhaben die KA-Arbeit der letzten Zeit zu bewerten, die politischen Perspektiven der Friedensbewegung für 1989 zu beraten und die Aufgaben des KA auch vor dein Hintergrund der Situation in den Friedensorganisationen zu bestimmen.

Beim Rückblick beschränkte man sich auf die Vorbereitung und Durchführung der Aktionen an der NATO Bunker-Baustelle in Linnich, die den KA in den letzten Monaten besonders beschäftigte. Eine Einschätzung der gesamten Herbstaktionen wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Einig war man sich, daß die. Demonstration selbst gelungen und die Atmosphäre unter den Teilnehmerinnen positiv und trotz der relativ geringen Teilnehmerlnnenzahl von 6.000 Leuten keineswegs von Resignation geprägt war. Allerdings ist nicht erreicht worden; innerhalb der Friedensbewegung und in der (Presse-)Öffentlichkeit die Linnichaktivitäten als zusammenfassende Aktion der Friedensbewegung zur Ablehnung des Abschreckungssystems darzustellen. Bemängelt wurde das Wegfallen der verschiedenen Veranstaltungen im Rahmen der Aktionstage, welches unter den Angereisten viel Unmut erzeugte, das schlechte Klima in den letzten KA-Sitzungen sowie die fehlende Mitarbeit von Teilen des KA bei den Vorbereitungen. Als Erklärungen dafür wurden die Zurückhaltung der parteinahen Gruppierungen wegen der "NATO-Feindlichkeit" der Aktion und die seit der Tübiriger Aktionskonferenz bestehende Unklarheit über den Stellenwert der Linnichaktion (regional, überregional oder bundesweit?) im Rahmen der anderen Herbstaktionen genannt. Zudem seien die neuen Elemente ("positive Friedensalternativen") von denen, die sie eingebracht haben, nicht genügend konsequent weiterverfolgt worden.

Als Ergebnis dieser 1. Phase kann festgehalten werden, daß klare politische Einigungen und ein Abbau des wohl nach wie vor bestehenden Mißtrauens zwischen verschiedenen Spektren im KA ( oder der sie vertretenden Personen) Voraussetzung für eine weitere, dann wieder fruchtbarere Arbeit des KA ist.    

Neues Selbstverständnis des KA?
In die 2. Phase der Klausur leitete ein Referat von Ulli Frey (AGDF) ein, der unter den Fragestellungen: Wo steht die Friedensbewegung heute? Was liegt an? Was soll der KA tun? Im-pulse für die weitere Diskussion gab. Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen sprach er sich für ein neues Selbstverständnis des KA aus: Der KA sei nicht mehr die treibende Kraft der Friedensbewegung, er solle für eine Zeit lang die Aktionsorientierung aufgeben, stattdessen die Beratung aufnehmen über den "Roten Faden" der' Friedensarbeit und mit den verbleibenden Institutionen (Förderverein, Rundbrief, Büro) vor allem Service-, Arbeit leisten.

Bei der Diskussion über. eben diese Rahmenbedingungen entwickelte sich eine lebhafte und kontroverse Debatte über die Frage, wie die momentane Gesprächsbereitschaft zwischen den USA und der UdSSR einzuschätzen ist. Befinden wir uns in einer Übergangsphase zu mehr Kooperation zwischen den Blöcken mit Aussicht auf einen Stillstand der Rüstungsdynamik oder geht es dem Westen bei seiner Umorganisierung der Politik gegenüber dem Osten lediglich um einen "Dritten Weltkrieg" mit anderen Mitteln, die der Expansion des Kapitalismus dient, wobei das "militärische Standbein" als Bedrohungs- und Erpressungsinstrument auch gegenüber der "Zweiten/Dritten" Welt aber erhalten bleiben muß?

Der Aufrüstungskurs wird fortgesetzt
Festzustellen ist jedenfalls, daß das öffentliche Meinungsklima den Eindruck des Abbaus von Spannungen und des Ausbaus von Abrüstung und Kooperation erweckt, tatsächlich aber der alle Aufrüstungskurs heimlicher als früher und zum Teil an den Parlamenten vorbei fortgesetzt wird.
Dies wird besonders in der "Modernisierungs“-Diskussion deutlich. Spätestens im April 1989 wird in der Ausführung der Beschlüsse von Montebello (1983) eine Entscheidung im NATO-Bündnis fallen über Art und Zusammensetzung neuer Nuklearsysteme, die bei Verschrottung alter Waffen durch Steigerung von Effizienz und Reichweite bei den neuen Waffen alle Optionen wiederherstellen, die mit Pershing II und Cruise Missiles gegeben waren. Dieser NATO-Beschluß müsse auch durch Druck der Friedensbewegung - so Ottfried Nassauer - verhindert werden, da er den jetzigen Entspannungsprozeß gefährde. Auch die Entwicklung des Jäger 90 zeigt, daß weitere Aufrüstung auch im konventionellen Bereich gewollt ist. Offensichtlich ist es bleibendes Ziel des NATO-Bündnisses, mit neuen Systemen die Kriegsführungsfähigkeit zu erhöhen.
Um angesichts dieser Situation die Möglichkeiten der Friedensbewegung aufzuzeigen; ist neben den objektiven Notwendigkeiten aber auch die subjektive Lage der sozialen Bewegungen zu bedenken. Die Herbstaktivitäten machen  einerseits deutlich, daß. es nach wie vor einen zwar zahlenmäßig  reduzierten, aber recht stabilen Kern von Friedensbewegten gibt. Da aber immer mehr Themen ins Bewußtsein der Leute rücken und es auch Verschiebungen von der Abrüstungs- zur Ökologie- und Gerechtigkeitsthematik gibt, ist die Müdigkeit in Teilender Bewegung auch mit der Problemanhäufung zu erklären. Zwar gibt es eine Konvergenz der Themen der sozialen Bewegungen, doch eine Beliebigkeit der Zuspitzung, so daß die Suche nach einem zentralen Schwerpunkt zur Zeit vergebens ist.

Aufgaben des KA
Welche Aufgaben kommen in dieser Situation auf den Koordinierungsausschuß zu? Die in Köln Anwesenden waren sich einig, daß eine intensive Beratungsphase notwendig ist, um wieder verstärkt handlungsfähig zu werden. Der KA müsse seinem Namen gerecht werden und wirklich versuchen zu koordinieren. Jetzt einen Zeitdruck zu erzeugen auf ein bestimmtes Thema hin, sei der Situation der Friedensgruppen nicht angemessen. Auf der anderen Seite erschien es allen wichtig, bis Ende Januar ein Zwischenergebnis zu erzielen. Dies ist vor allem in Hinblick auf die "Modernisierungsfrage" wichtig.

Die nächsten Schritte des KA werden sein:
Erarbeitung einer Konsens-Dissensliste der Organistionen zu zentralen Fragestellungen sowie die Einschätzung der Annäherung zwischen den Blöcken ("Imperialismusdiskussion") und deren Folgen für die Friedensarbeit. Am 21.1.89 ist ein Beratungsgespräch mit nicht im KA vertretenen Friedensorganisationen über mögliche Zusammenarbeit geplant; im Frühjahr wird dann voraussichtlich eine neue Strategiekonferenz folgen.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Rainer van Heukelum ist Lehrer und in der Bonner Pax Christi Gruppe aktiv.